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Was Vor-Ort-Apotheken in diesen Zeiten leisten, ist endlich in Politik und Medien angekommen. Apothekerinnen und Apotheker sind Heldinnen und Helden der Krise, heißt es. Sie halten unermüdlich die Arzneiversorgung aufrecht und stellen Händedesinfektionsmittel her, so viel sie können. Der Dank sollte nicht bei den Worten aufhören. Wie sagt Spahn so schön: Bürokratie wegnehmen, Regeln anpassen, Vergütungen erhöhen. Genau! Immerhin werden Erleichterungen für den Apothekenalltag diskutiert. Eine Kasse zahlt schon eine (Mini-)Vergütung für die Botendienste und CDU-Gesundheitspolitiker fordern eine Steuerbefreiung für Sonderzahlungen der Apotheke an ihre Mitarbeiter, wenn sie denn fließen. Da sollte doch was möglich sein.
23. März 2020
So manches könnte während einer Epidemie im Gesundheitswesen einfacher sein, wenn wir mit der Digitalisierung schon weiter wären. Hätten wir schon die elektronische Patientenakte, könnte ein Notfallmediziner sofort Auskunft darüber erhalten, welche Vorerkrankungen ein Patient hat. Es wäre einfacher, unsere Patienten auch schon mal per Video pharmazeutisch zu beraten. Und hätten wir schon das E-Rezept, würde dies die kontaktlose Rezeptübermittlung ermöglichen. Mein liebes Tagebuch, viel Hätte, Würde und Könnte. Jetzt müssen wir in der Krise erst einmal improvisieren und andere Lösungen suchen. Eine dieser Lösungen: In einigen Bundesländern können sich Patienten ihre benötigten Rezepte direkt von der Arztpraxis an die Apotheke ihrer Wahl schicken lassen. Ein Anruf des Patienten bei der Arztpraxis genügt. Die Praxis faxt das Rezept (mein liebes Tagebuch, gut, dass es das alte Fax noch gibt!) oder schickt es per Mail dann an die Apotheke. Praxis und Apotheke klären individuell, wie das Rezept zur Abrechnung in die Apotheke kommt. Und der Patient holt seine Arzneimittel in der Apotheke ab, lässt sie dort abholen oder bittet die Apotheke, sie ihm per Boten zu schicken. In einigen Bundesländern ist dieser Weg der Rezeptübermittlung offiziell genehmigt, z. B. im Saarland, in Hamburg, in Schleswig-Holstein. Gut möglich, dass weitere Bundesländer folgen. Immerhin, ein kleiner Ersatz fürs E-Rezept.
Und wie sieht’s mit der pharmazeutischen Beratung aus? Klar, telefonisch geht immer. Persönlicher wäre sie, wenn sie per Video stattfinden könnte. Auch das ist möglich! apotheken.de bietet seinen Kunden an, ein Videoberatungstool kostenlos auf der Apotheken-Website einzubauen. Auch das IT-Haus CGM Lauer stellt sein Videoberatungstool „ClickDoc“ für Apotheken jetzt kostenlos zur Verfügung. Per pharmazeutischer Videoberatung gibt’s keine Ansteckungsgefahr weder für Patienten noch fürs Apothekenpersonal.
Dass Deutschland mit der Telemedizin nicht weiter ist, bedauert auch der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler. Nach seiner Auffassung könnte sie teilweise die Abklärung von Patienten mit Atemnot und erforderliche Krankenhauseinweisungen erleichtern. Mein liebes Tagebuch, ich bin mir sicher: Wenn wir die Corona-Krise überwunden haben, wird die Telemedizin einen Schub bekommen.
