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Kommentar
Der vergiftete DocMorris-Apfel für die Apotheker
Der Versandkonzern Zur Rose hat verstanden, dass ihn die Gewährung von Rx-Boni nicht voranbringt. Ganz im Gegenteil: Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung ist das Wachstum im Rx-Bereich ausgeblieben. Die Schweizer setzen mit ihrer niederländischen Tochter DocMorris nun also auf das E-Rezept und den Vertriebsweg einer Vorbestellplattform. Weil die angekündigte Umsatzverdopplung auf diesem Weg aber nur mit den Apothekern erreichbar ist, geht DocMorris jetzt auf Kuschelkurs. Die Apotheker sollten darauf nicht reinfallen, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
In ein paar Jahren werde niemand mehr über Rx-Boni sprechen, prophezeit DocMorris-Chef Olaf Heinrich im Handelsblatt. Denn sein Konzern will allen E-Rezept-Kunden, die über die künftige Vorbestellplattform kommen, keine Rx-Boni mehr anbieten. Mit diesem „Friedensangebot“ will Heinrich die Vor-Ort-Apotheker ködern, die er für den Erfolg der Plattform wie nichts anderes benötigt. Er selbst sagt im „Handelsblatt“-Interview, dass er davon ausgehe, dass 90 Prozent der Plattform-Benutzer ihr E-Rezept über die nächste Apotheke abwickeln wollen – und nicht über den Versandhandel.
Damit verhöhnt der Konzern nicht nur die Apotheker, sondern auch die Gesundheitspolitik. Denn während die Apotheker immer noch an vorderster Front und mit größter Intensität gegen die Boni-Gewährung aus den Niederlanden kämpfen, zwei CDU-Minister mit zwei verschiedenen Gesetzentwürfen auf die Boni-Freigabe durch den EuGH reagiert haben und nun auch die EU-Kommission in die Debatte eingeschaltet ist, sagt DocMorris ganz einfach: Macht mal ruhig, wir sind schon einen Schritt weiter.
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Doch wenn man genauer hinschaut, ist DocMorris mitnichten der Gewinner der Boni-Preisschlacht der vergangenen Jahre. Denn nun wird klar, wie sehr die Niederländer auf die Mithilfe der Apotheker angewiesen sind. Im Markt zeichnet sich derzeit ab, dass der Wettbewerb der kommenden Jahre nicht etwa über Boni ausgetragen wird, sondern darüber, welche Online-Plattform dem Kunden den sichersten, kompetentesten und auch bequemsten Bezug von Arzneimitteln ermöglicht. Und durch Noweda/Burda und „Pro AvO“ gibt es bereits zwei mächtige Initiativen, die dabei klar die Apotheke vor Ort als Bestellweg präferieren.
DocMorris ist klar, dass dieser Plattform-Vertrieb dem herkömmlichen Versandhandel überlegen ist: Denn er ist durch den Großhandel und die Apotheken schneller, er ist nachhaltiger, und er ist durch die Vor-Ort-Beratung bei Heilberuflern kompetenter. Kurzum: Um am Apothekengeschäft der Zukunft teilhaben zu können, braucht der Konzern die Apotheker.
DocMorris' Marktideologie bleibt bestehen
Die neuen Töne aus dem Hause Zur Rose/DocMorris hören sich daher nach Kuschelkurs an: Man habe mit dem Konfrontationskurs auch „Fehler“ gemacht, der Konzern habe sich geändert, erklärt Olaf Heinrich. Wie wenig sich die Marktideologie im tiefsten Innern des Versandkonzerns aber in Wirklichkeit geändert hat, zeigt ein anderes Zitat Heinrichs in dem Interview: „Manche Schätzungen in der Branche gehen davon aus, dass man für eine flächendeckende Versorgung mit rezeptpflichtigen Medikamenten gerade einmal 1120 Apotheken braucht.“ Wer so etwas – übrigens ganz ohne konkrete Quellenangabe – behauptet, zeigt, wie wenig ihm eine flächendeckende Versorgung wirklich wert ist. Übrigens: Die Zahl 1100 ist zufällig in etwa die Zahl an Apotheken, die DocMorris für seine neue Plattform von einer Kooperation überzeugen will, damit sich das Geschäft auch lohnt.
Apropos lohnen. Es gibt noch einen zweiten wichtigen Grund, warum DocMorris jetzt die Post-Boni-Ära einläutet. Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung ging der Schweizer Mutterkonzern aufs Ganze, schaltete teure Werbung, besorgte sich frisches Geld und übernahm schließlich mehrere andere Versender. Der Umsatz ist in dieser Zeit zwar gestiegen – unter dem Strich stehen aber Verluste. 2018 stand unter dem Strich ein Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 26,3 Millionen Franken. Für 2019 wurde das Konzernergebnis noch nicht kommuniziert.
Der Versandkonzern hatte sich nach dem EuGH-Urteil schlichtweg erhofft, dass neben den OTC-Umsätzen auch die Rezeptbestellungen explodieren. Doch das ist nicht eingetreten – zwischenzeitlich war der Rx-Umsatz im Versandhandel sogar wieder rückläufig. Damit Zur Rose /DocMorris die angekündigte Umsatzverdopplung erreichen können, wechselt der Fokus nun also von den Rx-Boni hin zum Plattformbetrieb und zum E-Rezept. Dafür brauchen sie die Apotheker. Und die sollten sich gut überlegen, ob sie dem Konzern, der sie jahrelang mit Füßen getreten hat, zu solchen Umsatzsprüngen verhelfen wollen.
4 Kommentare
Artikel
von J am 28.02.2020 um 19:47 Uhr
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Letzte Meile
von Heiko Zimny am 24.02.2020 um 19:11 Uhr
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Besuch aus China lässt „Zur Rose“ verwelken ... etc.
von Christian Timme am 24.02.2020 um 14:18 Uhr
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AW: Das "Mehr" ist ev. schon da ... es ist angerichtet ... liebe Apothekers ...
von Christian Timme am 24.02.2020 um 23:04 Uhr
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