Schweizer Apotheker mit mehr Kompetenzen

Welche Rx-Arzneimittel jetzt direkt abgegeben werden dürfen

Remagen - 04.10.2019, 11:30 Uhr

Am 1. Januar 2019 sind in der Schweiz das revidierte Heilmittelgesetz und die revidierte Arzneimittelverordnung in Kraft getreten, die den Apothekern neue Kompetenzen bei der Arzneimittelabgabe einräumen, auch um die Selbstmedikation zu erleichtern und zu fördern. (Foto: imago images / Steinach)

Am 1. Januar 2019 sind in der Schweiz das revidierte Heilmittelgesetz und die revidierte Arzneimittelverordnung in Kraft getreten, die den Apothekern neue Kompetenzen bei der Arzneimittelabgabe einräumen, auch um die Selbstmedikation zu erleichtern und zu fördern. (Foto: imago images / Steinach)


Die Revision des schweizerischen Heilmittelgesetzes, wonach Apotheker unter bestimmten Voraussetzungen verschreibungspflichtige Arzneimittel direkt abgeben dürfen, kommt langsam in der Praxis an. Mitte September wurde hierzu eine Arzneimitteliste zu drei Indikationsbereichen bekannt gemacht: saisonale allergische Rhinitis und Rhino-Konjunktivitis, akute Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Erkrankungen.

Am 1. Januar 2019 sind in der Schweiz das revidierte Heilmittelgesetz und die revidierte Arzneimittelverordnung in Kraft getreten, die den Apothekern neue Kompetenzen bei der Arzneimittelabgabe einräumen, auch um die Selbstmedikation zu erleichtern und zu fördern. Sie durften zwar auch bisher schon Arzneimittel der Liste A (Einmalige Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung) und B (Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung) ohne Rezept abgeben, aber nur in begründeten Ausnahmefällen. Mit der Revision werden nun weitere Arzneimittel der Liste B für die direkte Abgabe durch die Apotheker (nicht nur in Ausnahmefällen) freigegeben.

Indikationsliste mit drei Anwendungsbereichen

Die erste Kategorie umfasst Arzneimittel zur Behandlung häufig auftretender Krankheiten mit bekannten, seit mehreren Jahren zugelassenen Wirkstoffen. Der Schweizer Bundesrat legt derzeit fest, auf welche Indikationen und Arzneimittel dies unter welchen Voraussetzungen zutrifft. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) wird dabei von einer Expertengruppe „Indikationsliste“ beraten.

Aktuell beinhaltet die Indikationsliste drei Anwendungsbereiche mit einer Reihe von Indikationen. Die dazugehörige Arzneimittelliste (Stand 15. September 2019), die soeben vom EDI genehmigt wurde, gibt Aufschluss über die konkreten Wirkstoffe, die von der Freigabe erfasst sind. Sie enthält in den Bereichen: 

  • saisonale allergische Rhinitis und Rhino-Konjunktivitis  
    bestimmte orale Zubereitungen und Dosistärken von Cetirizin, Levocetirizin, Loratadin, Desloratadin, Bilastin, Fexofenadin sowie Epinastin Ketotifen und Olopatadin (Augentropfen) und Azelastin, Mometason und Fluticason (Nasenspray) 
  • Akute Atemwegserkrankungen 
    Salbutamol und Terbutalin Pulver gegen  Bronchospasmen, 
  • Magen-Darm-Erkrankungen 
    Domperidon Suspension bei Übelkeit und Erbrechen,  
    Omeprazol, Lanzoprazol, Esomeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol gegen Refluxsymptome, 
    Mebeverin Retard-Tabletten gegen funktionelle Darmbeschwerden,  
    Loperamid-Sirup gegen Durchfall 
    Bestimmte Präparate gegen Obstipation und für die akute Behandlung von Hämorrhoiden sowie  
    Orlistat gegen Übergewicht bei Erwachsenen. 


Beschränkungen für die Anwendung sind jeweils detailliert ausgewiesen. Die Listen sollen periodisch überprüft und erweitert beziehungsweise überarbeitet werden.  
 

Weiterführung einer Dauermedikation

Die zweite Kategorie sind Arzneimittel zur Weiterführung einer Dauermedikation. Diese dürfen während eines Jahres nach der ärztlichen Erstverschreibung ebenfalls von den Apothekern rezeptfrei abgegeben werden, was vor allem der Behandlung chronischer Krankheiten dienen soll.

Aus der Kategorie C in B umgeteilte Arzneimittel

Die dritte Kategorie umfasst Arzneimittel, die bis zum 1. Januar 2019 der abgeschafften Abgabekategorie C angehörten, nun aber in die höhere Kategorie B umgeteilt wurden und damit rezeptpflichtig sind.Dies betrifft Arzneimittel, die Wirkstoffe mit einem bekannten Missbrauchspotenzial enthalten, die zur Gewöhnung oder Abhängigkeit oder zu schwerwiegenden Interaktionen mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln führen können oder die eine spezielle Dokumentationspflicht erfordern.

Seit Juni 2019 publiziert die Arzneimittelbehörde Swissmedic monatlich eine Liste der von C nach B umgeteilten Arzneimittel, für die die Verfahren der Umteilung nach Ablauf einer 30tägigen Einspruchsfirst rechtskräftig abgeschlossen sind. Für die Hälfte der umgeteilten Präparate ist das bereits geschafft, darunter Opiatderivate  (Codein oder Dextromethorphan) in Hustensäften, Etilefrin Tropfen, dermale Präparate mit Crotamiton sowie das Notfallkontrazeptivum Levonorgestrel.

Anpassung der Packungsbeilage bei den neuen Kategorie B-Arzneimitteln

Um gegenüber den Anwendern klarzustellen, dass die von der Abgabekategorie C in die Abgabekategorie B umgeteilten Arzneimittel weiterhin ohne ärztliche Verschreibung nach persönlicher Fachberatung durch einen Apotheker in der Apotheke abgegeben werden dürfen, hat die Arzneimittelbehörde Swissmedic für die Fixtexte der betroffenen Arzneimittel in der Patienteninformation einige Anpassungen angeordnet.

Umsetzungshilfe der Kantonsapothekervereinigung

In der Gesetzgebung wird explizit verlangt, dass Apotheker rezeptpflichtige Arzneimittel nur unter gewissen Voraussetzungen abgeben dürfen. So muss die Abgabe persönlich durch einen Apotheker erfolgen. Der Patient muss für die Beurteilung und Übergabe des Arzneimittels persönlich anwesend sein. In jedem Fall muss mindestens ein persönlicher Erstkontakt stattgefunden haben. Jede Abgabe muss in elektronischer oder schriftlicher Form dokumentiert werden. Es muss für Dritte nachträglich zweifelsfrei nachvollziehbar sein wie es zum Abgabeentscheid gekommen ist. Die Kantonsapothekervereinigung (KAV) hat eine Umsetzungshilfe dazu erlassen, die für einen einheitlichen Vollzug in den Kantonen sorgen soll. Sie wurde zusammen mit Vertretern von pharmaSuisse erarbeitet.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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