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Hüffenhardt, Versandhandel, Dienstleistungen
AOK: Lieber ein DocMorris-Automat als die vollversorgende Apotheke
Die Bundesverbände der Krankenkassen lassen keine Möglichkeit aus, sich für Umwälzungen im Apothekenmarkt auszusprechen. Neuestes Beispiel: Ein Meinungsbeitrag von Dr. Sabine Richard, Versorgungschefin des AOK-Bundesverbandes, und Sabine Beckmann, Arzneimittel-Chefin im AOK-Verband, im AOK-Magazin „Gesundheit und Gesellschaft“. Beide meinen: Der Politik gehe es nicht um die Stärkung der Versorgung, sondern um die Stärkung der Apotheker. Insbesondere das gerichtliche Verbot des DocMorris-Automaten in Hüffenhardt ärgert die beiden AOK-Mitarbeiterinnen. Von dieser „Innovationskraft“ gebe es zu wenig im Apothekenmarkt.
Während ein Teil der von der Bundesregierung geplanten Apothekenreform kürzlich in Kraft getreten ist, hängt das Apotheken-Stärkungsgesetz weiterhin fest: Mit einer Stellungnahme der EU-Kommission zum geplanten Rx-Boni-Verbot wird frühestens im Dezember gerechnet. Die Interessenvertreter im Gesundheitswesen sehen daher weiterhin die Möglichkeit, das Vorhaben zu beeinflussen – darunter auch die Krankenkassen-Verbände. Insbesondere der AOK-Bundesverband und der GKV-Spitzenverband haben in den vergangenen Monaten schon mehrfach mitgeteilt, dass sie von jeglichen Regulierungen im Rx-Boni-Bereich nichts halten und erst recht nicht von vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen.
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Der AOK-Bundesverband hat nun nochmals klargestellt, dass die apothekenpolitische Debatte aus AOK-Sicht derzeit in eine ganz falsche Richtung geht. Im verbandseigenen Magazin „Gesundheit und Gesellschaft“ äußern sich dazu die im AOK-Bundesverband für Apothekenthemen zuständigen Lobbyistinnen Dr. Sabine Richard, die unter anderem für die wieder abgeschafften AOK-Zyto-Rabattverträge verantwortlich war, und Sabine Beckmann, Apothekerin und Referatsleiterin für das Thema Arzneimittel im AOK-Bundesverband.
Obwohl das Rx-Versandverbot in den Plänen der Bundesregierung überhaupt keine Rolle mehr spielt, rechnen Richard/Beckmann zuerst damit ab. Statt neuer Regularien wünschen sich die beiden AOK-Mitarbeiterinnen einen komplett neuen Apothekenmarkt: „Insbesondere in ländlichen Regionen muss die Rolle der Apotheke neu gedacht werden. Spätestens, wenn dort Apotheken geschlossen werden, weil Fachkräfte fehlen, hilft ein Versandhandelsverbot für Arzneimittel nicht weiter.“ Vielmehr brauche es „strukturelle Weiterentwicklungen“ und „neue Betriebsformen“. Es ist nicht das erste Mal, dass der AOK-Bundesverband das fordert: Schon im Vorfeld der Bundestagswahl hatte sich der Kassenverband in einem Positionspapier für Lockerungen beim Fremd- und Mehrbesitzverbot ausgesprochen.
Arzneimittelautomaten: Sinnvolle Alternative
Bezogen auf den aktuellen Gesetzentwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes beschwert sich der Kassenverband nicht nur über die „pauschale“ neue Vergütung der pharmazeutischen Dienstleistungen. Richard/Beckmann geht es insbesondere auch um Innovationen im Apothekenmarkt. Ihrer Meinung nach würden solche Innovationen durch „kampagnenstarke Pharmazeuten“ ausgebremst. Konkret stören sich die beiden AOK-Expertinnen daran, dass im Apotheken-Stärkungsgesetz erstmals Regelungen zur automatisierten Abgabe von Arzneimitteln getroffen werden sollen. „Gleichzeitig sollen sinnvolle, auch digitalisierte Weiterentwicklungen der Arzneimittelabgabe, wie zum Beispiel Abgabeautomaten mit Online-Beratung, verhindert werden. Und dies von einem Gesundheitsminister Jens Spahn, der digitalisierte Angebote an anderer Stelle mit hohem Engagement fördert“, heißt es in dem Beitrag.
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Richard und Beckmann beschweren sich insbesondere darüber, dass „dem umstrittenen Arzneimittelabgabeautomaten der niederländischen Versandapotheke DocMorris die rechtliche Grundlage entzogen“ werden soll. Dass es nicht Spahn ist, der den DocMorris-Automaten verbieten will, sondern solche Versorgungsmodelle nach Feststellung der Gerichte schon jetzt rechtlich nicht zulässig sind, erwähnen die AOK-Mitarbeiterinnen nicht. Sie lassen auch komplett aus, dass Spahn die Arzneimittelabgabe über Automaten sogar in gewissem Umfang zulassen will: Unter bestimmten Umständen soll es laut Entwurf auch Versendern erlaubt werden, automatisierte Ausgabestationen zu betreiben. Trotzdem: Richard/Beckmann schwärmen förmlich von der DocMorris-Idee in Hüffenhardt. Der Automat „kam gut an“ bei den Bewohnern. Und: Über die Video-Beratung könne man sich mit der „Stammapotheke“ (!) in Heerlen verbinden lassen.