Die Bundesregierung kündigte in dieser Woche an, einige Regelungen in der Versorgung flexibilisieren zu wollen. Es gehe darum, für Heilberufler bürokratische Lasten zu reduzieren und auch Vergütungen zu erhöhen. Spahn sagte: „Wir können künftig in einer Lage wie dieser binnen Stunden für Ärzte, Pflegekräfte, Apotheker und alle anderen, die weit über das normale Maß anpacken, Bürokratie wegnehmen, Regeln anpassen, Vergütungen erhöhen.“ Mein liebes Tagebuch, klingt gut, aber das sollte rasch geschehen. Und was sagt unsere ABDA dazu? ABDA-Präsident Schmidt zieht einen Forderungskatalog aus der Tasche. Was er da fordert, ist richtig und dringend, z. B. sollten die Rabattverträge „schnellstens und bundesweit“ ausgesetzt werden von allen Kassen und für alle Versicherten. Denn es gehe darum, Kundenbesuche in den Apotheken zu reduzieren. Schmidt möchte auch mehr „Beinfreiheit“, es müsse möglich sein, von Vorschriften für Packungsgrößen und Wirkstoffdosierung abweichen zu können. Eine direktere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern müsse zudem ermöglicht werde (z. B. Rezepte direkt an die Apotheke weiterzugeben). Für die „massenhaft“ ausgeführten Botendienste sollten die Kassen die Kosten übernehmen. Ja, mein liebes Tagebuch, das ist doch mal eine konkrete Ansage. Was hier wohl die meisten Apotheken leisten, geht ans Limit – eine Vergütung für Botendienste ist da mehr als notwendig. Schmidt greift zudem ein Problem auf, das von vielen Apotheken diskutiert wird: Man muss davon ausgehen, dass sich auch immer mehr Apotheker und Apothekenmitarbeiter infizieren. Die Forderung der ABDA: „Derzeit gelten strenge rechtliche Auflagen, was die Personalstärke in einer Apotheke angeht. Die kann keiner mehr aufrechterhalten. Da muss eine Übergangsregelung für die Krise her.“ Unbedingt, mein liebes Tagebuch, wenn eine Apotheke mit weniger Personal weiterbetrieben werden kann, ist dies allemal besser als wenn sie schließen müsste. Was Schmidt zudem möchte, ist eine Versorgung durch die Notdienstklappe, eine Notverordnung, in der die Pflicht des offenen Verkaufsraums aufgehoben wird. Hhmm, mein liebes Tagebuch, da habe ich allerdings ein bisschen gezuckt. Ich verstehe zwar das Ansinnen, aber beim Kontakt durch die Notdienstklappe ist das Apothekenpersonal doch unmittelbar dem Atemstrom des Kunden ausgesetzt. Ohne Schutzmaske geht das doch gar nicht.
Recht hat er, der Chef des deutschen Apothekerverbands, Fritz Becker. Es sei eine Frechheit, wenn sich ausgerechnet jetzt der störanfällige Arzneiversandhandel als Lösung in der Krise darstelle. Becker wörtlich: „Welcher Versender macht Nacht- und Notdienst und stellt Desinfektionsmittel her? Welcher Versender versorgt jeden Patienten mit viel Aufwand individuell in Zeiten von Lieferengpässen? Wer die schwierigen Aufgaben ohnehin den Apotheken vor Ort überlässt, ist wirklich nicht in der Position, noch weitere Privilegien einzufordern.“ Zuvor hatte der Verband der deutschen Versandapotheken herumgetönt und gefordert, Arzneimittellieferungen durch die Logistikunternehmen und Paketdienste von der pharmazeutischen Industrie zur Apotheke und von der Apotheke zum Patienten beziehungsweise Kunden zu priorisieren. Im Klartext sollte das wohl heißen: Beliefert erst mal die Versender und dann die Vor-Ort-Apotheken und räumt den Arzneipäckchen der Versender oberste Priorität ein. Nein, mein liebes Tagebuch, alles was Recht ist, so geht’s nicht. Becker kritisiert das Verhalten der Arzneimittelversender als „ebenso unsensibel wie zynisch“. Und ich füge hinzu: Auf die Arzneipäckchenschickerei könnten wir in Krisenzeiten verzichten, aber niemals auf die Apotheke vor Ort.
