EU-Analyse

Finnland ist Europameister beim E-Rezept

Berlin - 04.12.2019, 10:15 Uhr

Eine Analyse der EU-Kommission zeigt: Insbesondere in Nord- und Südeuropa ist das E-Rezept schon weit verbreitet. Und: In den Ländern mit E-Rezept wird fast überall eine zentral gesteuerte Handy-App verwendet, wie sie vom Deutschen Apothekerverband favorisiert wird. (s / Foto/Screenshot: DAZ.online/EU-Kommission)

Eine Analyse der EU-Kommission zeigt: Insbesondere in Nord- und Südeuropa ist das E-Rezept schon weit verbreitet. Und: In den Ländern mit E-Rezept wird fast überall eine zentral gesteuerte Handy-App verwendet, wie sie vom Deutschen Apothekerverband favorisiert wird. (s / Foto/Screenshot: DAZ.online/EU-Kommission)


Während das E-Rezept in Deutschland derzeit noch in der Entwicklungsphase hängt, kennen andere europäische Länder gar keine Papierrezepte mehr. Eine Analyse der Europäischen Kommission zum Zustand der Gesundheitsversorgung in der EU zeigt: Insbesondere in Nord- und Südeuropa sind digitale Verordnungen bereits gelebte Realität. Spitzenreiter ist Finnland. Hier werden inzwischen alle Arzneimittelverordnungen digital abgewickelt. Auffällig ist, dass es in vielen Ländern eine zentral gesteuerte Handy-App zur Übermittlung der Verordnungen gibt.

Die EU hat kürzlich ihre europaweite Gesundheitsstudie „Health at a Glance“ vorgestellt, in der einerseits der Zustand der Gesundheitsversorgung länderübergreifend analysiert wird und andererseits die Besonderheiten der Gesundheitssysteme der einzelnen EU-Mitgliedstaaten untersucht werden. Ein großer Teil der länderübergreifenden Studie beschäftigt sich mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens – es geht um digitale Arztkontakte, E-Patientenakten und auch um digitale Arzneimittelverordnungen.

Um festzustellen, wie hoch der Anteil der digitalen Verordnungen in den einzelnen Ländern ist, hat die EU Daten vom Europäischen Apothekerverband (PGEU) bezogen. Die daraus entstandene Europakarte zeigt eindrücklich, dass das E-Rezept insbesondere in den skandinavischen, aber auch in den meisten südeuropäischen Ländern schon weit verbreitet ist. Die EU hat für ihre Analyse drei Kategorien aufgestellt: In der ersten Kategorie werden Länder gesammelt, die 0 Prozent ihrer Rezepte digital abwickeln. In der zweiten Gruppe werden zwischen 1 und 50 Prozent aller Rezepte digital ausgestellt und schließlich gibt es in Gruppe drei auch Länder, die zwischen 51 und 100 Prozent digital verordnen.

Spitzenreiter ist hier Finnland: 100 Prozent der Verordnungen sind digital. Aber auch Estland ist mit 99 Prozent fast komplett digitalisiert, was die Arzneimittel-Verordnungen betrifft. Auch Schweden kommt mit 98 Prozent nah an die beiden Länder heran. Und auch in den anderen skandinavischen Ländern (Dänemark 97 Prozent, Norwegen 88 Prozent) wird der Großteil der Arzneimittel schon digital verschrieben. Insbesondere Estland und Finnland sind für ihren hohen Digitalisierungsgrad bekannt. Erst kürzlich hatte der neue Gematik-Chef Markus Leyck-Dieken das estnische System auf einer E-Rezept-Fachkonferenz des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) als vorbildhaft dargestellt. Laut Leyck-Dieken können die Esten ihre E-Rezepte sogar schon länderübergreifend einlösen, beispielsweise in Portugal.

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In Schweden gibt es zudem eine Entwicklung, an der in Deutschland derzeit intensiv gebastelt wird: Mit der sogenannten FASS-App können Patienten über eine Landkarte die nächstgelegene Apotheke auf dem Handy suchen, Vorbestellungen aufgeben, E-Rezepte einsenden und sogar Lagerbestände einsehen. In Schweden gibt es seit einigen Jahren Apothekenketten – die App funktioniert aber kettenunabhängig und liefert Informationen zu allen Apotheken.

