Ausgangssperren drohen

Sollten Apothekenleiter vorsorglich Passierscheine ausstellen?

Stuttgart - 20.03.2020, 14:30 Uhr

Madrid: Die spanische Regierung hat den Ausnahmezustand wegen des Coronavirus SARS 2 erklärt. Die Bevölkerung steht 15 Tage zu Hause unter Quarantäne. Auch hierzulande ist das nun denkbar. (Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress)

Madrid: Die spanische Regierung hat den Ausnahmezustand wegen des Coronavirus SARS 2 erklärt. Die Bevölkerung steht 15 Tage zu Hause unter Quarantäne. Auch hierzulande ist das nun denkbar. (Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress)


Die Apothekerkammer Berlin stellt bereits seit dem gestrigen Donnerstag eine Vorlage für einen „Passierschein“ online zur Verfügung. Mit diesem kann die Apotheke den betreffenden Personen bescheinigen, dass sie zum betriebsnotwendigen Personal gehören und damit für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unverzichtbar sind. Denn: Dass schon bald auch deutschlandweit Ausgangssperren verhängt werden könnten, scheint nicht mehr unwahrscheinlich. 

Das Krankenhauspersonal sendet schon seit mehreren Tagen verstärkt an seine Mitbürger und potenziell zukünftigen Patienten die Nachricht: „Wir bleiben für euch hier, bleibt ihr für uns zu Hause.“ Auch Apotheker wünschen sich, dass Bürger vernünftig handeln und nur noch nach draußen gehen, wenn es wirklich notwendig ist. Denn sollten sich die Menschen weiterhin nicht an die Empfehlungen zur sozialen Distanz halten, könnten ab Montag in Deutschland Ausgangssperren drohen. 

So meldet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) beispielsweise am heutigen Freitag, dass es in Berlin weiterhin zu zahlreichen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz kommt. Am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag wurden demnach 91 Anzeigen gestellt, oft wegen der nicht mehr erlaubten Öffnung von Kneipen oder Läden. 

Während viele also noch immer nicht den Ernst der Lage erkannt zu haben scheinen, spitzt sich die medizinische Lage weiter zu. Das Coronavirus hat nun weltweit mehr als 10.000 Menschen den Tod gebracht, meldet die dpa: Die private Johns Hopkins University im US-Staat Maryland führte in ihrer Liste auf ihrer Homepage am Freitagmorgen 10.031 Tote.

„Samstag ist ein entscheidender Tag“

Im Live-Blog zur Corona-Krise auf tagesschau.de war am heutigen Freitagmorgen zu lesen, dass der morgige Samstag zum entscheidenden Tag werden könnte. Demnach sagte Kanzleramtschef Helge Braun dem „Spiegel“, dass das Verhalten der Menschen an diesem Wochenende für die Bundesregierung und die Entscheidung über Ausgangssperren maßgeblich Ausschlag geben wird. Sollten die Bürger sich nicht an die angeordneten Maßnahmen halten, könne es passieren, dass in den Bundesländern auch „weitergehende Maßnahmen“ beschlossen würden – auch wenn die Bundesregierng Ausgangssperren eigentlich vermeiden wolle. 

Am kommenden Sonntag will Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Vernehmen nach mit den Ministerpräsidenten in einer Telefonschalte über Ausgangssperren beraten, berichtet die dpa. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat am heutigen Freitag  für den Freistaat bereits weitgehende Ausgangsbeschränkungen angekündigt.

Seit Donnerstag durften die Menschen im bayerischen Mitterteich und zwei weiteren Orten bereits nur noch in Ausnahmefällen auf die Straßen. Im chinesischen Wuhan, in Italien, Frankreich und Spanien sind solche Verbote schon längst in Kraft – während in Deutschland noch immer Menschen in Grüppchen in Parks sitzen. Mehrere Ministerpräsidenten betonten, so könne es nicht weitergehen. Ebenfalls am gestrigen Donnerstag hat die Stadt Freiburg wegen der Corona-Pandemie eine Ausgangssperre für größere Gruppen erlassen. Ein sogenanntes Betretungsverbot für öffentliche Orte soll von diesem Samstag bis zum 3. April gelten, wie die Stadt mitteilte. 

