Auswirkungen der Re-Regulierung

Polens Apothekenketten warnen vor sinkender Apothekenzahl

Remagen - 22.01.2020, 09:45 Uhr

In Polen sinkt derzeit stetig die Apothekenzahl. Nach einem re-regulierenden Gesetz warnt ein Ketten-naher Verband nun davor, dass Versorgungsengpässe entstehen können. Die Apotheker halten dagegen. (s / Foto: dpa)

In Polen sinkt derzeit stetig die Apothekenzahl. Nach einem re-regulierenden Gesetz warnt ein Ketten-naher Verband nun davor, dass Versorgungsengpässe entstehen können. Die Apotheker halten dagegen. (s / Foto: dpa)


In Polen zeigt die im Juni 2017 in Kraft getretene Re-Regulierung des Apothekenmarktes unter dem Motto „Apotheken den Apothekern“ (AptekaDlaAptekarz) Wirkung: Die Apothekenzahl sinkt. Dies offenbart eine Analyse des Verbandes PharmaNET, der die Kettenapothekenbetreiber repräsentiert. Die Ketten weisen darauf hin, dass viele Gemeinden inzwischen keine Apotheke mehr haben. Die Apothekerkammer hält dagegen, dass sich die Kettenbetreiber ohnehin nie für Landapotheken interessiert hätten.

Mit einer Änderung des Arzneimittelgesetzes läutete die polnische Regierung Ende Juni 2017 das Ende des Fremd- und Mehrbesitzes von Apotheken ein. Die Zahl der Filialen neben einer Hauptapotheke wurde auf drei beschränkt. Außerdem wurde eine Bedarfsplanung mit demografischen und geografischen Kriterien eingeführt (mindestens 3000 Einwohner in der zu versorgenden Gemeinde und mindestens 500 Meter Luftlinie bis zur nächstgelegenen bestehenden Apotheke). Der Bestandsmarkt bleibt zunächst unangetastet, aber im Falle von Teilungen, Zusammenschlüssen oder Umwandlungen von Gesellschaften dürfen Betriebserlaubnisse nicht mehr automatisch weitergegeben werden.

1100 Apotheken verschwunden

Laut der Analyse des Apothekenketten-nahen Verbandes PharmaNET sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes mehr als 1.100 Apotheken von der Landkarte Polens verschwunden. Nach IQVIA-Daten soll die Zahl der Apotheken seit Oktober 2017 stetig gesunken sein, und zwar von etwa 14.900 auf 13.777 (Ende Dezember 2019). Die Liquidation von Apotheken soll die ländlichen Gebiete am stärksten betroffen haben, in denen der Zugang zu pharmazeutischen Dienstleistungen im Allgemeinen schwierig sei. In 86 Dörfern und Kleinstädten sei die einzige Apotheke geschlossen worden und keine neu eröffnet worden. Nun müssten ihre Bewohner zusätzliche Kilometer zurücklegen, um die Medikamente zu kaufen, die sie benötigten. 

„Den polnischen Apothekenmarkt auf den Kopf gestellt“

Aus der Sicht des Verbandes hat die Reform keines ihrer Ziele erreicht, weder eine Zunahme der Apotheken auf dem Land noch die Eindämmung der illegalen Ausfuhr von Arzneimitteln aus Polen. Hier seien neben organisierten kriminellen Gruppen vor allem einzelne Apotheken involviert gewesen und nicht die Apothekenketten, die man dafür habe verantwortlich machen wollen. Das Argument einer Monopolisierung des Apothekenmarktes durch Ketten oder große internationale Konzerne habe sich ebenso als unbegründet erwiesen. Der Verband spricht von derzeit (Stand November 2019) 375 Unternehmen, und zwar vorwiegend kleinen und mittleren polnischen Familienunternehmen. 90 Prozent der Apotheken sollen in einheimischem Besitz sein. Die Novelle des Arzneimittelgesetzes habe den polnischen Apothekenmarkt auf den Kopf gestellt hat, resümiert der Kettenbetreiber-Verband. Aus einem typischen offenen europäischen System sei eines der schärfsten geschlossenen Systeme in Europa geworden. 

