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Gut ins neue Jahr gekommen? Gute Vorsätze gefasst? Ich hoffe, liebe Tagebuch-Leserinnen und -Leser, sie sind gut gestartet, trotz Bon-Pflicht. Und Sie bringen eine gute Portion Optimismus mit fürs neue Jahrzehnt. Optimismus werden wir brauchen! Es wird uns sicher auch weiterhin nicht einfach gemacht werden. Aber trotz so mancher Widrigkeiten und Probleme: Wir sollten auf die Chancen schauen, die es durchaus gibt. Wir wär’s damit: Machen wir die 20er Jahre zum Jahrzehnt der Apotheke!
30. Dezember 2019
Sie kommt, die schöne neue Telematik-Infrastruktur, mit der es Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern und Krankenkassen möglich sein soll, z. B. Patienten- und Abrechnungsdaten auf sicheren Internetwegen auszutauschen. Doch wie zu erwarten und von Experten vorhergesagt, gibt es auch auf den vermeintlich sicheren Wegen große Sicherheitslücken. Zum Jahresausklang holt uns da eine Meldung auf den Boden der Realität: Der Chaos Computer Club konnte solche Sicherheitslücken im Bestellprozess der Arzt- und Praxisausweise entdecken. Diese Lücken führten bereits dazu, dass Heilberufs- und Praxisausweise für Ärzte über Dritte bestellt werden konnten und an Wunschadressen geliefert wurden, wie Spiegel und NDR berichteten. Man kann sich also nicht sicher sein, ob diese Ausweise bei einem Arzt oder bei einem Unbefugten gelandet sind. Mein liebes Tagebuch, ist schon ein starkes Stück, so musste es kommen. Da der Ausweis bekanntlich der Schlüssel ist, mit denen man sich in die Telematik-Infrastruktur einloggen kann, wirft das kein gutes Licht auf die Sicherheitsvorkehrungen. Noch werden keine Behandlungsdaten von Patienten über die Telematik-Infrastruktur gespeichert. Dennoch, es stimmt nachdenklich: Wenn es schon solche Probleme beim Bestellverfahren für die Heilberufsausweise gibt, wie wird es da wohl um die Sicherheit der Patientendaten bestellt sein? Ja, mein liebes Tagebuch, zum Glück läuft die Ausgabe der Heilberufsausweise für Apotheker erst an. Man kann aus dem missglückten Bestellprozess für die Ärzteausweise lernen, was offenbar bereits gemacht wird. So ist die Bestellung des Apothekerausweises beispielsweise bei der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern erst möglich, wenn von der Behörde bestätigt ist, dass der Besteller überhaupt eine Approbation erhalten hat. Auch von der LAK Baden-Württemberg ist zu vernehmen, dass sie einen Abgleich mit den vorhandenen Mitgliedsdaten vornimmt und die Bestellung erst dann zum qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter (qVDA) weiterleitet. Dennoch, mein liebes Tagebuch, vielleicht war es gut, dass gleich zu Beginn so eine Sicherheitslücke entdeckt wurde. Wie zu hören ist, wird die Gematik, die u. a. für die Telematik-Infrastruktur zuständig ist, auf den Chaos Computer Club zugehen, um die Sicherheit zu optimieren.
31. Dezember 2019
So, jetzt ist’s endgültig vorbei, das alte Jahr. Die Jahresrückblicke haben uns nochmal in Erinnerung gerufen, welche Probleme wir zu lösen hatten, welche Kämpfe wir durchstehen mussten, welche Kämpfe wir verloren haben. Zu den Top-Apothekenthemen von 2019 gehört mit Sicherheit der verlorene Kampf um das Rx-Versandverbot und das Apotheken-Stärkungsgesetz, das uns wohl die meisten Nerven gekostet hat. Es ist noch lange nicht verabschiedet und wenn es denn kommt, könnten seine Folgen möglicherweise sogar einen Umsturz unseres Apothekensystems provozieren. Nämlich dann, wenn die mit diesem Gesetz geplante Teil-Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel an der EU scheitert oder durch kommende gerichtliche Verfahren ausgehebelt wird.
