Acht-Punkte-Katalog

Lieferengpässe: ABDA fordert Honorierung des Mehraufwands in Apotheken

Stuttgart - 26.11.2019, 17:55 Uhr

Apotheken müssen derzeit ihren Patienten viel erklären und ziemlich viel Aufwand betreiben, um sie  zu versorgen. Dafür fordert die ABDA jetzt eine Extra-Vergütung. (s / Foto: imago images / Westend61)

Apotheken müssen derzeit ihren Patienten viel erklären und ziemlich viel Aufwand betreiben, um sie  zu versorgen. Dafür fordert die ABDA jetzt eine Extra-Vergütung. (s / Foto: imago images / Westend61)


Viele Akteure im Gesundheitswesen haben sich mittlerweile zum Thema Lieferengpässe geäußert und auch Papiere mit möglichen Lösungsansätzen verfasst. So zum Beispiel die SPD- und die Unionsfraktion oder der Großhändler AEP. Nun hat auch die verfasste Apothekerschaft einen Plan vorgelegt. Wie die ABDA am heutigen Dienstag mitteilte, hat sich der Geschäftsführende Vorstand auf einen Acht-Punkte-Katalog zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln verständigt. Unter anderem wird darin eine Honorierung des Mehraufwands in Apotheken gefordert. 

Apotheker sind wohl die Gruppe im Gesundheitswesen, die am meisten unter der aktuellen Engpassproblematik zu leiden haben – mal abgesehen von Patienten, die teilweise gar nicht versorgt werden können. Tagtäglich betreiben sie unentgeltlich einen immensen Aufwand, damit die Patienten ihre Arzneimittel erhalten. Zudem bleibt am Apothekenpersonal die Kommunikation mit den Patienten zu dem Thema hängen. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich beim Apothekertag so mancher Antrag mit diesem Thema befasste. Ein Positionspapier oder Ähnliches von der ABDA-Spitze gab es allerdings bislang nicht. Andere Player hingegen haben entsprechende Papiere bereits vorgelegt, so etwa der Großhändler AEP, der ein vom Großhandel mit Daten gefüttertes Register vorschlägt, die forschenden Arzneimittelherstellern (vfa) sowie Union und SPD. Zudem sollen an das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) Änderungsanträge angehängt werden, die mit verschiedenen Regelungen die Vermeidung und das bessere Management von Defekten vorsehen.

Acht-Punkte-Katalog zur Bekämpfung von Lieferengpässen

Nun hat auch die ABDA geliefert. Laut einer Pressemitteilung vom heutigen Dienstag hat der Geschäftsführende Vorstand der ABDA sich heute auf einen Acht-Punkte-Katalog zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln verständigt. Dieser umfasst folgende Forderungen:

  • Lieferengpässe müssen vom pharmazeutischen Unternehmen und Großhandel verpflichtend bekanntgegeben werden.
  • Sämtliche Akteure müssen in ein zentrales Informationssystem eingebunden werden.
  • Mehrfachvergaben von Rabattverträgen mit mehreren Wirkstoffherstellern sind vorzuschreiben.
  • Die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln soll unter hohen Umweltschutz- und Sozialstandards wieder verstärkt in der EU stattfinden.
  • Für Patienten dürfen durch Lieferengpässe keine höheren Aufzahlungen wegen Festbeträgen und Zuzahlungen entstehen.
  • Apotheken brauchen definierte Spielräume beim Management von Lieferengpässen und Rechtssicherheit vor Retaxationen.
  • Der Mehraufwand in Apotheken muss honoriert werden.
  • Exporte von versorgungsrelevanten Arzneimitteln sollen bei Lieferengpässen beschränkt werden können.

Schmidt fordert Versorgungssicherheit

Konkreter wird die Standesvertretung allerdings nicht. Sie verweist lediglich auf eine aktuelle Berechnung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI), die die Brisanz des Themas zeigt. Demnach waren allein im 1. Halbjahr 2019 schon 7,2 Millionen Medikamente nicht verfügbar . Im Gesamtjahr 2018 seien es 9,3 Millionen Packungen gewesen; im Jahr 2017 nur 4,7 Millionen Medikamente.

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„Die Lieferengpässe in den Apotheken nehmen immer größere Ausmaße an“ 

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt dazu: „Die Lieferengpässe in den Apotheken nehmen immer größere Ausmaße an. Der zeitliche und organisatorische Mehraufwand für das pharmazeutische Personal, um Alternativmedikamente vom Großhandel zu beschaffen oder Rücksprache mit dem Arzt zu halten, ist nur eine Seite des Problems. Wenn Patienten mit ständig wechselnden Präparaten konfrontiert oder auf einen anderen Wirkstoff umgestellt werden müssen, führt das zu großer Verunsicherung und kann das Therapieergebnis verschlechtern.“ Schmidt weiter: „Wir fordern die Politik auf, die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen zügig so zu verändern, dass wir wieder Versorgungssicherheit bekommen. Nicht alles kann sofort passieren, aber es muss endlich ein Anfang gemacht werden.“

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Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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6 Kommentare

