AMK zu brechenden Verhütungsringen

Nuvaring und Circlet stabiler als Ginoring, Setlona und Veri-Aristo

Stuttgart - 24.10.2019, 06:59 Uhr

Bei generischen Verhütungsringen wie Ginoring, Setlona und Veri-Aristo häufen sich die Rückrufe aufgrund von Ringbrüchen. Das Original Nuvaring scheint stabiler. Das hat nun auch die AMK analysiert. (m / Foto: picture alliance / Phanie)

Bei generischen Verhütungsringen wie Ginoring, Setlona und Veri-Aristo häufen sich die Rückrufe aufgrund von Ringbrüchen. Das Original Nuvaring scheint stabiler. Das hat nun auch die AMK analysiert. (m / Foto: picture alliance / Phanie)


War am Anfang die Freude über generische Verhütungsringe zum Original Nuvaring groß – sie sind günstiger und können auch ungekühlt gelagert werden –, ist die Euphorie seit Monaten gedämpft: Ginoring, Setlona und Veri-Aristo brechen. Und das häufiger als Nuvaring – das hat nun auch die AMK ermittelt. Liegt es am Ringpolymer?

Vaginalringe zur Verhütung haben kein langes Leben, sie müssen gerade einmal einen dreiwöchigen Verhütungszyklus überdauern. Dennoch gelingt es manchen, vor allem den generischen, Herstellern nicht, den Vaginalring für diese drei Anwendungswochen stabil zu fertigen: Die Verhütungsringe brechen. Wenn Ringe brechen, dann geschieht dies vor allem an der produktionsbedingten Schweißnaht, erklärte die ABDA diese Woche in einer Mitteilung.

Ringbrüche bei Verhütungsringen

AMK-Rückruf von Verhütungsringen

Nach Ginoring: Auch Veri-Aristo bricht!

Rückruf weiterer Verhütungsringe

Noch mehr Ginoringe brechen

Dass von Ringbrüchen vor allem die generischen Verhütungsringe betroffen sind, zeigen die AMK-Meldungen der vergangenen Monate. Seit Juli hat in dieser Woche Exeltis, der pharmazeutische Unternehmer hinter Ginoring®, bereits zum dritten Mal etliche Chargen seines Ginoringes zurückgerufen. Im August musste dann auch Aristo Pharma einige Chargen seines vaginalen Kontrazeptivums Veri-Aristo® zurückrufen, gefolgt vom Hersteller Mylan, der im September dann den Rückruf mancher Chargen Setlona® wegen Ringbrüchen einräumen musste.

Bislang kein Rückruf von Hexals Cyclelle

Bislang blieb Cyclelle® (Hexal) überraschenderweise von Rückrufen verschont. Überraschend deswegen, da alle generischen Verhütungsringe, egal ob Ginoring®, Cyclelle®, Setlona® oder Veri-Aristo®, aus demselben spanischen Werk stammen. Exeltis ist lediglich Lizenzgeber an Hexal, Mylan und Aristo Pharma.

Nuvaring® und das hauseigene Generikum Circlet® hingegen scheinen stabil, DAZ.online ist seit Zulassung kein Rückruf der Vaginalringe aufgrund von Ringbrüchen bekannt.

Generische Ringe brechen 3,5-mal öfter

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat nun eine Statistik zur Stabilität der Verhütungsringe erstellt. Über ihr Ergebnis informiert die AMK aktuell in „Unerwartet hohes Risiko von Ringbrüchen bei generischen Vaginalringen“. Nach Analyse der AMK sind seit der Erstzulassung von Etonogestrel-Ethinylestradiol-haltigen Vaginalringen zur Kontrazeption 2002 bis Mitte 2019 insgesamt 332 Meldungen zu Risiken bei Vaginalringen eingegangen. Die Hälfte dieser Meldungen, 169 Fälle, steht im Zusammenhang mit einem Bruch des Rings.

Ein Großteil der Ringbrüche, 140 von insgesamt 169, das sind 83 Prozent, ist bei den generischen Präparaten aufgetreten – die allerdings erst seit zwei Jahren (2017) überhaupt verfügbar sind! Zur Einordnung: Nuvaring gibt es seit 17 Jahren.

