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Peter S.
Generalbundesanwalt will Revision des Bottroper Zyto-Apothekers zurückweisen
Das Strafverfahren gegen den Bottroper Pharmazeuten Peter S. wird nun in Karlsruhe weitergeführt: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof greift nach Informationen von DAZ.online die Revision des zu zwölf Jahren Haft verurteilten Apothekers als unbegründet an.
Die Verteidiger des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S. hatten vor dem Landgericht Essen auf Freispruch plädiert. Nach der Verurteilung zu zwölf Jahren Haft wegen Unterdosierung in mehr als 14.000 Fällen sowie wegen Abrechnungsbetrugs argumentierte die Verteidigung in ihrer Revisionsbegründung, der Prozess müsse schon aufgrund formaler Gründe komplett neu aufgerollt werden, da die Essener Richter willkürlich gehandelt und den Strafprozess zu schnell zu Ende gebracht hätten.
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Inzwischen wurde die Revision vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof geprüft – nach Informationen von DAZ.online beantragte dieser, die Revision von S. als unbegründet zurückzuweisen. Die Verteidigung hatte ihre Revision unter anderem damit begründet, dass die Auswechslung einer Schöffin wegen einer anstehenden Operation nicht ausreichend begründet worden sei. Dies sieht die Generalbundesanwaltschaft als nicht überzeugend an. Auch dass die Richter im Verfahren am Landgericht eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen gestellt hatten, lässt die Ermittlungsbehörde nicht als Revisionsgrund gelten. Die Verteidiger hätten konkret darlegen müssen, warum die Frist ihre Verteidigungsmöglichkeiten beschnitten hat.
Die Verteidigung hatte in ihrer Revision außerdem die erneute Vernehmung des forensischen Psychiaters Boris Schiffer beantragt, der als Sachverständiger zu einer neurologischen Vorerkrankung sowie der Schuldfähigkeit von Peter S. ausgesagt hatte. Der Generalbundesanwalt sieht die Rüge der Verteidiger als unbegründet an, die Richter beim Landgericht hätten Schiffer nicht erneut vernehmen müssen. Nach Ansicht der Generalbundesanwaltschaft sei nicht erkennbar, warum eine erneute Vernehmung einen weiteren Erkenntnisgewinn ermöglicht hätte.
Im September hatte die Staatsanwaltschaft Essen überraschend – offenbar nach Diskussionen mit der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm – ihre Revision zurückgezogen. Sie ging anders als die Richter beim Landgericht nicht von einem Schaden von 17 Millionen Euro, sondern von 56 Millionen Euro aus – und versuchte, die Einziehung eines entsprechenden Wertersatzbetrags zu erreichen. Die Prüfung der Revisionsbegründung „hat ergeben, dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg bietet“, erklärt ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft damals auf Nachfrage. Selbst wenn die Aussicht bestehe, dass das Revisionsgericht ein Urteil aufhebt, sei eine Revision nur durchzuführen, wenn mit ihr ein „endgültiger Erfolg“ erreicht werden könnte. „Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall“, sagte der Sprecher.
Mord oder nicht?
Nebenkläger wollen über ihre Revision sogar erreichen, dass S. wegen Mordes oder versuchten Mordes verurteilt wird. So Anwalt Juri Rogner, der eine Betroffene vertritt, deren sichergestelltes Krebsmittel einen Mindergehalt von 89,1 Prozent aufgewiesen hatte. Als Apotheker habe S. gewusst, dass die von ihm herzustellenden Zytostatika geeignet und erforderlich sind, die Lebensdauer eines jeden Patienten zu verlängern, argumentiert Rogner in seiner Revisionsbegründung. „Der Angeklagte handelte dabei mit bedingtem Tötungsvorsatz“, schreibt er.
Ähnlich sieht dies auch Nebenklagevertreter Khubaib Ali Mohammed. Er kritisiert, dass die Richter es unterlassen hätten, Tatsachen aufzuklären, die den Nachweis der Kausalität in Bezug auf die Verwirklichung von Tötungsdelikten ermöglicht hätten: Das Gericht hätte untersuchen müssen, ob die Patienten von S. im Mittel früher versterben als eine Vergleichsgruppe – ob also ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit besteht, dass ein früherer Tod auf die Abgabe von unterdosierten Krebsmitteln zurückzuführen ist.
Die Juristin Frauke Rostalski von der Uni Köln hatte zu dieser Frage ein Rechtsgutachten erstellt. Mittels der Therapieprotokolle wäre es den Richtern möglich gewesen, diesen statistischen Vergleich zu machen, sagte sie. „Die Kammer konnte nicht feststellen, dass ein konkreter Patient, dem eine unterdosierte Zubereitung verabreicht wurde, aufgrund der Unterdosierung verstarb oder sich aufgrund der Unterdosierung sein Leben verkürzte oder er in Lebensgefahr geriet“, heißt es nur knapp im Urteil. „Selbst wenn sich die Lebensverlängerung des Betroffenen lediglich auf wenige Tage oder gar nur Stunden bezieht, genügt das Vorenthalten dieser Lebenszeit durch einen anderen, um Tötungsunrecht zu begründen, sofern dieser eine entsprechende Garanten- bzw. Sonderverantwortlichkeit innehat“, argumentierte Rostalski.
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