Aus Sicht von Richard/Beckmann ist es nicht sinnvoll, bestehende Strukturen zu „zementieren“. Und noch mehr: Das „Standardmodell der vollversorgenden Apotheke“ hat wohl ausgesorgt aus AOK-Sicht. Wörtlich heißt es:
Denn ausgehend aus den Bedarfen einer alternden Bevölkerung sowie der begrenzten Zahl an Fachkräften stellt sich die Frage, wie die Arzneimittelversorgung auch künftig regional in hoher Qualität sichergestellt werden kann. Wenn für eine vollversorgende Apotheke mit entsprechenden Dienstleistungen, Öffnungszeiten etc. kein Nachfolger als Apothekeninhaber zu finden ist, kann eine Rezeptsammelstelle nicht die einzige Alternative sein. Auch wenn der Versandhandel und Online-Beratungsangebote künftig an Bedeutung gewinnen, sollte es auch weiterhin persönliche pharmazeutische Angebote geben, die aber nur mit deutlicher struktureller Flexibilisierung der Anforderungen an eine Apotheke in der Fläche erhalten werden können. Dies ist mit dem Standardmodell einer vollversorgenden Apotheke auf Dauer nicht leistbar.“
Viele Unklarheiten bei den Dienstleistungen
Einen wunden Nerv des Apotheken-Stärkungsgesetzes treffen Richard/Beckmann allerdings: die pharmazeutischen Dienstleistungen. Denn in den Entwürfen ist bis jetzt nur ansatzweise beschrieben, für welche konkreten Leistungen die Apotheker in welcher Höhe vergütet werden sollen. Die Vergütung soll über einen Fonds laufen – ähnlich wie bei der Notdienstpauschale – und konkretes zu den Leistungen sollen Kassen und Apotheker in Verträgen vereinbaren. Die AOK-Lobbyistinnen gehen hart ins Gericht mit dieser Regelung: „Viele Fragen bleiben offen: Wohin fließt Geld und wofür wird es genutzt? Welche Vorteile bringt es für die Patientenversorgung? Ist eine bürokratiearme Umsetzung möglich? Haben Krankenkassen einen Anspruch auf eine versichertenbezogene Abrechnung? Der Gesetzentwurf schweigt sich diskret über Einzelheiten aus. Das verwundert nicht, schließlich sind die zugesagten 150 Millionen Euro nur ein willkürlich gesetzter Betrag. Spielgeld, mit dem sich der Gesetzgeber die Zustimmung der Apotheker erkaufen will, damit diese nicht mehr auf dem Versandhandelsverbot bestehen.“
Des Weiteren legen die Autorinnen ihren Lesern erneut das Honorar-Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) ans Herz, das die Politik aus ihrer Sicht „ignoriert“. Ohnehin besteht seitens der AOK wenig Verständnis für die Klagen der Apotheker hinsichtlich der flächendeckenden Versorgung und dem Einfluss des Versandhandels: Schließlich liege der Marktanteil der Versender im Rx-Bereich weiterhin bei etwa 1 Prozent. Und: 93 Prozent der Befragten haben in einer von der AOK beauftragten Umfrage angegeben, dass sie mit der Versorgung durch Apotheken zufrieden seien. Allerdings: Nach der Flächendeckung wurde in der Umfrage NICHT gefragt, dort ging es lediglich um die Zufriedenheit mit den jeweiligen Versorgungsanbietern.
Der AOK-Bundesverband stellt daher den folgenden Forderungskatalog auf:
- Bedarfsabhängige Flexibilisierung der Anforderungen an die Räumlichkeiten, die vorrätig zu haltenden Dienstleistungen sowie die Öffnungszeiten,
- Öffnung für mobile und digitale Beratungs- und Arzneimittelabgabestellen,
- die Prüfung des Mehrbesitzverbotes,
- die Zentralisierung der Rezepturherstellung. Denn: Diese müsse nicht in jeder Apotheke vorgehalten werden, denn wenn diese ohnehin mehrfach am Tag beliefert wird, kann dies genauso gut die Rezepturen umfassen.
Mit Blick auf die von der Bundesregierung anvisierte Apothekenreform kommen Richard/Beckmann zu dem folgenden Fazit:
Anstatt die Chancen der Digitalisierung und Flexibilisierung auch effektiv für eine Stärkung der Versorgungsstrukturen in der Fläche zu nutzen, sollen innovative Lösungen künftig verboten werden. Damit haben die Ängste der Apotheker vor der Innovationskraft des ausländischen Wettbewerbers gesiegt. Ob das Vorhaben europarechtlich Bestand haben wird, ist zweifelhaft. Es gefährdet aber zweifellos die regionale Versorgung.
7 Kommentare
AOK Arzneimittelautomat
von Peter Kaiser am 30.10.2019 um 15:15 Uhr
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An die AOK-Expertinnen:
von kmueller am 30.10.2019 um 14:28 Uhr
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Analyse und Konsequenzen
von Uwe Hansmann am 29.10.2019 um 12:24 Uhr
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von Dominik Müller am 28.10.2019 um 18:34 Uhr
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Hallo AOK - Glauben Sie das wirklich?
von Christoph Gulde am 28.10.2019 um 17:42 Uhr
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AW: Hallo AOK - Glauben Sie das wirklich
von Sven Larisch am 30.10.2019 um 7:59 Uhr
AOK Arzneimittelmarkt
von Stefan Meinhardt am 28.10.2019 um 16:09 Uhr
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