Zerfleddertes Apotheken-Stärkungsgesetz

Auch die Wiederholungsverordnungen kommen ins Masernschutzgesetz

Berlin - 16.10.2019, 07:00 Uhr

Ein Rezept, mehrere Abgaben: Das wollte die Bundesregierung mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz umsetzen, jetzt soll die Neuregelung mit dem Masernschutzgesetz kommen. (c / Foto: imago images / J. Tack)

Ein Rezept, mehrere Abgaben: Das wollte die Bundesregierung mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz umsetzen, jetzt soll die Neuregelung mit dem Masernschutzgesetz kommen. (c / Foto: imago images / J. Tack)


Das Apotheken-Stärkungsgesetz wird weiter auseinandergenommen. Am gestrigen Dienstag wurde bekannt, dass die Modellvorhaben für Grippeschutzimpfungen in der Apotheke, die eigentlich mit der Apothekenreform kommen sollten, mit dem Masernschutzgesetz geregelt werden sollen. Nach Informationen von DAZ.online haben sich Union, SPD und das Bundesgesundheitsministerium nun auch darauf verständigt, die geplanten Wiederholungsverordnungen im Masernschutzgesetz zu regeln. Immer mehr stellt sich die Frage: Was passiert mit den geplanten Regelungen zu den pharmazeutischen Dienstleistungen und zur freien Apothekenwahl?

Das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken trägt seinen Namen, weil es laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) viele verschiedene Maßnahmen enthält, die die Apotheken – auch gegenüber dem Versandhandel – „schützen“ sollen. Kern des Gesetzes ist ein Rx-Boni-Verbot, das im Sozialgesetzbuch V verankert werden soll und das für alle Marktanbieter im In- und Ausland zumindest für den GKV-Bereich gelten soll. Dieses Boni-Verbot ist nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung (2016) jedoch höchst umstritten und wird derzeit von der EU-Kommission europarechtlich überprüft.

Weil diese Überprüfung viel Zeit kostet und das Gesetz sogar als Ganzes in Gefahr bringen könnte, hat die Große Koalition nun damit begonnen, die für sie wichtigen Teile im Apotheken-Stärkungsgesetz in andere Gesetzgebungsverfahren zu übertragen. Schon vor einigen Wochen wurden Änderungen am Apothekenhonorar und an der Apothekenbetriebsordnung ausgegliedert und in einer Extra-Sammelverordnung inzwischen beschlossen. Am gestrigen Dienstag berichtete DAZ.online, dass außerdem ein weiterer wichtiger Teil aus der Apothekenreform herausgenommen und mit dem Masernschutzgesetz in den Bundestag kommen soll: die geplanten Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken.

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Doch damit noch nicht genug: Nach Informationen von DAZ.online haben sich das Bundesgesundheitsministerium und Vertreter der beiden Regierungsfraktionen (Union und SPD) am gestrigen Dienstag darauf verständigt, dass auch die geplanten Wiederholungsverordnungen nicht mehr mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz, sondern mit dem Masernschutzgesetz im Bundestag besprochen werden sollen. Das Masernschutzgesetz wird noch in dieser Woche erstmals im Bundestag beraten und könnte im Frühjahr 2020 in Kraft treten.

Hier nochmals alle Details über die geplanten Wiederholungsverordnungen, mit denen die Bundesregierung insbesondere Chroniker entlasten will:

Zitat aus dem Gesetzentwurf:

Die wiederholte Abgabe eines zur Anwendung bei Menschen bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimittels auf dieselbe Verschreibung bedarf der Anordnung der verschreibenden Person. Die verschreibende Person kann eine Verschreibung ausstellen, nach der eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verschreibungen sind als Verschreibungen zur wiederholten Abgabe zu kennzeichnen. Bei der wiederholten Abgabe auf dieselbe Verschreibung ist das verschriebene Arzneimittel jeweils in derselben Packungsgröße abzugeben, die die verschreibende Person für die erstmalige Abgabe auf der Verschreibung angegeben hat. Die wiederholte Abgabe eines zur Anwendung bei Tieren bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimittels auf dieselbe Verschreibung über die verschriebene Menge hinaus ist unzulässig.

Was passiert mit den Dienstleistungen und den Regelungen zum E-Rezept?

