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28. NZW Hamburg: TK will Selektivverträge
Pharmazeutische Dienstleistungen – nicht alle unter einem Hut?
Tim Steimle von der Techniker Krankenkasse vermisst die Möglichkeit, mit Apotheken allein direkte Selektivverträge zu pharmazeutischen Dienstleistungen schließen zu können. Komme das VOASG, würden die Selbstverwaltungen GKV-Spitzenverband und DAV die Dienstleistungen verhandeln. „Manchmal ist es leichter, das direkt auszuhandeln“, so der Apotheker. DGOP-Präsident Klaus Meier sieht solche Selektivverträge jedoch nicht unkritisch.
Pharmazeutische Dienstleistungen: Wie können sie sinnvoll aussehen? Wer soll Ideen entwickeln? Wie werden sie vergütet und wer entscheidet darüber? Das sind nur einige Fragen, die Tim Steimle von der Techniker Krankenkasse am Wochenende beim 28. Nordwestdeutschen Zytoworkshop (NZW) in Hamburg aufwarf. Für mache Fragen gebe es zumindest eine Ansage des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU), wie zur Finanzierung und Ideenentwicklung, so Steimle. So habe Spahn auf dem Apothekertag 2019 in Düsseldorf „150 Millionen Euro in den Ring geworfen“ und auch „sehr deutlich“ gemacht, dass die Apothekerseite am Zug sei, Ideen zur Umsetzung von pharmazeutischen Dienstleistungen zu entwickeln.
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„Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt“
Steimles derzeitige Zwischenbilanz dazu klingt eher ernüchternd: „Bis heute kenne ich wenige solche Ausführungen“, außer den „Appellen, dass auch bei onkologischen Patienten die Begleitung durch Apotheker sinnvoll und wertvoll sein kann.“ Unterhalte er sich mit Funktionären des DAV (Deutscher Apothekerverband) über pharmazeutische Dienstleistungen, insbesondere die Begleitung im Rahmen der Zytostatikatherapie, werde deutlich, dass man sich im Wesentlichen eine „auskömmliche und vernünftige Finanzierung der Herstellung“ wünscht. Doch dazu, „wie aufbauend auf dem Herstellprozess eine pharmazeutische Dienstleistung ergänzend honoriert werden kann, und zwar dort, wo eine besondere Leistung erbracht wird, fehlen uns Vorschläge“, so Steimle ohne Vorwurf.
Patienten einbeziehen
Wichtig findet der Apotheker auch, dass im Entwicklungsprozess um die pharmazeutischen Dienstleistungen auch Patienten gehört werden: „Wenn wir pharmazeutische Dienstleistungen entwickeln, dann sollten die Patienten mitabstimmen dürfen“. Eigenen Angaben zufolge, praktiziert die TK dies bereits und hat dazu im letzten Jahr einen speziellen Workshop angeboten.
SGB V sieht keine Verträge der GKV allein mit Apotheken vor
Steimle macht auch klar, dass die TK durchaus ambitioniert ist – so das VOASG in dieser Form irgendwann kommt –, TK-eigene Modelle zu etablieren, die „über das das Modell des VOASG hinausgehen“. Er begründet: „Sie wissen: Kommt das VOASG in dieser Form, werden die Selbstverwaltungen dies ausverhandeln“. Zwar werde sich auch die TK hier einbringen, doch laufen laut Steimle teils auch die „Partikularinteressen im GKV-SV in unterschiedliche Richtungen“. Und weiter: „Manchmal ist es leichter, das direkt auszuhandeln“, findet Steimle.
Bislang nur mit Ärzten
Eine Möglichkeit, die Steimle in Teilen bei den Apothekern aktuell schmerzlich vermisst: „Wenn wir Selektivverträge schließen, können wir zum jetzigen Zeitpunkt zwar alleine mit Ärzten und Krankenhäusern Verträge schließen, jedoch nicht alleine mit Apotheken“, so Steimle. Das bedeute, selbst wenn man sich heute auf Dienstleistungen verständigen würde, könnte die TK keine Verträge schließen, um diese Leistungen direkt mit Apotheken abzurechnen. „Das liegt daran, dass das Sozialgesetzbuch das nicht vorsieht“. Bislang setzt die TK Verträge, in denen Apotheken beteiligt sind, nur gemeinsam mit Ärzten um – wie mit dem Bundesverband der Rheumatologen. Die Apotheken seien dabei im Sinne eines Medikationsmanagements eingebunden, was Steimle als „sehr zukunftsweisend“ bezeichnet.
