Nach Kölner Todesfällen

Wie gefährlich ist Lidocain?

Stuttgart - 17.10.2019, 06:59 Uhr

Rund einen Monat nach den Todesfällen durch toxisch verunreinigte Glucose aus einer Kölner Apotheke deutet vieles auf ein Versehen hin. Nun ist auch bekannt, welche Substanz zum Tod zweier Menschen geführt hatte: Lidocainhydrochlorid. ( r / Foto: Bits and Splits /stock.adobe.com)

Rund einen Monat nach den Todesfällen durch toxisch verunreinigte Glucose aus einer Kölner Apotheke deutet vieles auf ein Versehen hin. Nun ist auch bekannt, welche Substanz zum Tod zweier Menschen geführt hatte: Lidocainhydrochlorid. ( r / Foto: Bits and Splits /stock.adobe.com)


Für Kinder besonders gefährlich

Lidocain passiert laut Fachinformation die Plazenta rasch und wahrscheinlich, wie die Blut-Hirn-Schranke, durch passive Diffusion. Bei Neugeborenen mit hohen Plasmakonzentrationen kann Lidocain eine Dämpfung des ZNS bewirken. Daten über eine begrenzte Anzahl von exponierten Schwangeren geben laut Fachinformation dagegen keinen Hinweis auf kongenitale Effekte durch Lidocain. Tierexperimentelle Studien haben aber Reproduktionstoxizität gezeigt.

Orales Lidocain

Alle bis hier genannten Informationen beziehen sich auf i.v. verabreichtes Lidocain. Eingangs wurde erwähnt, dass Lidocain einem hohen First-Pass-Effekt in der Leber unterliegt und deshalb nicht oral gegeben wird. Gibt es dennoch Daten dazu, ob und wie sich oral eingenommenes Lidocain auf den Körper (toxisch) auswirken kann? 

Vom Gastrointestinaltrakt an sich wird Lidocain gut absorbiert. Das Lidocain, das in den Blutkreislauf gelangt, soll sich rasch in Lunge, Leber, Gehirn und Herz verteilen. Später erfolgt eine Speicherung im Muskel- und Fettgewebe.

Tatsächlich ist Lidocain in öffentlichen Apotheken in seiner Anwendung als Lokalanästhetikum (statt Antiarrhythmikum) in der Oberflächenanästhesie deutlich gängiger. Es kommt dann auch oral zum Einsatz – allerdings soll es nicht geschluckt werden: Beispielsweise ist das Dynexan Mundgel® zur „zeitweiligen, symptomatischen Behandlung von Schmerzen an Mundschleimhaut, Zahnfleisch und Lippen“ zugelassen. Das Lidocain darin wirkt dann an der Endigung der sensiblen Nerven der Haut beziehungsweise Schleimhaut. Auch ein Einsatz als Zahnungsgel für Kinder ist möglich.

Wie viel Lidocain müsste in die Glucose gelangt sein?

Die Maximaldosis beträgt laut Fachinformation des Dynexan Mundgels® für Erwachsene 40 mg Lidocain pro Tag und somit 4-8x täglich ein erbesengroßes Stück Mundgel, das je 4 mg Lidocain enthält. Bei Kindern, Kleinkindern und Säuglingen soll die Dosierung laut Fachinformation individuell erfolgen, aber nicht 4x täglich ein erbsengroßes Stück überschreiten, was dann 16 mg Lidocain entspricht.

Erste toxische Effekte auf das ZNS wurden laut Fachinformationen nach intravenösen Dosierungen von 3 – 5 mg/kg und subkutanen Dosierungen von 30 – 50 mg/kg gesehen. 

Bei einer 60 kg schweren Frau könnten also (aus den vorausgehenden Zahl berechnet) zwischen 180 mg und 300 mg – die im Blut ankommen – toxisch wirken. Bei einem ungeborenen Kind müssten – angenommen es wog bereits 3.000 g – zwischen 9 und 15 mg Lidocain im Kreislauf angekommen sein.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Versagen DAV

von Dr Mathias Keil am 20.10.2019 um 10:37 Uhr

Lieber Herr Kollege Müller,
In Ihrem Kommentar machen Sie es sich zu leicht:
Zwar sind Ihre Anmerkungen zur Rezepturberechnung durchaus nachvollziehbar allerdings ist das vermutliche Fehlverhalten in der Apotheke dadurch keinesfalls zu entschuldigen. Es wurde offensichtlich gegen elementare GMP Regel (ID-Kontrolle, Reinigung, Untermischung...) verstoßen . Das genau aufzuklären ist Sache des Staatsanwaltes und eine erweiterte Schulung und Kontrolle der Apithekenmitarbeiter scheint mir auch erforderlich zu sein. Wenn wir nicht in der Lage sind elementare GMP Regeln in der Offizin umzusetzen , dann wird die Rezeptur|Defektur wohl aus der Apotheke verschwinden. Wollen wir das?

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Versagen des DAV

von Karl Friedrich Müller am 17.10.2019 um 7:49 Uhr

Im DAP wird heute die Abfüllung und die angebliche Unwirtschaftlichkeit der Fertigprodukte behandelt.
1. warum wird eine Abfüllung nicht wie eine normale Rezeptur behandelt und vergütet? Die derzeitige Berechnung ist ein alter Zopf
2. warum müssen KK keine Gefäße vergüten? Auch das ist nicht einzusehen. Ebenso ein alter Zopf aus grauer Urzeit, als man noch Gefäße reinigte.
Man hat versäumt, den Praxisbedarf anzupassen und eine angemessene Berechnung zu fordern.
Es kann nicht Sache von Apotheken sein, in ausbeuterischer Weise Dinge herzustellen, die fertig auf dem Markt sind. Rezepturen müssen TEURER sein als Fertigprodukte

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