Pharmacon Schladming

Ein Masernpatient kann bis zu 18 weitere Personen anstecken

Schladming - 20.01.2020, 10:15 Uhr

Dr.Ilse Zündorf und Professor Dr. Robert Fürst von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hielten den ersten Vortrag beim Pharmacon in Schladming ( r / Foto: DAZ/ck)

Dr.Ilse Zündorf und Professor Dr. Robert Fürst von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hielten den ersten Vortrag beim Pharmacon in Schladming ( r / Foto: DAZ/ck)


Ob jemand bei Kontakt mit einem Erreger erkrankt oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von den Eigenschaften des Erregers. Welche das sind, erklärten Dr. Ilse Zündorf und Professor Dr. Robert Fürst in ihrem Eröffnungsvortrag beim diesjährigen Pharmacon in Schladming. Was seine Übertragungsfähigkeit angeht, ist demnach das Masern-Virus ganz vorne dabei.

„Abwehr der Eindringlinge: immunologische und infektiologische Grundlagen“ lautete der Titel des ersten Pharmacon-Vortrags in Schladming. Dr.Ilse Zündorf und Professor Dr. Robert Fürst von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main legten die Grundlagen der Immunabwehr dar und erläuterten unter anderem, woran es liegt, ob nach Kontakt mit einem infektiösen Agens eine Krankheit ausbricht oder nicht. Neben dem Wirt, zum Beispiel dessen genetischer Ausstattung oder einer bestehenden Schwangerschaft, liegt das auch am Erreger selbst, nämlich an dessen Virulenz beziehungsweise Pathogenität. Laut Zündorf werden beide Begriffe oft synonym verwendet.

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Virulenz: Infektionskraft bzw. Ausprägungsgrad der pathogenen Potenz eines Erregers

Pathogenität: Fähigkeit eines auf den Körper einwirkenden Einflussfaktors, eine Krankheit auszulösen

Wie viele Pathogene braucht man für eine Ansteckung?

So unterscheiden sich beispielsweise Erreger maßgeblich in der Mindestanzahl an Pathogenen, die für eine Infektion notwendig sind. So reichen beim Hepatitis-A-Virus ein bis zehn Viren für eine Infektion, beim Norovirus sind es zehn bis 100, genauso viele braucht Escherichia coli. Bei Vibrio cholerae hingegen muss man mit deutlich mehr Erregern für eine Ansteckung in Kontakt kommen, nämlich 104 bis 108

Als Maß für die „Ansteckungskraft“ oder Übertragungsfähigkeit eines Erregers wird der sogenannte Kontagiositätsindex herangezogen. Liegt er bei 0,6, werden 60 Prozent der Exponierten infiziert. Daneben gibt es noch den Manifestationsindex, der etwas über das Ausmaß der Erkrankungswahrscheinlichkeit nach erfolgter Infektion aussagt.

Bei Masern erkranken fast alle Exponierten

Vorne liegen hier die Windpocken mit einem Kontagiositätsindex von etwa 1 und einem Manifestationsindex größer 0,9. Das heißt, dass sich nahezu alle Exponierten anstecken und tatsächlich auch erkranken. Ebenso effektiv arbeitet das Masernvirus. Der Kontagiositätsindex liegt bei 0,95, ebenso der Manifestationsindex. Auch bei Keuchhusten besteht bei Erregerkontakt eine hohe Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, sie liegt bei 80 bis 90 Prozent. Der Manifestationsindex ist mit 0,6 bis 0,8 ebenfalls hoch. Deutlich darunter befindet sich das gefürchtete Poliomyelitis-Virus mit einem Kontagiositätsindex von 0,1 und einem Manifestationsindex 0,01 bis 0,05.

Die „Ansteckungskraft“ und der Manifestationsindex sind mit dafür verantwortlich, dass es bei Masern immer wieder zu größeren Ausbrüchen in ungeimpften Populationen kommt. So hat das Masernvirus eine Basisreproduktionszahl von zwölf bis 18. Das bedeutet, dass ein Indexfall während der gesamten infektiösen Periode zwölf bis 18 Sekundärfälle verursacht, allerdings nur, wenn diese suszeptibel sind, also ungeimpft oder Impfversager.

Letzteres ist jedoch selten. Die Effektivität einer Masern-Impfstoffdosis beträgt im Durchschnitt 91 Prozent. Die Impfeffektivität der zweimaligen Masernimpfung wird vom RKI mit 92 Prozent bis 99 Prozent angegeben. Keuchhusten hat eine Basisreproduktionszahl von 12 bis 17, Windpocken fünf bis sieben. Deutlicher weniger Sekundärfälle verursachen HIV und Influenzainfizierte mit einer Basisreproduktionszahl von zwei bis fünf bzw. zwei bis drei.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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