DAV muss sich um alle Apotheken kümmern
Bei pharmazeutischen Dienstleistungen alle unter einen Hut zu bringen, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen – das merkt auch Michael Marxen, stellvertretender Präsident des Verbands Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA) und in gleicher Position auch bei der Deutschen Gesellschaft für onkologische Pharmazie (DGOP) engagiert, an. Sowohl der GKV-SV als auch der DAV wollten von ihrer Struktur sicher „gerne rahmenvertragliche und keine einzelvertraglichen Lösungen“ – dafür gebe es diese Verbände, das sei ein Stück weit auch deren Existenzberechtigung.
„Der DAV lebt in der Sorge, das neu ausgelobte Geld im Deal gegen das nicht umgesetzte Versandhandelsverbot möglichst allen Apotheken zu ermöglichen und nicht nur den zytostatikaversorgenden“, so Marxen. Wobei ganz klar sei: „Pharmazeutische Betreuung von Krebspatienten betrifft eigentlich alle Apotheken“ – nicht nur diejenigen mit Spezialversorgung. Er sieht die von Spahn erteilte Hausaufgabe – pharmazeutische Dienstleistungen zu definieren – als „riesige Chance“. Etwas ratlos ist Marxen jedoch auch bei der Frage, wie denn pharmazeutische Dienstleistungen aussehen könnten, die wirklich ausnahmslos alle Apotheken anbieten könnten und die dabei gleichzeitig einen nachhaltigen Mehrwert für den Patienten schaffen würden.
Jeder Patient ist gleich
Klaus Meier, Präsident der DGOP, hat durchaus Verständnis für den Wettbewerb zwischen einzelnen Krankenkassen. Doch will er diesen nicht auf dem Rücken der Patientenversorgung ausgetragen sehen. „Ich kann nicht einsehen, dass ein Patient der TK besser oder schlechter in seiner Adhärenz, beispielsweise im Rahmen einer oralen Zytostatikatherapie, unterstützt wird, als ein Patient einer anderen Krankenkasse." Und weiter: „Für mich ist jeder Patient gleich!".
Dies sieht auch Kerstin Bornemann, Apothekerin für onkologische Pharmazie und Palliativpharmazie in Göttingen und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für onkologische Pharmazie (DGOP) aus dem Auditorium kritisch – wenn man in der onkologischen Beratung in der Apotheke erst nach der Krankenkasse des Patienten schauen müsse, um zu sehen, welche Beratung er bekommen dürfe.
Es geht nicht um die Dienstleistung, sondern die Honorierung
Meier erkennt auch nicht, dass pharmazeutische Dienstleistungen bislang nicht tagtäglich erbracht würden. „Wir bekommen nur kein Geld dafür", so der DGOP-Präsident. Das Problem sei, dass man mittlerweile eher „Advokat der Wirtschaft als Advokat der Gesundheit" sei.
Meier sieht auch die Aufgabe zur Beratung von Tumorpatienten nicht nur bei den Apotheken mit Spezialversorgung. Jede Apotheke muss seiner Ansicht nach in der Lage sein, „einen Sonnenbrand von Hautschäden als Folge von Bestrahlungen" zu erkennen, und entsprechend kompetent dazu beraten.
In der Tat dürfte er hier ins Schwarze treffen. Denn mutmaßlich straucheln eher die nicht zytostatikaversorgenden Apotheken bei Fragen rund um Tumor und Behandlung, als solche, die täglich damit konfrontiert sind.
1 Kommentar
Teile und hersche
von ratatosk am 28.01.2020 um 18:11 Uhr
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