Doppeltes Honorar

von Reinhard Rokitta am 27.11.2019 um 11:33 Uhr

Die Freie Apothekerschaft fordert schon seit langem für die Dokumentation von BTM das doppelte Honorar, das hat sich leider nicht vollumfänglich durchsetzen lassen.
Bei der letzten Honorar"erhöhung" waren nicht enthalten: Securpharm, aufwendige=teure AM-Suche wegen Lieferengpässen, neuer Rahmenvertrag!
Schon allein dafür müsste das Honorar um 50% erhöht werden!
Die GKV und die Politik betreiben Salamitaktik: Immer mehr Leistungen ohne Bezahlung werden von den Apotheken erpresst!
Und 15 Jahre keine Anpassung an die Inflationsrate!!!
Da erzählt die GKV der Politik, wir bekämen zuviel Honorar!
Wir sollten das "Aufbäumen" der ABDA nicht überbewerten. Nach dem Kuschelkurs mit Spahn ist die Berufsvertretung leider unglaubwürdig...

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Lieferengpässe Arzneimittel

von Sylvia Trautmann am 27.11.2019 um 10:53 Uhr

Wenn ich meine Arbeitgeberpflichten korrekt ausführen würde bei der "arbeitsbereichbezogenen Gefährungsbeurteilung" für die Berufsgenossenschaft, käme ich zu Schluss, dass die psychischen Belastungen aller meiner Mitarbeiter in der Apotheke so hoch und unzumutbar sind wegen der Kundenkonflikte und dem ganzen Jammertal der Nichtlieferbarkeiten lebensnotwendiger Arzneimittel, dass ich die Türen meiner Apotheke schließen müsste. Unzumutbare, psychische Belastungen meiner Mitarbeiter sind nicht mit Geld zu bezahlen, sie gehen eher an die nackte Existenz nicht nur der einzelnen Apotheke, sondern des ganzen Systems. Dieser Absturz wird gefördert durch Fachkräftemangel und durch unfaire Wettbewerbsbedingungen mit ausländischen Versandapotheken.

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ABDA-Blendwerk

von Dirk Krüger am 27.11.2019 um 9:11 Uhr

Die Forderung nach einer Honorierung des Mehraufwandes ohne Nennung eines konkreten Betrages ist aktionistisches Blendwerk zur Ruhigstellung von uns Apothekerlein. Die ABDA täuscht darüber hinweg, dass sie ihre ureigene Aufgabe nicht erfüllt hat - die Forderung nach einer Anpassung unserer seit vielen Jahren unveränderten Grundvergütung - des Rx-Fixaufschlages .

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Ware ist wahrscheinlich genug da - fragt sich nur wo

von Dirk Krüger am 27.11.2019 um 9:03 Uhr

Ich bin der festen Überzeugung, dass die in den letzten Monaten exponentiell angestiegenen Lieferengpässe zu einem nicht unerheblichen Teil mit dem "drohenden" Brexit zusammenhängen.Der zeitliche Zusammenhang ist offensichtlich. Und natürlich spielt das Preisdumping durch das Rabattvertragssystem in Deutschland eine Rolle. Beide Faktoren zusammen ergeben die Situation. Die Briten kaufen vor der Errichtung der Zollschranken alles auf und zahlen dafür deutlich höhere Preise als die deutschen Krankenkassen. Angebot und Nachfrage bestimmen auf Herstellerebene den Preis wie bei allen anderen Waren auch.
Die anderen genannten Faktoren wie Zentralisierung der Produktion in Asien mit den daraus folgenden Problemen mit der Qualität und die Globalisierung des Arzneistoffhandels sind auch ursächlich für die Probleme. Diese gibt es aber schon länger und erklären nicht allein die aktuell sich verschärfende Situation.

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(G)eld(K)ann(V)erschwinden nimmt die Versicherten aus und liefert nicht ...

von Christian Timme am 27.11.2019 um 0:05 Uhr

Der Beitragseinnahmen-Automatismus der Krankenkassen scheint den Verantwortlichen mehr als zu Kopf gestiegen zu sein ... wer bereits selbst verschuldet die Gegenleistungen an die Versicherten verzögert und verweigert ... sollte aus diesem System entfernt werden. Das Verursacherprinzip empfiehlt sich zur Anwendung ... um diesen „Verschiebe-Bahnhof“ endgültig zu schließen.

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Endlich

von Hummelmann am 26.11.2019 um 19:54 Uhr

"Zeit is' wor'n" sagt der Franke.
Endlich ein Lebenszeichen von unseren Standesvertretern.
Jetzt nur nicht nachlassen!

Nach einem guten ersten gedanklichen Ansatz fehlen jetzt konkrete Vorschläge und ein enger Zeitplan.
Denn ab Mitte nächsten Jahres brauchen wir ja alle Kapazitäten zur Umsetzung der digitalen Ideen unseres schneidigen Gesundheitsministers. Für die Auflösung von Versorgungsengpässen haben wir da keine Zeit mehr, sofern die Qualität der Kundenbetreuung nicht leiden soll...

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