Was wir erreicht haben, ist eine Novellierung der Apothekenbetriebsordnung, die im Zuge des Apotheken-Stärkungsgesetzes zustande kam. Reformiert wurden der Botendienst, bei dem nun auch eine telepharmazeutische Beratung möglich ist, und die vorgeschriebenen Temperaturkontrollen von Arzneimitteln auf dem Versandweg. Ein weiteres großes politisches Thema für Apotheken war und ist das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Mit ihm reagierte Bundesgesundheitsminister Spahn auf die Arzneimittel-Skandale des vergangenen Sommers (z. B. das in China hergestellte verunreinigte Valsartan). Das GSAV brachte uns aber auch weitere Neuregelungen, z. B. verbindliche Fristen, bis zu denen das E-Rezept eingeführt sein muss – mein liebes Tagebuch, ob das klappt, steht dennoch in den Sternen. Ja, und dann hat das GSAV unsere ungeliebte Importförderklausel leider nur modifiziert und nicht wie erhofft abgeschafft. Die Saarland-Connection aus Politik und Importfirma schaffte es letztlich, die Importregelungen beizubehalten.
Mein liebes Tagebuch, wenn wir an 2019 zurückdenken, werden wir auch an unseren neuen Rahmenvertrag denken, der uns mit dem Instrument des Preisankers in Zusammenhang mit den Lieferengpässen in der Rabattvertragswelt bisweilen an den Rand des Wahnsinns führte. Und ja, die Lieferengpässe – noch wartet dieses Problem auf eine Lösung. Wir werden sehen.
Mein liebes Tagebuch, bei all diesen und weiteren Neuerungen geht fast unter, dass uns 2019 auch ein paar kleine Verbesserungen brachte, z. B. werden wir Wiederholungsrezepte beliefern dürfen, wenn sie die Ärzte denn ausstellen. Oder wir werden demnächst Grippeschutzimpfungen durchführen können, falls Modellprojekte auf die Beine gestellt werden. Und nicht zuletzt wird es ab 2020 ein paar Euro mehr für den Nachtdienst und für die BtM-Doku geben.
2. Januar 2020
Das neue Jahr beginnt mit dem Thema, mit dem das alte Jahr aufhörte: die Bon-Pflicht. Unser Finanzminister sieht in ihr eine Lösung, Steuerbetrug einzudämmen. Und jeder, der in der Praxis des Einzelhandels steht, also auch wir Apothekers, wissen, dass das erzwungene Ausdrucken von Bons eigentlich sinnlos ist und nur eine unsägliche Vergeudung von Papier bedeutet und die Bürokratie in die Höhe treibt. Die Apothekerkammer Berlin macht darüber hinaus auf das Problem aufmerksam, dass solche Bons von Kassensystemen mitunter auch personalisiert erstellt werden, d.h., sie tragen den Namen von Patienten – und hier kommt der Datenschutz ins Spiel: Da der Kunde seinen Bon nicht mitnehmen muss, ist dieser personalisierte Bon datenschutzkonform zu vernichten, sprich, er muss in den Schredder gesteckt werden. Tja, mein liebes Tagebuch, so kommt eins zum andern. Daher ist es zu überlegen, meint die Kammer Berlin, keine Patientennamen mehr auf den Bon zu drucken, oder dem Kunden anzubieten, den Kassenbeleg elektronisch zu übermitteln. Auch die Namen der bedienenden Person sollte man nicht auf die Bons drucken, rät die Kammer.
Mein liebes Tagebuch, eine pragmatische Lösung zu diesem Thema ist mir an den Kassen eines französischen Bio-Supermarkts aufgefallen. Dort sind große Schilder angebracht, die den Kunden auf drei Wahlmöglichkeiten aufmerksam machen: a) er erhält auf Wunsch seinen Bon-Ausdruck. b) er kann sich die Bon-Quittung elektronisch an seine Adresse zusenden lassen und c) er kann auf den Ausdruck zugunsten der Umwelt verzichten. Voilà! Ich habe der Kassiererin auf ihre Frage, ob ich den Bon wolle, gesagt: "Non, merci. Et bonne année!" Und sie lächelte.
3. Januar 2020
Und, mein liebes Tagebuch, wie wollen wir Apothekers ins neue Jahr starten? Mit welcher Grundhaltung wollen wir uns ins neue Jahrzehnt stürzen? In die zwanziger Jahre! Hach, das kommt wohl ganz drauf an, welche Grundeinstellung man hat. Und natürlich auch darauf, welche Apotheke man hat, in welcher Apotheke man arbeitet, kurzum, wie die Ausgangsbedingungen sind.
