Apotheker zum Engpass (Teil 2 von 2)

Propofol: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“

Stuttgart - 06.11.2019, 09:30 Uhr

„Ich fürchte den Tag, an dem ein Patientenschaden aufgrund von Versorgungsmängeln tatsächlich eintritt“, erklärt Professor Frank Dörje, Uniklinikapotheke Erlangen, angesichts des aktuellen Engpasses zu Propofol. Dieser Mangel ist nur einer unter vielen. (m / Foto: picture alliance / Lisa Ducret)

„Ich fürchte den Tag, an dem ein Patientenschaden aufgrund von Versorgungsmängeln tatsächlich eintritt“, erklärt Professor Frank Dörje, Uniklinikapotheke Erlangen, angesichts des aktuellen Engpasses zu Propofol. Dieser Mangel ist nur einer unter vielen. (m / Foto: picture alliance / Lisa Ducret)


Propofol ist knapp – die beiden großen Hersteller, B. Braun und Fresenius, räumen eine temporäre Verknappung ein, bewerten die Propofolversorgung jedoch nicht als dramatisch gefährdet. Wie sieht es bei den Apothekern aus? DAZ.online hat mit dem ADKA-Präsidenten Professor Frank Dörje und einer Apothekerin einer großen klinikversorgenden Apotheke in Süddeutschland gesprochen – ihr Tenor ist ein anderer als der der Hersteller. Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos. Und: „Wir haben uns in den letzten Jahren in der Verwaltung des Mangels geübt“

Was eint Lieferengpässe – außer dass Arzneimittel knapp sind oder fehlen? Es ist das Gebaren der Hersteller, das zumeist konträr zum tatsächlichen Empfinden der Apotheker und Ärzte steht. Während die Hersteller, die ihre Lieferfähigkeit – wenn auch kontingentiert – konstatieren und Wörter wie „Lieferabriss“, „Versorgungsengpass“ vermeiden, gibt es die Apotheker und Ärzte, denen die Arzneimittel für eine reibungslose und optimale Patientenversorgung schlichtweg fehlen. So auch beim aktuellen Engpass – oder besser gesagt bei einem der zahlreichen Engpässe – beim Narkosemittel Propofol: Medienberichten zufolge herrscht Mangel bei Propofol. DAZ.online hat bei den beiden großen Herstellern, B. Braun und Fresenius, nachgehakt und auch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nachgefragt, was es damit auf sich hat – denn ein Engpass ist bei der Lieferengpassliste des BfArM nicht gemeldet.


Wir werden beliefert, jedoch mit starken Kürzungen.“

Claudia von Sachs, Leiterin der Klinikversorgung der Johannes Apotheke, Gröbenzell


Fresenius spricht von „lediglich temporären Verzögerungen in der Auslieferung“ in der Vergangenheit, B. Braun äußert sich ähnlich: Man sei ausschließlich bei einzelnen Varianten des Portfolios beschränkt lieferfähig, es werde kontinuierlich produziert. Alles kein großes Problem, man könne auch auf andere Darreichungsformen und Stärken ausweichen – der Engpass betreffe vor allem Propofol 2 Prozent. Wie sehen das Apotheker?

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Wird Propofol wirklich knapp?

DAZ.online hat zum einen bei Professor Dr. Frank Dörje, Chefapotheker der Universitätsklinikapotheke in Erlangen und amtierender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Krankenhausapotheker (ADKA), nachgefragt. Zum anderen bei Claudia von Sachs, Leiterin der Klinikversorgung der Johannes Apotheke, in Gröbenzell. Beide bewerten die Propofol-Lage alles andere als entspannt.

Kontingentierte Lieferung

„Der Bezug von Propofol ist derzeit in der Tat ein großes Problem“, erklärt von Sachs. B. Braun – der Standardlieferant der süddeutschen krankenhausversorgenden Apotheke – liefere zwar Ware, jedoch nur kontingentiert auf einen halben Monatsbedarf. Man hoffe stets „gut über das Wochenende zu kommen.“ Fresenius als Ersatzlieferant gerate durch den Ausfall bei dem immensen Bedarf natürlich in Schieflage, so die Einschätzung der Apothekerin. Laut Claudia von Sachs nennt Aspen – neben B. Braun und Fresenius ein kleiner Propofol-Hersteller – als Liefertermin für die 50 ml Gebinde Propofol das nächste Jahr. Propofol 1 Prozent (20 ml) seien zwar noch verfügbar, allerdings über dem marktüblichen Preis. Und weiter: „Pharmore hat uns eine Zeit lang als Ersatzlieferant zuverlässig beliefert, nun ist hier jedoch auch aufgrund der allgemeinen Marktlage die Lieferung kontingentiert.“ Bei der Gelben Liste ist Propofol Claris (Pharmore) bereits „außer Vertrieb“ gemeldet.

„Wir haben uns in den letzten Jahren in der Verwaltung des Mangels geübt“

Gerüchten zufolge wird ein Hersteller seine Produktlinie an einen anderen Hersteller übergeben, und Baxter soll wohl das Werk in Indien gekauft haben, in dem Propofol von Pharmore hergestellt wird. Der Markteintritt von Baxter und Marktaustritt von Pharmore ist für das nächste Jahr fließend geplant.

„Man macht hier möglich, was geht“, erkennt die Apothekerin die Anstrengungen der Hersteller an. „Wir werden beliefert, jedoch mit starken Kürzungen.“


Ein Kontingent ist immer ein Mangel, und ein Engpass bedeutet immer, dass nicht alle Bedürfnisse befriedigt werden können.“

Professor Dr. Frank Dörje, Chefapotheker der Universitätsklinikapotheke in Erlangen und amtierender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Krankenhausapotheker (ADKA)


Für ihr Haus kann sie sagen: „Die Versorgung der analgosedierten Patienten auf den Intensivstationen ist aus meiner Sicht in unseren Häusern gesichert. Insgesamt jedoch eine mehr als unbefriedigende Situation.“ Die Apothkerin ergänzt: „Wie man so schön sagt: die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos und wir haben uns in den letzten Jahren in der Verwaltung des Mangels geübt. Entscheidend ist die Patientensicherheit, für die wir alles tun möchten. Fresenius und Braun melden keinen „Stock out“ ans BfArM (was ja auch der Situation entspricht, es wird ja kontingentiert geliefert), was zur Folge hat, dass nicht importiert werden kann.“


Ich fürchte den Tag, an dem ein „Patientenschaden aufgrund von Versorgungsmängeln tatsächlich eintritt.“

Professor Dr. Frank Dörje, Chefapotheker der Universitätsklinikapotheke in Erlangen und amtierender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Krankenhausapotheker (ADKA)


Patientenschaden durch Lieferabriss

Dörje spricht von einem „unglaublichen Systemversagen“, wenn man einmal überlege, wie viele „hochbezahlte akademische Kräfte“ sich mittlerweile tagtäglich mit dieser Thematik beschäftigen müssten. „Ich fürchte den Tag, an dem ein Patientenschaden aufgrund von Versorgungsmängeln tatsächlich eintritt.“

Auch die süddeutsche Apothekerin mag sich einen Totalausfall bei Propofol nicht vorstellen: „Ich sehe dem Tag mit Grauen entgegen, an dem Braun und Fresenius einen Lieferausfall haben und wir zehn Tage auf die Importware warten müssen – und ,wir' bedeutet in dem Fall dann ganz Deutschland.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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