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BMG-Arzneimittel-Chef Thomas Müller
„Wir kaufen nicht jeden Schrott aus China!“
Die Arzneimittel-Lieferengpässe genießen im Bundesgesundheitsministerium (BMG) derzeit eine „hohe Priorität“. Das sagte Thomas Müller, Leiter der Arzneimittel-Abteilung im BMG, am gestrigen Donnerstag auf einer Veranstaltung des Branchenverbandes Pro Generika. Auf der Veranstaltung stand die These im Raum, dass in der Generika-Versorgung nur noch der Preis als Versorgungskriterium zähle. Müller, der selbst Apotheker ist, wies auf die „Regelungsdichte“ in Deutschland hin und warnte davor, den Patienten Angst zu machen.
Bei einer Podiumsdiskussion des Branchenverbandes Pro Generika diskutierten am gestrigen Donnerstagmittag mehrere Gäste aus dem Arzneimittelmarkt darüber, wie die Anzahl der Arzneimittel-Lieferengpässe verringert werden könnte. Im Zentrum der Diskussion stand unter anderem die Frage, wie die Produktionsstandorte der Hersteller wieder vermehrt nach Europa geholt werden könnten. Wolfgang Späth, Vorstandsvorsitzender bei Pro Generika und Vorstandsmitglied bei Hexal, beschrieb die Lage in der Generika-Versorgung aus Sicht der Hersteller. Er verdeutlichte, dass es für die Firmen derzeit weltweit große Probleme bei der Wirkstoffbeschaffung gebe. Die Wirkstoffbeschaffung sei ein „Volumengeschäft“ – „je mehr produziert wird, desto wirtschaftlicher ist es“, sagte Späth. Seine erste Schlussfolgerung daher: „Mehr und unterschiedliche Wirkstoffquellen würden etwas bringen.“
Forderungen, die Produktion von Generika wieder gänzlich nach Europa zurückzuholen, findet Späth unrealistisch. „Das kann man vergessen. Das bringt uns außerdem für die nächsten ein bis zwei Jahre in der Versorgung gar nichts“, so der Hexal-Vorstand. Späth zufolge müsste an einer anderen Stelle eine Systemänderung vorgenommen werden: „Der Preis ist inzwischen das einzige Kriterium im Markt, es gibt kein anderes. Wir sollten also daran arbeiten, andere Vergabekriterien in den Markt zu bringen.“ Dass die Produktion in China und Indien pauschal „qualitativ schlecht“ ist, findet der Hexal-Vorstand aber nicht. Ganz im Gegenteil: „Da stehen einige der besten und modernsten Werke der Welt“, so Späth.
Thomas Müller, im BMG zuständig für alle Arzneimittelthemen, sieht die Lage zumindest teilweise anders als Späth. Er wies auf die umfangreichen Regularien hin, die Hersteller erfüllen müssen, um ihre Produkte hierzulande anbieten zu können. Dass der Preis das einzige Marktkriterium sei, findet er nicht. Müller sagte in Richtung Späth: „Wir kaufen nicht jeden Schrott aus China. Die Qualitätsprüfungen, die Hersteller hier in Deutschland erfüllen müssen, sind extrem hoch.“ Des Weiteren gebe es auch Vergabekriterien, die Zulassungsvoraussetzungen und weitere „Qualitätsstandards“. Müller weiter: „Wir müssen aufpassen, dass wir die Kunden nicht zu sehr dabei bestätigen, wenn sie denken, dass sie ein schlechtes Produkt bekommen.“
Müller: keine strikten Vorgaben zu Produktionsstandorten
Zu den konkreten Vorhaben der Großen Koalition in Sachen Reduzierung der Lieferengpässe wollte sich Müller nicht äußern. Derzeit stehe das BMG in Gesprächen mit den Abgeordneten aus den Regierungsfraktionen. „Da ist noch viel im Fluss, das ist jetzt Politik“, sagte Müller. Müller wies auch darauf hin, dass die bislang bekannt gewordenen Änderungsvorschläge der Großen Koalition noch nicht finalisiert seien. „Was in der Presse derzeit steht, ist nicht der letzte Stand“, so Müller. DAZ.online hatte zuletzt mehrfach exklusiv über Änderungsanträge zum Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz berichtet. Unter anderem wollen Union und SPD den 2016 etablierten und mittlerweile bewährten „Jour Fixe“ zu Lieferengpässen als neuen Beirat beim Bundesinstiut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rechtlich verankern und der Arzneimittelbehörde mehr Reaktionsmöglichkeiten einräumen, wenn Engpässe entstehen. Außerdem sollen Apotheker nach 24 Stunden Nicht-Lieferbarkeit eines Rabattarzneimittels auch andere nicht-rabattierte Arzneimittel abgeben dürfen.
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Was die Produktionsstandorte betrifft, warnte Müller davor, zu strenge Vorgaben zu machen. Er wies darauf hin, dass Deutschland ein „Exportland“ sei und dass es einem „internationalisierten Industriezweig“ wie der Pharmaindustrie nicht gerecht werde, wenn man strikte geografische Vorgaben zu Produktionsstandorten gebe. Allerdings sehe er die Lage bei „versorgungskritischen Wirkstoffen“ etwas anders. Müller nannte hier Antibiotika oder Propofol als Beispiele, die „das Rückgrat der klinischen Versorgung“ ausmachen. Hier müsse man durchaus darüber nachdenken, den Produktionsstandort als Vergabekriterium zu berücksichtigen, so Müller.
Kemmritz: Apotheker sind Blitzableiter
Die Apotheker wurden bei der Pro Generika-Diskussion von Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Berliner Apothekerkammer, vertreten. Kemmritz erklärte, dass die Apotheker schon seit Jahren „Blitzableiter“ in Sachen Lieferengpässe seien, weil sie den Unmut der Patienten „ausputzen“ und nach Versorgungsalternativen suchen müssten. Während der Debatte kam der Vorschlag auf, anstelle neuer Vergabekriterien in Rabattverträgen, den §129 des SGB V (Rahmenvertrag) so zu ändern, dass die Apotheker neue Substitutionsregeln bekommen, um so auf (drohende) Engpässe zu reagieren. Kemmritz sagte, dass „die Apotheker sich das gut vorstellen können“. Derzeit sei dies aber leider wegen der Retax-Drohungen der Krankenkassen nur beschränkt möglich. Allerdings hätten die Neuregelungen zum Preisanker im neuen Rahmenvertrag schon vieles verbessert, so Kemmritz.
3 Kommentare
„Wir kaufen nicht jeden Schrott aus China!“
von gerd reitler am 29.11.2019 um 21:09 Uhr
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Doch!
von Carsten am 29.11.2019 um 11:18 Uhr
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Leider typisches Bürokratengeschwätz
von ratatosk am 29.11.2019 um 9:26 Uhr
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