Telefongespräch

Bundespräsident bedankt sich persönlich bei Apothekerin

Berlin - 27.03.2020, 11:30 Uhr

Die Apothekerin Naciye Arslanoglu hat sich in der vergangenen Woche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgetauscht. Im Interview mit DAZ.online berichtet sie über das Telefonat. (m / Foto: privat)

Die Apothekerin Naciye Arslanoglu hat sich in der vergangenen Woche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgetauscht. Im Interview mit DAZ.online berichtet sie über das Telefonat. (m / Foto: privat)


Arslanoglu: Die Reaktion der Kunden ist sehr unterschiedlich

DAZ.online: Hat sich denn die Engpass-Situation seit der Coronakrise aus Ihrer Sicht nochmals verschärft?

Arslanoglu: Ja auf jeden Fall, jetzt kommt dann auch noch der Engpass mit Paracetamol und anderen Medikamenten, die verstärkt nachgefragt werden hinzu. Ich habe dem Bundespräsidenten erklärt, dass ich eine solche Situation in 30 Jahren als Apothekerin noch nie erlebt habe. Sie belastet nicht nur die Kunden, sondern auch uns in der Apotheke, weil wir zum einen um die Gesundheit unserer Angehörigen und Mitarbeiter besorgt sind und zum anderen eine weit erhöhte Belastung haben, die fehlenden Arzneimittel zu bestellen, nach Ersatz zu gucken und nach Desinfektionsmitteln, Mundschutz und weiterer Schutzausrüstung zu suchen.

DAZ.online: Wurde denn auch über mögliche, konkrete Auswege aus der Engpass-Krise gesprochen?

Arslanoglu: Der Bundespräsident hat mich gefragt, was aus meiner Sicht am System geändert werden könnte und sollte. Für mich sind da die Rabattverträge ein wesentlicher Punkt. Aus meiner Sicht müssen wir bei der Abgabe einfach mehr Flexibilität bekommen. Die Suche nach den unterschiedlichen Rabattarzneimitteln für die jeweiligen Krankenkassen raubt uns sehr viel Zeit, die wir viel sinnvoller für die Beratung der Kunden einsetzen könnten. Außerdem hat der Bundespräsident erklärt, dass es wohl in der Bundesregierung schon Überlegungen dazu gebe, wie man die Hersteller, beispielsweise durch Subventionen, wieder zurück nach Deutschland und Europa holen könnte.

DAZ.online: Wie erleben Sie denn derzeit den Apothekenalltag in der Coronakrise? Und haben Sie Herrn Steinmeier auch davon berichtet?

Arslanoglu: Ja, sehr ausführlich. Der Bundespräsident hat sich sehr für die aktuelle Situation bei uns in der Apotheke interessiert. Er wollte wissen, wie sich die Kunden verhalten und wie wir uns vor Infektionen schützen, damit wir weiter versorgen können. Ich habe ihm berichtet, dass das Spektrum der Reaktionen der Kunden sehr breit ist: Wir haben verängstigte Kunden, aber auch Patienten ohne Verständnis, die anfänglich unsere Schutzmaßnahmen belächelt haben. Einige haben uns aber auch Komplimente ausgesprochen und sich sehr bei uns bedankt.

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DAZ.online: Haben Sie denn Ihre Apotheke umgebaut?

Arslanoglu: Ja, haben wir natürlich. Bei unseren Umbaumaßnahmen haben wir uns zum Teil an den Empfehlungen der italienischen Kollegen orientiert. Wir haben Spuckaufsätze aus Plexiglas aufgebaut. Außerdem haben wir ein System entwickelt, wie wir den Kundenverkehr schon vor der Apotheke so leiten, dass die Kunden immer nach und nach in die Offizin eintreten und in einer Art Kreisverkehr wieder die Apotheke verlassen. Auf dem Boden vor und in der Apotheke sind dafür Markierungen angebracht. Wir haben auch laienhaft ein Video mit unseren Schutzmaßnahmen gedreht und dieses auf unsere Facebook-Seite gestellt, damit unsere Kunden informiert sind. Um unsere alten und chronisch kranken Kunden besonders zu schützen, haben wir unsere Botendienste massiv ausgeweitet. Zudem haben wir unser Team aufgeteilt in zwei Einsatzgruppen, die jeweils  getrennt voneinander in einem Zweitage-Rhythmus arbeiten.

DAZ.online: Was könnte denn der Bundespräsident aus Ihrer Sicht aus Ihrem Gespräch mitgenommen haben?

Arslanoglu: Mit Sicherheit konnte er sich ein Bild machen, über unsere Probleme und welche wichtige Rolle wir als Vor-Ort-Apotheke haben, nicht nur in solch einer Katastrophe. Wir haben auch über weitere Tätigkeiten gesprochen, die uns derzeit in der Krise beschäftigen. Der Bundespräsident war beispielsweise überrascht, dass wir als Apotheken auch Arztpraxen beliefern, derzeit insbesondere mit Desinfektionsmitteln, Einmal-Handschuhen oder Atemschutzmasken, natürlich sofern auch wir etwas bekommen.

Zum Schluss möchte ich noch mitteilen, dass ich natürlich sehr angetan davon bin, dass der Bundespräsident sich für unsere Belange interessiert und ein Ohr so nah am Volk hat. Er hat auch bei anderen Berufsgruppen angerufen, die bei dieser Katastrophe stark belastet sind und meinte, dass wir alle Helden dieser Zeit sind.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Steinmeier/Nagold

von Alexander Zeitler am 01.04.2020 um 4:26 Uhr

Sehr geehrte Kollegin,
erst mal Danke,dass Sie dieses Thema angesprochen haben.
Das gehört alles per Gesetz wieder zurück nach Deutschland .
Unsere Abhängigkeit von chin. Kraken und ind.Wellblechhütten muss sofort beendet werden.Ob Schutzkleidung oder lebenswichtige Mediikkamente, die ursprünglich aus der "Apotheke der Welt" kamen.
Damit muss endlich Schluss sein. Ich habe jahrelang mit dem Problem der Nichtverfügbarkeit gekämpft.
Und die Ursache für alles? Die Rabattverträge. Im Moment sieht man, in D gibt es Geld ohne Ende.
Wer hat die Rabattverträge erfunden?
Diese Leute gehören endlich vor Gericht

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Respekt, dass wir auch einmal erwähnt werden

von Andreas Grünebaum am 27.03.2020 um 20:07 Uhr

Endlich werden auch wir als Apotheker für unseren Beitrag zumindest gewürdigt. Leider sind wir in den meisten Krisenszenarien im Gegensatz zu Ärzten, Pflegeberufen und Lebensmitteleinzelhandel noch nicht einmal erwähnt. Ganz, als ob sämtliche Patienten und Kunden auch schön heute chronisch wie akut ganz einfach online versorgt werden könnten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Krisenzentren der Kreise ....

von Gunnar Müller, Detmold am 29.03.2020 um 8:20 Uhr

....und Apotheker?
Habe unsere Kammer in Westfalen-Lippe jüngst darauf aufmerksam, dass da möglicherweise Defizite bestehen....


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