Für die Apotheker stellt sich langsam aber sicher die Frage: Was bleibt noch übrig von der Apothekenreform? Von den oben beschriebenen vielen unterschiedlichen Maßnahmen, die die Vor-Ort-Apotheke stärken sollen, sind nur noch wenige in der Reform verblieben. Die wichtigste geplante Neuregelung, die noch im Apotheken-Stärkungsgesetz steht, ist ohne Zweifel die Einführung neuer pharmazeutischer, vergüteter Dienstleistungen. Erstmals sollen die Kassen verpflichtet werden, solche Services der Apotheker zu vergüten. Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind die Regelungen zur freien Apothekenwahl: Mit der Reform soll klargestellt werden, dass weder Ärzte noch EU-Versender oder Krankenkassen Patienten mithilfe des E-Rezeptes „lotsen“ oder „leiten“ dürfen.

Schließlich wären da auch noch geplante Neuregelungen für automatisierte Abgabestationen: Die Bundesregierung will definieren, unter welchen Umständen Arzneimittel an Abgabeautomaten abgegeben werden können. Falls diese Passage mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz kippt, dürfte sich die Trauer der Apotheker aber wohl in Grenzen halten. Denn dort enthalten ist auch die grundsätzliche Erlaubnis für Versandhändler, solche Abgabe-Automaten zu betreiben, wenn diese sich an gewisse Regeln halten.

Ob das Apotheken-Stärkungsgesetz nur später kommt oder sogar komplett kippt, ist derzeit noch völlig offen. Klar ist: Es gibt massive Probleme bei der Besetzung der neuen EU-Kommission. Derzeit steht nicht fest, wer der oder die neue Binnenmarkt-Kommissar/-in wird, der sich um die deutsche Rx-Preisbindung kümmern müsste. Wenn es dann eine arbeitende EU-Kommission gibt, ist auch noch lange nicht gesagt, dass diese auch die Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gutheißen wird. Spahns Kollegen in der Unionsfraktion haben jedenfalls schon angekündigt, dass die Reform wohl ganz gekippt werde, wenn sich die EU-Kommission gegen das Rx-Boni-Verbot im SGB V stemmt.

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Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Wiederholungsverordnung ???

von Mathias Mallach am 16.10.2019 um 10:37 Uhr

zum Thema Wiederholungsverordnungen:

Wenn das der gesamte Text zum Thema Wiederholungsverordnung sein soll, dann frage ich mich wieder einmal, warum man nicht mal einen Apotheker dazu befragt hat. Sollte er es nicht sein, und es gibt noch nähere Erläuterungen dazu, dann bitte her damit !
Mir sind spontan nur gleich mindestens 4 Dinge dazu eingefallen:
1. Was mache ich mit so einem Rezept ? Behalten bis alles abgeholt ist ? Original sofort einreichen mit Kopie und Vermerk, wieviele Packungen der Patient bereits abgeholt hat ? Oder die Kopie einreichen ?
2. Muss der Patient alle drei Packungen unbedingt in einer Apotheke abholen ? Kann er das Rezept splitten ?
3. Was ist, wenn sich Rabattverträge ändern ? Bekommt er immer nur das eine Präparat ?
4. Wo ist der Unterschied zu heutiger Gesetzgebung, dass der Arzt die Gültigkeitsdauer eines Privatrezeptes selbst verlängern kann und dabei beliebig viele Packungen verschreiben darf ? Nur, dass es jetzt auch für GKV-Verordnungen gilt ?

Klär mich mal bitte einer auf !

PS: Wie sieht es mit meiner Extra-Vergütung zu den Punkten 1 und 2 aus ?

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AW: Wiederholungsverordnung

von Jan Kusterer am 16.10.2019 um 11:48 Uhr

Ich erwarte von unserer Vertretung, dass sie uns für Leuchtturmprojekte Konzeptplanungen für den BEST CASE vorstellt. Ich will wissen, dass eine Idee nicht nur aus einem Satz besteht sondern aus einem erarbeiteten praxistauglichen Konzept.

Wer hat etwas Anderes erwartet ? Es wäre so einfach !

von Dirk Krüger am 16.10.2019 um 10:30 Uhr

Es wäre so einfach: Im VOASG das Boniverbot im SGB V streichen und das Gesetz mit dem auch vom Bundesrat geforderten RXVV dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen. Sch… auf die EU. Ob man die fragt oder nicht - davon unabhängig und auch unabhängig davon, wie die Antwort unserer Überregierung in Brüssel ausfällt, sollte sie doch gefragt werden : das RxVV landet eh vor dem EUGH - unserer Über-Über-Regierung. Unsere Bundesregierung sollte mal den A... in der Hose haben, selbst etwas zu entscheiden und nicht immer wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange erstarren. Aber unser BMG scheut ja die Mühe, weil der "Begründungsdruck zu groß" wäre. Ich könnte schreien...

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