Verband schreibt an Avexis/Novartis

GKV-Spitzenverband wirft Zolgensma-Hersteller „unverantwortliche Inaktivität“ vor

Berlin - 03.12.2019, 07:00 Uhr

Der GKV-Spitzenverband fordert von Norvatis ein unverzögliches nationales Härtefallprogramm für Zolgensma. (c / Foto: dpa)

Der GKV-Spitzenverband fordert von Norvatis ein unverzögliches nationales Härtefallprogramm für Zolgensma. (c / Foto: dpa)


Der Schlagabtausch um das 2-Millionen-Dollar-Arzneimittel Zolgensma geht in die nächste Runde. Nachdem Hersteller Novartis erklärt hat, an einem internationalen Härtefallprogramm zu arbeiten, macht der GKV-Spitzenverband Druck: Ein solcher Weg führe nur zu weiterem Zeitverzug, nötig sei ein unverzügliches Compassionate-Use-Programm in Deutschland.

Das Gentherapeutikum Zolgensma® (Onasemnogene Abeparvovec-xioi) ist auf eine sehr kleine Patientengruppe zugeschnitten: Kinder bis zu einem Alter von zwei Jahren, die an der genetisch bedingten spinalen muskulären Atrophie (SMA) leiden. In den USA ist das Arzneimittel seit Mai 2019 zugelassen. Es muss nur einmal angewendet werden und kostet in den USA rund zwei Millionen Dollar. In Europa ist Zolgensma® noch nicht zugelassen. Doch die Eltern mit kleinen, an SMA erkrankten Kindern täten viel dafür, schon jetzt in den Genuss dieser Behandlung zu kommen. Zwar gibt es mit Spinraza® auch hierzulande eine zugelassene Therapie gegen die Erkrankung – aber dieses Arzneimittel ist regelmäßig anzuwenden. Einige Familien haben die Medien genutzt, um ihr Anliegen in die Öffentlichkeit zu bringen. Das setzt die Krankenkassen unter Druck. In zwei Fällen haben sich Kassen bereits zur Kostenübernahme bereit erklärt.

Kürzlich schrieben verschiedene Kassenverbände, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und der Verband der Universitätsklinika Deutschlands an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und schilderten die Situation aus ihrer Sicht. Sie sprachen unter anderem von einer „beispiellosen Medienkampagne“ und wollten Spahn dazu bewegen, sich bei Novartis für ein Härtefallprogramm einzusetzen. 

Tatsächlich schrieb kurze Zeit später Thomas Steffen, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, in diesem Sinne an Novartis. Novartis, das sich Zolgensma® übrigens nicht durch eigene Forschung, sondern durch einen Zukauf des US-Unternehmen Avexis gesichert hat, verwies jedoch darauf, dass es derzeit Anfragen aus aller Welt bekomme. Nicht nur in Deutschland wartet noch auf die Zulassung – auch andernorts wünscht man schon jetzt einen Zugang zu dem neuartigen Arzneimittel. Daher will Novartis ein internationales Härtefallprogramm auflegen – das brauche aber eine gewisse Vorbereitungszeit, so das Unternehmen.

Antje Haas: Novartis nimmt Druck „billigend in Kauf“ und profitiert zugleich

Nun hat Antje Haas, Abteilungsleiterin Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband, wieder an Avexis/Novartis geschrieben. Darin nimmt sie zunächst „zur Kenntnis“, dass Novartis versichere, die aktuellen Medienberichte zu Zolgensma® weder initiiert noch befördert zu haben. „Gleichwohl erlauben wir uns festzustellen, dass Avexis/Novartis weiterhin keine wirkungsvolle öffentliche Stellungnahme zu der aus ihrer Sicht ‚undifferenzierten medialen Debatte‘ abgegeben hat.“ Damit nehme das Unternehmen den „immensen Druck“ auf Patienten und ihre Familien sowie auf Ärzte billigend in Kauf und profitiere zugleich vom vorzeitigen Marktzugang.

Nicht die EMA ist schuld

Haas zufolge liegt es auch nicht an der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), dass die europäische Zulassung der US-amerikanischen hinterherhinkt. Es sei das Unternehmen gewesen, das der Behörde Antworten schuldig geblieben sei. Deshalb habe das beschleunigte Bewertungsverfahren nicht erfolgreich abgeschlossen werden können, so Haas. Und so sieht sie eindeutig Novartis in der Pflicht: Dem Unternehmen stünden „zweifellos Mittel und Wege zur Verfügung, durch unverzügliche Anzeige eines Compassionate-Use-Programmes in Deutschland, die einhellig identifizierten Versorgungsfragen mit Zolgensma® zu lösen“. Die Abstimmung auf internationaler Ebene, schreibt Haas weiter, schaffe jedoch keine Lösung, sondern bewirke genau das Gegenteil. Sie führe zu weiterem Zeitverzug und könne angesichts des akuten Handlungsbedarfs nur als „unverantwortliche Inaktivität“ angesehen werden. 

Abschließend verweist Haas auf die Arzneimittel-Härtefall-Verordnung und fordert Novartis nochmals auf, den Zeitraum bis zur EMA-Zulassung durch die „unverzügliche Veranlassung eines „Compassionate-Use-Programms“ zu überbrücken.

Wann die Zulassung in Europa tatsächlich erfolgen wird, ist nach wie vor unklar. Novartis rechnet „im ersten Halbjahr 2020“ mit ihr. Klar ist: Je länger die Vorbereitung des Härtefallprogramms dauert, desto kürzer wird es am Ende laufen. Novartis hatte allerdings auch erklärt, weiterhin Gespräche mit Kassenvertretern führen zu wollen, „um eine gemeinsame Lösung für Deutschland zu finden“.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Wilde Phantasie

von Karl Friedrich Müller am 03.12.2019 um 7:32 Uhr

Ich stelle mir vor, ein Kunde käme mit so einem Millionen Rezept in die Apotheke. Rohgewinn 60.000€ plus 8,50€
Klingt nach viel. Das würde sicher „gedeckelt“. Also, es blieben nur die 8,50€ übrig abzüglich 1,77 € Kassenrabatt.
Dann wird noch ein Retaxgrund erfunden... und man geht in die Privatinsolvenz....
Keiner könnte es sich leisten, so ein Rezept zu beliefern.,,,
Im Übrigen könnte das auch nicht vorfinanziert werden

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