DAZ.online: Welches denn?
Paulus: Die Europäischen Verträge enthalten zwar die klare Aussage, dass die Gesundheitssektoren der Mitgliedstaaten der Subsidiarität unterliegen. Jedoch gilt grundsätzlich, dass der Binnenmarkt allen Unternehmen gleichermaßen offen stehen muss. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist leider nur unzureichend definiert. Der Apothekenmarkt, aber auch die Versorgung der Bevölkerung mit Ärzten und anderen wichtigen Einrichtungen gehören für mich zur Daseinsvorsorge und sollten nicht vollständig dem EU-Wettbewerbsrecht unterliegen. Ich finde, die Europäischen Verträge sollten dahingehend geändert werden. Allerdings gibt es dafür aufgrund der aktuellen politischen Lage keine Mehrheiten – es herrscht eine grundsätzliche Zurückhaltung bei der Änderung der Verträge.
DAZ.online: Was sagen Sie denn zur konkreten, aktuellen Situation? Wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit seinem Rx-Boni-Verbot in Brüssel durchkommen?
Paulus: Das Parlament ist in dieser Frage komplett außen vor, Vertragsverletzungsverfahren sind eine Angelegenheit zwischen der Kommission als Hüterin der Verträge und dem betroffenen Mitgliedsstaat. Deswegen bin ich da fachlich nicht involviert. Ich habe aber meine Zweifel, dass es hält. Wahrscheinlich ist doch eher, dass DocMorris einmal bei der Kommission anruft und dann kippt diese Regelung. Ich sehe das Problem auch auf einer anderen Ebene: Es geht grundsätzlich um die Strukturschwäche des ländlichen Raumes, die nicht nur Apotheken betrifft. Wir sollten daher darüber nachdenken, wie wir den Strukturaufbau unterstützen. Bei den Präsenzapotheken könnte man ja über eine Art Grundfinanzierung nachdenken, die je nach Lage variiert.
Paulus: Die Produktionsauflagen in Fernost müssen steigen
DAZ.online: Der Apothekenmarkt ist nicht das einzige Problemfeld in der EU-Arzneimittelpolitik. Große Fragen werfen auch die in allen Ländern immer schlimmer werdenden Lieferengpässe auf. Sollte es auf europäischer Ebene nicht viel größere Bemühungen geben, dieses Problem zu lösen?
Paulus: Unbedingt. Das ist aber eine Frage, die von mehreren Kommissaren behandelt werden muss, hier ist nicht nur die Gesundheitspolitik gefragt. Für mich ist klar: Die Pharmaindustrie hat einen Versorgungsauftrag, an den man sie auch gerne erinnern kann. Allerdings kann man die Unternehmen nicht zwingen, ihre Standorte zurück nach Europa zu verlegen. Vielmehr wäre es sinnvoll, dafür zu sorgen, dass die Produktions- und Umweltauflagen in Fernost steigen und besser kontrolliert werden.
DAZ.online: Frau Paulus, wir danken Ihnen für das Gespräch!
2 Kommentare
Apothekerin bei der EU?
von Heiko Barz am 22.10.2019 um 12:28 Uhr
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Doc Morris
von Conny am 22.10.2019 um 9:56 Uhr
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