Marktanteil generischer Ringe: 30 Prozent

Wie viele Ringbrüche beim jeweiligen Präparat passieren, liegt natürlich auch daran, wie viele Anwenderinnen es bei den einzelnen Präparaten jeweils gibt und somit dem Marktanteil, den einzelne Präparate für sich beanspruchen. Nutzen mehr Anwenderinnen vielleicht Ginoring® & Co., sodass hier erklärbar mehr Ringbrüche auftreten? Das scheint nicht der Grund. Die AMK hat nämlich auch diesen Aspekt beleuchtet: Auf die generischen Ringe entfällt nur ein Marktanteil von 30 Prozent (Zahlen aus 2018). Die Ringbruchrate der generischen Verhütungsringe, wie Ginoring®, Cyclelle®, Veri-Aristo® und Setlona® erscheint somit unerwartet hoch, so die AMK, während zu Nuvaring® und Circlet® durchschnittlich ein bis zwei Meldungen pro Jahr eingingen. „Bei Originator-Ringen haben die Meldungen zu Ringbrüchen einen Anteil von 21 Prozent. Bei den Generika beschreiben dagegen 73 Prozent aller Meldungen einen Ringbruch“, hat die AMK analysiert. Daher scheinen generische Vaginalringe ein 3,5-fach höheres Risiko für Ringbrüche aufzuweisen.

Warum brechen die Verhütungsringe?

Was zu den Ringbrüchen führt, ist bislang nicht vollständig geklärt. DAZ.online hatte bereits im Sommer zweimal bei Exeltis nachgehakt, wie sich das Unternehmen die Ringbrüche erklärt. Exeltis hielt sich beide Male bedeckt: Die Herstellung von Vaginalringen sei ein komplexer Prozess, der einer ständigen und strengen Qualitätskontrolle unterliege. In seltenen Fällen sei von Apothekern oder Anwenderinnen über gebrochene Ringe berichtet worden: „Insgesamt ist dies bei weniger als 0,1 Prozent der in Deutschland im Umlauf befindlichen Ginoringe® der Fall.“ Und weiter: „Das Auftreten solcher Brüche ist auch in der Fach- und Gebrauchsinformation aufgeführt.“

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AMK kritisiert „akzeptierte Ringbruchrate“ des Herstellers

Die AMK erscheint mit einer solchen Einstellung wenig zufrieden. Sie „kritisiert (…) ausdrücklich die von einem Zulassungsinhaber akzeptierte Ringbruchrate von bis zu 1 Prozent,“ erklärt die AMK in ihrer aktuellen Mitteilung.

Liegt es am Ringträger?

Die AMK vermutet, dass die Ursache der Ringbrüche in den Ringpolymeren zu finden sind. Sie erklärt: „Mögliche Ursachen für das genannte Risiko bestehen offensichtlich in der Art der Hormon-Trägermaterialien sowie im Herstellungsprozess.“

Trägermaterialen der Verhütungsringe

  • Nuvaring® und Circlet®: Poly(ethylen-co-vinylacetat) (72 : 28), Poly(ethylen-co-vinylacetat) (91 : 9), Magnesiumstearat (Ph.Eur.)
  • Ginoring®, Cyclelle®, Veri-Aristo® und Setlona®: Poly(ethylen-co-vinylacetat) (72 : 28), 28 % Vinylacetat; Polyurethan

Auch MSD, der Hersteller von Nuvaring® und Circlet®, betont auf Nachfrage von DAZ.online, wie es gelingt, die MSD-Ringe stabiler zu produzieren als die Konkurrenz, die andere Zusammensetzung des Ringpolymers: „Nuvaring® wird aus einem Polypropylenpolymer (Ethylenvinylazetat, EVA) hergestellt, das einen reibungsmindernden Zusatz enthält (insgesamt weniger als 5 Prozent).“ Zu anderen Verhütungsringen könne MSD keine Aussagen machen, man habe jedoch als Originalhersteller die längste Erfahrung. 

