Was tun gegen Engpässe in Pandemiezeiten

AKNR: Großhandel soll Präsenzapotheken bevorzugen!

Berlin - 24.03.2020, 17:55 Uhr

Die AKNR meint: In Pandemiezeiten solte der Pharma-Großhandel keine EU-Versender beliefern dürfen. (t/Foto: Phagro)

Die AKNR meint: In Pandemiezeiten solte der Pharma-Großhandel keine EU-Versender beliefern dürfen. (t/Foto: Phagro)


Und wie ist die Rechtslage?

DAZ.online hat bei Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas nachgefragt, ob diese Forderung, den Versandhandel in der Lieferkette nach hinten zu rücken, rechtlich möglich wäre. Er sieht dafür durchaus Spielraum. Grundsätzlich sei es Aufgabe der pharmazeutischen Unternehmen und der Arzneimittelgroßhandlungen sicherzustellen, dass ausreichend Arzneimittel für die Patienten in Deutschland zur Verfügung stehen, erklärt der Anwalt unter Verweis auf § 52b Arzneimittelgesetz. Stelle der Gesetzgeber aber fest, dass diese Aufgabe nicht mehr gewährleistet ist, könne er durch entsprechende Maßnahmen, sowohl auf Ebene der pharmazeutischen Großhändler als auch der Apotheken, Vorgaben machen, wer Arzneimittel bekommt und wer nicht.

So könne er für den Großhandel in Zeiten der Pandemie derartige Vorgaben in der Arzneimittel-Handelsverordnung verankern. Für Apotheken könne die Apothekenbetriebsordnung dahingehend ergänzt werden, dass während einer Pandemie bestimmte Arzneimittel nicht im Wege des Versandhandels vertrieben werden können – so wie dies jetzt bereits für bestimmte Arzneimittel in § 17 Abs. 2b ApBetrO vorgesehen ist. Die bestehenden Ermächtigungsgrundlagen im Arzneimittel- und im Apothekengesetz (§ 54 AMG, § 24 ApoG) für diese würden ohne weiteres die Ergänzung der jeweiligen Verordnungen ermöglichen, meint Douglas.

Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Versandapotheken nur teilweise versorgen können. Hier hebt Douglas auf die von der AKNR angesprochene Heimversorgung hervor: „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers sicherzustellen, dass gerade für diese Patienten ausreichend Medikamente zur Verfügung stehen und es nicht zu Fehlallokationen kommt, wenn diese überhaupt nicht kurzfristig verfügbar sind.“ Zudem könnten Versandapotheken mittelfristig, da sie auf externe Logistiker angewiesen sind, die Einhaltung der Lieferfristen nicht mehr gewährleisten.

Douglas: EU-Versender können „ohne weiteres“ ausgeschlossen werden

Der Anwalt ist überzeugt, dass im Ausland ansässige Versandapotheken „rechtlich ohne weiteres von der Belieferung ausgeschlossen“ werden können. Denn sie seien nicht Teil des Systems, dem die bedarfsgerechte Belieferung obliegt. Auch der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 19. Oktober 2016 bereits festgestellt, dass diese aufgrund ihres eingeschränkten Leistungsangebots keine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherstellen könnten. Zudem bestehe für die deutschen Behörden keine Möglichkeit, bei ausländischen Versandapotheken zu überprüfen, ob verfügbare Arzneimittel tatsächlich auch bedarfsgerecht eingesetzt werden. Da in Deutschland der Versandhandel jeweils aus einer Präsenzapotheke heraus erfolge, die der Überwachung durch die zuständige Behörde obliege, könnte demgegenüber dort noch geprüft werden, ob Arzneimittel zurückgehalten werden oder nicht.

Nicht zuletzt weist Douglas auf die neuen Möglichkeiten des BfArM hin, die das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz mit sich bringen soll. Dieses ist zwar noch nicht in Kraft getreten. Doch es wird der Bundesbehörde ermöglichen, im Fall eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses eines Arzneimittels, geeignete Maßnahmen zu dessen Abwendung oder Abmilderung zu ergreifen – insbesondere wird sie Anordnungen gegenüber pharmazeutischen Unternehmern und Arzneimittelgroßhandlungen ergreifen können. In diesem Rahmen, so Douglas, werde das BfArM beispielsweise auch anordnen können, dass der Großhandel an bestimmte Apotheken nicht liefern darf und andere Apotheken bevorzugt beliefert werden.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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