Betretungsverbot für Gruppen in Freiburg 

In Freiburg handelt es sich aber nicht um eine generelle Ausgangssperre: Wer sich im Freien aufhalten möchte, dürfe das allein, zu zweit oder mit Personen, die im eigenen Haushalt lebten. Man dürfe zudem weiterhin zur Arbeit oder zum Arzt gehen sowie Lebensmittel einkaufen. Anlass sei die dramatische Lage der angrenzenden französischen Region Grand-Est.

Öffentliche Orte dürfen dem neuen Verbot zufolge nicht mehr in größeren Gruppen betreten werden. Das Haus oder die Wohnung soll nur noch für dringende Angelegenheiten verlassen werden. Von allen anderen Personen sei dabei ein Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten. In Parks und Grünanlagen dürften sich keine Menschen mehr ansammeln. Man könne aber etwa weiter durch Freiburg joggen, sagte die Stadtsprecherin. Einen Passierschein für den Weg zur Arbeit scheinen also auch in Freiburg (noch) nur Grenzpendler zu benötigen. 

Kommt das Freiburger Verbot bundesweit?

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster hat laut dpa dafür plädiert, das von der Stadt Freiburg erlassene Betretungsverbot für Gruppen an öffentlichen Orten bundesweit einzuführen – auch, um eine generelle Ausgangssperre zu vermeiden. Angesichts des Tempos, in dem sich das neuartige Coronavirus in Deutschland ausbreite, dürfe aber keine Zeit verloren werden, warnte Schuster. Mit einer Entscheidung solle deshalb nicht bis zu der geplanten Besprechung zwischen Merkel und den Ministerpräsidenten am Sonntagabend gewartet werden. „So etwas ließe sich heute in einer Telefonkonferenz innerhalb von 15 Minuten beschließen“, erklärte der Abgeordnete.

Niederlassungsverbot für Baden-Württemberg geplant 

Aus einer weiteren dpa-Meldung geht zumindest für öffentliche Plätze in Baden-Württemberg hervor, dass die Landesregierung ein Niederlassungsverbot für Gruppen auf öffentlichen Plätzen vorbereitet. Bei der betroffenen Gruppengröße handle es sich um eine einstellige Zahl, das Justizministerium müsse das juristisch prüfen. Zugleich aber lasse Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Voraussetzungen und Regelungen einer Ausgangssperre schon vorgreifend prüfen, damit diese schnellstmöglich umgesetzt werden könnte – sollten die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin am Sonntag zum Schluss kommen, dass eine solche unabwendbar ist.

Apothekerkammer Berlin: „Passierschein“ für den Fall einer Ausgangssperre

Könnten Apothekenmitarbeiter ab Montag also vielleicht nicht mehr ungehindert zur Arbeit gelangen? Seit dem gestrigen Donnerstag hat zumindest die Apothekerkammer Berlin vorgesorgt: Sie stellt im Internet eine Vorlage für einen „Passierschein“ zur Verfügung. Hier können Sie sich die Vorlage herunterladen.

Mit diesem können die Apotheke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bescheinigen, dass die betreffende Person zum betriebsnotwendigen Personal gehört: „Die betreffende Person ist für die Aufrechterhaltung des Apothekenbetriebs und damit der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unverzichtbar und muss deshalb auch im Fall einer Ausgangssperre die Apotheke erreichen können. Bitte stellen Sie Ihrem Personal die Bescheinigung unverzüglich aus und weisen Sie die Betreffenden darauf hin, dass sie die Bescheinigung und einen amtlichen Lichtbildausweis stets bei sich führen sollen.“

Sicherlich lässt sich diese Vorlage auch auf die anderen Bundesländer übertragen. Ob sie dann auch benötigt wird, wird man wahrscheinlich nicht vor Sonntag erfahren.

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