Ringbrüche durch antimykotische Cremes?

Im Verdacht als Auslöser der Ringbrüche stehen auch lokale Vaginalprodukte. In der Fachinformation zu Ginoring® findet sich ein Hinweis auf lokale Wechselwirkungen des intravaginalen Verhütungssystems und gleichzeitig angewendeten antimykotischen Ovula: „Während der gleichzeitigen medikamentösen Behandlung mit antimykotisch wirkenden Ovula könnte die Wahrscheinlichkeit, dass der Ring beschädigt wird, leicht erhöht sein“, erklärt Exeltis.

Die Fachinformationen zum Original Nuvaring®, bei dem es zwar bislang keine rückrufpflichtigen Brüche gab, und zum Generikum Setlona® informieren, dass Ringbrüche im Zusammenhang mit intravaginalen Präparaten wie Antibiotika, Antimykotika oder Gleitmitteln beobachtet wurden. „Es liegen Berichte über Ringbruch vor, wenn gleichzeitig intravaginale Präparate, einschließlich Antimykotika, Antibiotika und Gleitmittel, angewendet wurden“, erklären MSD und Mylan in den Fachinformationen zu Nuvaring® und Setlona®.

Keine systematische Untersuchung zu Brüchigkeit

MSD gibt diesen Hinweis nochmals auf Nachfrage der DAZ.online-Redaktion. „Mit Blick auf mögliche Ursachen liegen Berichte über Ringbrüche vor, wenn gleichzeitig intravaginale Präparate – einschließlich Antimykotika, Antibiotika und Gleitmittel – angewendet wurden." Jedoch hat MSD eigenen Angaben zufolge bislang nur die gleichzeitige Anwendung von Nuvaring® und vaginal angewandten Antimykotika und Spermiziden hinsichtlich der kontrazeptiven Sicherheit und Wirksamkeit untersucht, diese zeigten sich nicht beeinträchtigt. Allerdings: „Systematische Untersuchungen zur Auswirkung dieser Stoffe auf die Geschmeidigkeit/Brüchigkeit von Nuvaring® liegen nicht vor.“

Tipps zu Ringbrüchen für Apotheker

Auch die ABDA hat sich in dieser Woche zu den gehäuften Ringbrüchen geäußert. Der AMK-Vorsitzende Prof. Dr. Martin Schulz gibt Apothekern praktische Tipps für die Beratung der Vaginalringanwenderinnen. Apotheker sollten Frauen bei der Abgabe von Verhütungsringen darauf hinweisen, dass sie nur intakte Präparate verwenden sollten. Gebrochene oder gerissene Ringe sollten nicht benutzt beziehungsweise entfernt werden, da sie Hautreaktionen, lokale Druckgefühle, Unterleibsschmerzen oder Blutungen zur Folge haben könnten.

Nebenwirkungen zu Ringbrüchen melden

„Ich rate Frauen, die einen gebrochenen Ring bemerken, dies mit ihrem Apotheker zu besprechen und sich bezüglich der Notwendigkeit einer zusätzlichen Verhütungsmethode beraten zu lassen. Sobald ein Bruch des aktuell getragenen Rings bemerkt wird, sollte dieser entfernt und ein neuer eingesetzt werden. Für die sichere Empfängnisverhütung soll parallel für mindestens sieben Tage eine zusätzliche Barrieremethode verwendet werden“, sagt Schulz. 

Auch die AMK bittet Apotheker, Frauen darüber zu informieren, dass (Unterleibs-)Schmerzen auf einen gebrochenen Vaginalring hinweisen können. Die Betroffenen sollten stets einen Ersatzring im häuslichen Umfeld vorrätig haben, um diesen schnellstmöglich einzusetzen, damit eine verlässliche Verhütung garantiert und das Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft vermindert wird. Die AMK rät, wenn die Therapie länger als drei Stunden unterbrochen war, soll zusätzlich eine weitere Barrieremethode zur Verhütung angewandt werden.

Sollten aufgrund des Ringbruchs Nebenwirkungen aufgetreten sein, können Apotheker diese an die AMK melden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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