34 Kommentare
Was "hamstern" wir denn heute ...
von Christian Timme am 29.03.2020 um 19:14 Uhr
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Der Untertan und die Chance seines Lebens
von Bernd Jas am 29.03.2020 um 18:44 Uhr
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In diesen unruhigen Zeiten ...
von Gunnar Müller, Detmold am 29.03.2020 um 17:56 Uhr
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Einige von Euch sollten sich schämen!
von Michael Reinhold am 29.03.2020 um 17:50 Uhr
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AW: Einige von Euch sollten sich schämen
von Conny am 29.03.2020 um 18:30 Uhr
AW: Einige von Euch sollten sich schämen
von Bernd Jas am 29.03.2020 um 20:00 Uhr
AW: Einige von Euch sollten sich schämen
von Michael Reinhold am 29.03.2020 um 21:15 Uhr
Erbärmlich
von Reinhard Rodiger am 29.03.2020 um 16:37 Uhr
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AW: Erbärmlich
von Barbara Buschow am 29.03.2020 um 17:26 Uhr
Ich habe MITarbeiterinnen, keine Angestellte oder Personal
von Barbara Buschow am 29.03.2020 um 15:27 Uhr
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Paracetamol AMVV
von K. Stülcken am 29.03.2020 um 14:47 Uhr
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AW: Paracetamol AMVV ....
von Gunnar Müller, Detmold am 29.03.2020 um 17:22 Uhr
Psyche
von Karl Friedrich Müller am 29.03.2020 um 12:41 Uhr
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AW: Psyche ... wenn Medien und Politik ... sich zufällig ergänzen ...
von Christian Timme am 29.03.2020 um 14:05 Uhr
Paracetamol
von K. Stülcken am 29.03.2020 um 11:41 Uhr
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AW: Sorry, aber gem. Anlage zur AMVV ...
von Gunnar Müller, Detmold am 29.03.2020 um 13:49 Uhr
AW: Paracetamol
von Maximilian Baur am 29.03.2020 um 14:19 Uhr
AW: Wortlaut der Rechtsnorm
von Andreas P. Schenkel am 29.03.2020 um 21:48 Uhr
Rabattverträge
von MQ Chef am 29.03.2020 um 10:54 Uhr
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Notdienstklappe
von Conny am 29.03.2020 um 10:26 Uhr
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AW: Notdienstklappe
von Karl Friedrich Müller am 29.03.2020 um 10:45 Uhr
Erwartungen
von Karl Friedrich Müller am 29.03.2020 um 10:06 Uhr
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AW: Erwartungen
von Kleiner Apotheker am 30.03.2020 um 9:00 Uhr
Leistung muß belohnt werden.
von Ulrich Ströh am 29.03.2020 um 9:05 Uhr
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AW: Leistung muß belohnt werden
von Christiane Patzelt am 29.03.2020 um 11:36 Uhr
AW: Sonderzahliúngen
von Uwe Hüsgen am 29.03.2020 um 14:30 Uhr
AW: Leistung muß belohnt werden
von Anita Peter am 29.03.2020 um 15:10 Uhr
AW: Dresche
von Wolfgang Müller am 29.03.2020 um 15:12 Uhr
AW: Leistung muß belohnt werden STEUERFREI ab morgen...
von Ulrich Ströh am 29.03.2020 um 17:29 Uhr
AW: ...
von Wolfgang Müller am 29.03.2020 um 19:28 Uhr
AW: Leistung muß belohnt werden
von Christiane Patzelt am 29.03.2020 um 23:38 Uhr
Versender
von Anita Peter am 29.03.2020 um 8:18 Uhr
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?
von Anita Peter am 29.03.2020 um 8:11 Uhr
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