Kammer: Zahlen einseitig ausgelegt

In einer Pressemitteilung als Erwiderung auf die Interpretationen der PharmNET-Analyse wirft die polnische Apothekerkammer den Kettenbetreibern vor, die Zahlen einseitig für ihre Zwecke auszulegen, um damit Unsicherheit unter den Patienten zu verbreiten. Das beschriebene Problem sie „künstlich geschaffen“ und „nicht existent“. Der Bericht sehe geflissentlich über die Tatsache hinweg, dass in vielen Städten geschlossene Apotheken durch inhabergeführte ersetzt worden seien. Im Übrigen hätten ländliche Apotheken noch nie im Fokus des Interesses der großen Ketten gelegen. Auch im Hinblick auf den Kampf gegen den illegalen Export von Arzneimitteln erfülle das Gesetz seinen Zweck. Mittlerweile seien die Lizenzen für 222 Apotheken deswegen und wegen anderer schwerwiegender Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz widerrufen worden. 

„Künstlich aufgepumpte Anzahl von Neueröffnungen“

Bereits im Juli letzten Jahres hatte die polnische Apothekerkammer einen positive Zweijahresbilanz für die neue Gesetzeslage gezogen und die Novellierung des Arzneimittelgesetzes als „wichtigen Schritt zur Stabilisierung des Apothekenmarktes“ bezeichnet. Nach einer in der Geschichte beispiellosen, oft „künstlich aufgepumpten Anzahl von Neueröffnungen“ kehre der Markt langsam auf das Niveau vor 2014 zurück, hieß es in einer Mitteilung. Mit den (im Juli 2019) 14.000. Apotheken und Apothekenverkaufsstellen decke der Sättigungsgrad des Marktes die Bedürfnisse der polnischen Patienten in Bezug auf den Apothekenzugang vollständig ab. 

„Harte Franchises“ und Übernahmen durch die Hintertür

Die Kammer beobachtete aber auch eine andere Entwicklung, die ihrer Meinung nach Anlass zur Besorgnis liefert. Da das Gesetz die Übernahme kleinerer Apotheken durch Kettenunternehmen weitgehend beschränke, suchten diese nun nach alternativen Methoden, um Übernahmen trotzdem weiter voranzutreiben. Nach Informationen der Kammer soll dies zum Beispiel über „harte Franchises" gehen, bei denen die Apotheker weitgehend unter dem Diktat des Franchise-Gebers stehen und ihre Rolle sich auf die des „Genehmigungsinhabers" beschränkt. Sie verlieren damit ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Als weitere Methode wird der Kauf von Aktien zur Übernahme der Kontrolle über Unternehmen, die Apotheken betreiben, angeführt. Nach Ansicht der Apothekerkammer kann diese Praxis zur Bildung von Zusammenschlüssen verbundener Unternehmen führen, was nach dem Arzneimittelgesetz ausdrücklich verboten ist. Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang auf einen Bericht des Verbandes der polnischen Apotheken-Arbeitgeber (ZAPPA), in dem der Erwerb von ca. 700 Apotheken auf diese Weise, unter anderem durch zypriotische und niederländische Unternehmen, die Apothekenketten betreiben, beschrieben worden sein soll. 

Immer noch zu viele Apotheken

ZAPPA teilt im Übrigen die Auffassung der Kammer: Knapp 14.000 Apotheken seien für Polen immer noch zu viel, meint der Verband sogar. Derzeit versorge eine polnische Apotheke im Schnitt 2.628 Menschen. Gemessen am europäischen Durchschnitt von 4.350 Einwohnern pro Apotheke sollten 8.796 Apotheken reichen. Die Folge sei eine sinkende Wirtschaftlichkeit, gegen die die Apotheken durch Kostensenkungen, den Austausch von Arzneimitteln gegen billigere Nahrungsergänzungsmittel oder sogar durch illegale Gewinne aus dem Export von Arzneimitteln ankämpften.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Regierung in Polen

von Paulina am 23.01.2020 um 11:24 Uhr

Die neue Regerung in Polen ist "tot". Politik der Offnung ist aktual so streng, dass neue Apothekeoffnung durch Apotheker leider unmoglich ist. Schreklich ist die Übernahme kleinerer Apotheken durch „harte Franchises". Ein Monopolisierung des Apothekenmarktes durch Ketten ist Realproblem. Die Liquidation von ländliche Apotheken beeinträchtigt der Zugang zu pharmazeutischen Dienstleistungen fur die Leute, die aufs dem Land wohnen- das ist besonders traurig, weil der Zugang schwierig ist.

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