Viele Länder nutzen eine zentrale Handy-App

Einen hohen Digitalisierungsgrad (90 Prozent) gibt es auch in Großbritannien. Ähnlich häufig wird das E-Rezept beispielsweise auch in Slowenien (90 Prozent), Tschechien (85 Prozent), Ungarn (75 Prozent), Kroatien (80 Prozent) und Serbien (80 Prozent) angewendet. In Tschechien wird ein Handy-App-Modell praktiziert, das der Deutsche Apothekerverband (DAV) auch hierzulande anstrebt: Es gibt eine einzige App zur Übermittlung des E-Rezeptes und zur Apothekensuche, die von der Nationalen Apothekerkammer des Landes entworfen wurde und betrieben wird. Die App enthält auch einen E-Medikationsplan.

Auffällig häufig wird das E-Rezept auch schon im Süden Europas verwendet. In Portugal sind fast alle (96 Prozent) Rezepte digital, Spanien liegt bei 92 Prozent, Italien bei 85 Prozent. In Spanien und Italien ist die Digitalisierungsrate allerdings regional noch schwankend: Da die Gesundheitsversorgung in beiden Ländern weitgehend regional gesteuert wird, gelten von Region zu Region teils unterschiedliche Versorgungsmodelle.

Portugal: Umstellung von Papier auf digital innerhalb von sechs Monaten

Portugal war einer der Vorreiter des E-Rezeptes in Europa: Schon 2013 stellten die Portugiesen erste Pilotprojekte vor, 2015 wurde das Verordnungssystem innerhalb von sechs Monaten komplett digitalisiert. Bis Ende 2015 konnten Patienten noch Papierrezepte verlangen, seit Anfang 2016 gibt es fast nur noch digitale Verordnungen. Auch in Portugal gibt es eine einzige Handy-App für die gesamte Arzneimittelversorgung. Sowohl Android- als auch Apple-Nutzer können über die App „Farmacias Portuguesas (Portugals Apotheken)“ Arzneimittel in Datenbanken suchen, sie bestellen beziehungsweise E-Rezepte einsenden und Apotheken in der Nähe finden.

Gemeinsam mit Bulgarien, Zypern, Frankreich, Irland, Luxemburg, Malta und Polen gehört Deutschland zu den Ländern, in denen es noch gar kein E-Rezept gibt. Allerdings: Die Daten der EU sind von 2018. Im vergangenen Jahr lag die E-Rezept-Rate hierzulande in der Tat noch bei null. Inzwischen dürfte sie aber ganz gering gestiegen sein, denn die ersten Pilotprojekte zur Anwendung digitaler Verordnungen haben bereits begonnen. Laut der EU-Analyse haben alle Länder inzwischen bekanntgegeben, dass sie ihr Verordnungssystem digitalisieren wollen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Hauptsache...

von Michael Weigand am 04.12.2019 um 10:47 Uhr

....wir entwickeln ein eigenes Konzept:

1. damit Entwickler abkassieren können
2. docmorris nicht zu kurz kommt
3. Makeln irgendwie durch die Hintertür möglich wird.

Die Politik könnte ja mal mit der ABDA (docmorris hat da gar nichts zu mleden, oder sind die für das BMG irgendwie systemrelevant) ja eine skandinavische Variante durchdiskurtieren und dann eventuell im Sinne der Verbraucher/Vor-Ort-Apotheken noch modifizieren....und nein nicht erst eine ausländische, von Saudi Arabien-steuerschonend über Cyman Islands finanziertes Heuschreckenunternehmen fragen...

Warum wir ein eigenes Modell entwickeln? Ganz eindeutig: Damit uns die Konzerne das Wasser abgraben können und damit möglichst viele bei den letzten Vor-OrtApotheken abkassieren können. Unter dem Motto...haste die App nicht, haste keine Barmer Patienten...brauchst aber für die AOK aber die App usw....pro App, wenn billig ist, so 50 Euro Wartungskosten...sind wir dann schnell bei ein paar hundert Euro pro Jahr....

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