So kann man in der Tat die Zukunft recht pessimistisch sehen. Hier einige Reizwörter: Lieferengpässe, Personalmangel, Apotheken-Stärkungsgesetz, Rahmenvertrag, Rabattverträge, Bon-Pflicht, E-Rezept, Digitalisierung, Importförderklausel, EU-Versandhäuser – um nur einige zu nennen. Eine black box ist auch die zunehmende Oligopolisierung des Pharmagroßhandels: Was werden uns die Fusionen von Großhandlungen im neuen Jahrzehnt bringen? Wie entwickeln sich die Lieferkonditionen? Was uns auch erhalten bleibt: Wir werden im neuen Jahrzehnt weiterhin in der Schusslinie von bestimmten liberal denkenden Ökonomen stehen, in der Schusslinie von Monopolkommission und Krankenkassen. Und auch die eine oder andere Partei wird uns weiterhin kritisch beäugen.
Man könnte im neuen Jahrzehnt aber durchaus eine Menge Chancen sehen für die Vor-Ort-Apotheke. Die Digitalisierung z. B. lässt sich auch positiv interpretieren. Sie kann im Apothekenalltag manches erleichtern, wenn man versteht, sie sinnvoll einzusetzen. Und wie ist es mit dem E-Rezept? O.k., da gibt es noch ein paar offene Fragen, z. B. wird das Makelverbot halten? Werden die EU-Versender die Rezepte abräumen? Aber da kann uns doch der liberalisierte Botendienst samt telepharmazeutischer Beratung helfen: Unsere Kunden werden uns ihr Rezept auch elektronisch übermitteln können. Und wir können rasch liefern, rascher als das Versandhaus an der niederländischen Grenze. Weitere Chancen für das neue Jahrzehnt liegen auch in unserem Nachwuchs, der gut ausgebildet in Klinischer Pharmazie in die Apotheken kommt. Mit der persönlichen und individuellen Beratung unserer Kunden und Patienten können wir immens punkten. Mein liebes Tagebuch, das schafft kein Versender.
Und Ende dieses neuen Jahres werden wir einen neuen ABDA-Präsidenten bekommen – ob die Berufspolitik besser wird, wissen wir nicht, aber vielleicht kommen dann Berufspolitiker zum Zug, die offener sind, die neue Ideen mitbringen und unsere Berufsvertretung transparenter machen. Wir wissen ja, die Hoffnung…
Also, ganz klar, mein liebes Tagebuch, die (Apotheken-)Welt wird auch 2020, wird auch im neuen Jahrzehnt nicht einfacher. Aber es gibt sie, die Chancen. Nutzen wir sie, das ist unsere Chance. Und vor allem: Zeigen wir mehr Selbstbewusstsein! In diesem Sinne, ein gutes und erfolgreiches neues Jahr!
16 Kommentare
Nicht so viel Katzenjammer wegen Bonpflicht von Kleingewerbe
von Andreas Michael Grünebaum am 05.01.2020 um 19:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Nicht so viel Katzenjammer wegen ... so what?
von Bernd Jas am 05.01.2020 um 22:17 Uhr
Wegelagerei (Teil 2)
von Bernd Jas am 05.01.2020 um 15:55 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Wegelagerei (Teil 2
von Karl Friedrich Müller am 05.01.2020 um 17:53 Uhr
AW: wg. Btm Kartei
von Andreas Grünebaum am 05.01.2020 um 19:48 Uhr
AW: Wg. BTM-Kartei
von Bernd Jas am 05.01.2020 um 21:52 Uhr
Plan C !
von Gunnar Müller, Detmold am 05.01.2020 um 12:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Plan C
von Friedemann Ahlmeyer am 05.01.2020 um 19:26 Uhr
Versenken oder sinken ... Krankenkassen Monopolkommission ...
von Christian Timme am 05.01.2020 um 10:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
RX Versandverbot
von Conny am 05.01.2020 um 9:03 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: RX Versandverbot
von Anita Peter am 05.01.2020 um 11:03 Uhr
Mit Zuversicht ins neue Jahr!
von Ulrich Ströh am 05.01.2020 um 9:00 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Mit Zuversicht ins neue Jahr
von Conny am 05.01.2020 um 9:13 Uhr
AW: Mit Zuversicht ins neue Jahr
von Anita Peter am 05.01.2020 um 10:59 Uhr
Optimismus?
von Karl Friedrich Müller am 05.01.2020 um 8:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Optimismus
von Wolf am 05.01.2020 um 14:44 Uhr
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