CAR-T-Zell-Therapie

Novartis zieht Patent von Kymriah zurück

Stuttgart - 19.12.2019, 12:44 Uhr

Novartis hat Medienberichten zufolge das Patent für Kymriah zurückgezogen. Tisagenlecleucel wird als CAR-T-Zell-Therapie bei bestimmten Formen der Leukämie und von Lymphomen eingesetzt. ( r / Foto: picture alliance / AP Photo)

Novartis hat Medienberichten zufolge das Patent für Kymriah zurückgezogen. Tisagenlecleucel wird als CAR-T-Zell-Therapie bei bestimmten Formen der Leukämie und von Lymphomen eingesetzt. ( r / Foto: picture alliance / AP Photo)


Zwei NGOs haben sich gegen das Patent von Kymriah gewehrt – es sei kein Arzneimittel, sondern eine medizinische Dienstleistung. Tisagenlecleucel wird als CAR-T-Zell-Therapeutikum bei bestimmten B-Zell-Leukämien und -Lymphomen eingesetzt, die Therapiekosten belaufen sich auf etwa 320.000 Euro. Novartis zieht das Patent für Kymriah nun zurück. 

2018 kamen die ersten CAR-T-Zell-Präparate auf den Markt: Tisagenlecleucel in Kymriah® von Novartis und Axicabtagen Ciloleucel in Yescarta® von Gilead – beide erhielten am 23. August 2018 die EU-Zulassung. Eingesetzt werden diese Wirkstoffe bei bestimmten Formen von Leukämie und Lymphomen und bislang nur, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben.

Kymriah®

Kymriah® ist zugelassen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis 25 Jahren mit refraktärer (therapieresistenter) oder rezidivierender, also wiederkehrender (nach Transplantation oder zweitem bzw. späterem Rezidiv) akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (ALL). Außerdem hat Kymriah® die Zulassung für Erwachsene mit refraktärem oder rezidiviertem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr Linien einer systemischen Therapie.

Yesacarta®

Yesacarta® ist zugelassen zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr systemischen Therapien.

Eine CAR-T-Zeltherapie wird in einem aufwendigen, individualisierten Herstellungsprozess für jeden einzelnen Patienten aus seinen körpereigenen T-Zellen produziert. Die Behandlung erfolgt nur ein einziges Mal. Kymriah® (Tisagenlecleucel) kostet laut Lauer-Taxe im EK 275.000 Euro, Yescarta® liegt bei 282.000 Euro.

Kymriah kein Arzneimittel, sondern medizinische Dienstleistung

Zwei Nichtregierungsorganisationen (NGO), „Public Eye“ und „Médecins du Monde“, hatten beim Europäischen Patentamt (EPA) jedoch Einspruch gegen das Kymriah®-Patent eingereicht, um gegen die Monopolstellung des Pharmariesen und die überzogenen Preise vorzugehen, so der regionale Fernsehsender Telebasel. Laut dem Baseler Medium hatte Public Eye seinen Einspruch damit begründet, dass Kymriah® kein Medikament sei, sondern eine medizinische Dienstleistung.

Patent wird an Novartis nur lizenziert

So sei auch die CAR-T-Zellbehandlung nicht von Novartis neu erfunden worden, sondern baue auf Vorentwicklungen und Mitfinanzierung durch öffentliche Institutionen auf. Jedoch werde durch die Patentvergabe das Verfahren privatisiert. Denn offiziell gehört laut Telebasel das Patent der Universität Pennsylvania, die lizensiert dieses jedoch exklusiv an Novartis.

In einer Stellungnahme betonen Novartis und die Uni von Pennsylvania, dass sie „an die Bedeutung der Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums für bahnbrechende Innovationen wie Kymriah®“ glauben. Das beanstandete Patent sei aber nicht zentral für die weitere Entwicklung und das Marketing von Kymriah®. Sie hätten es deshalb zurückgezogen – Kymriah® wird Novartis zufolge von mehreren Patenten abgedeckt.

Die NGO Public Eye sieht sich durch den Patentrückzug bestätigt, dass dieses „missbräuchlichen Charakter“ hat, zitiert Telebasel. Die grundsätzliche Frage bleibt, inwiefern solche Therapien patentierbar sind – oder eben nur die Herstellungsverfahren. Denn auch Kliniken können CAR-T-Zellen herstellen, und das wohl günstiger als Novartis.

Sind universelle Zelltherapien die Zukunft?

Michael Nawrath, Wirtschaftsanalyst der Zürcher Kantonalbank, glaubt nicht, dass sich der Widerruf des Kymriah-Patents auf das Geschäft auswirkt. Zudem hegt er Telebasel zufolge Zweifel, „dass sich die Zelltherapie zu dem von Pharmakonzernen ursprünglich erhofften Milliardengeschäft entwickelt“. Als Grund nennt er, dass CAR-T-Zelltherapien bislang keine First-Line-Behandlungen sind, sondern eher als Ultima Ratio und nur bei bestimmten Leukämien und Lymphomen zum Einsatz kommen.

Eine Revitalisierung der Zelltherapie sieht der Analyst, wenn es zu einem Durchbruch bei universell einsetzbaren Zellen sowie deren Anwendung auf Organtumore kommt. In diesen Fällen würden gesunden Menschen Zellen entnommen und diese auf Tumorzellen „abgerichtet“ werden. Novartis habe bereits zwischen den Zeilen durchblicken lassen, dass man mit Blick auf dieses Geschäft an der Zelltherapie festhalte, so Telebasel.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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