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Gentherapie bei Spinaler Muskelatrophie
Zolgensma in der EU zur Zulassung empfohlen
Der Humanarzneimittelausschuss der EMA empfiehlt, Zolgensma auch in der EU zuzulassen. Das Gentherapeutikum zur Behandlung schwerer Formen der Spinalen Muskelatrophie gilt mit etwa zwei Millionen Dollar Therapiekosten als bislang teuerstes Arzneimittel. Onasemnogen abeparvovec sollen Säuglinge und Kleinkinder mit schweren Formen der Spinalen Muskelatrophie, wie SMA Typ 1 oder maximal drei Kopien des SMN2-Gens, erhalten. In den USA darf Novartis Zolgensma bereits seit Mai 2019 vermarkten.
Nachdem Zolgensma® (Onasemnogene abeparvovec-xioi) bereits im Mai 2019 von der FDA in den Vereinigten Staaten zugelassen wurde, zieht die EU nun nach: Der bei der EMA für Humanarzneimittel zuständige Ausschuss – CHMP, Committee for Medicinal Products for Human Use – sprach sich am 26. März 2020 für eine Zulassung des Gentherapeutikums in der Europäischen Union aus. Folgt die Europäische Kommission der Empfehlung des CHMP, darf Avexis, eine Novartis-Tochter, Zolgensma® künftig auch in der EU bei Babys und Kleinkindern mit Spinaler Muskelatrophie eingesetzt werden (SMA). Novartis erwartet die Zulassung bis Juni 2020. Die vollständige Indikation laut EMA lautet:
„Zolgensma® ist angezeigt zur Behandlung von
- Patienten mit 5q-Spinaler Muskelatrophie (SMA) mit einer biallelischen (beide Allele betreffend) Mutation im SMN1-Gen und einer
klinische Diagnose von SMA Typ 1, oder - Patienten mit 5q SMA mit einer biallelischen (beide Allele betreffend) Mutation im SMN1-Gen und bis zu 3 Kopien des SMN2-Gen.“
In den USA ist die Indikation weniger präzise: Zolgensma® darf zur Behandlung von Kindern unter zwei Jahren mit Spinale Muskelatrophie (SMA) eingesetzt werden.
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Datenmanipulation und Härtefallprogramm
Jüngst machte Novartis mit Zolgensma® weniger positive Schlagzeilen: Es gab wohl Unsauberkeiten bei der Zulassung in den USA.
Diskutiert wurde auch, ob die zögerliche Reaktion der EMA auf diese Datenmanipulationen zurückzuführen ist. Jedoch zeigte Avexis dann am 24. Januar 2020 beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ein Härtefallprogramm für Onasemnogene-Abeparvovec-xioi an, um SMA-Patienten bis zur Zulassung von Zolgensma® die neuartige Behandlung zu ermöglichen. Das Härtefallprogramm endet mit der Zulassung.
Zolgensma repariert Gendefekt bei Spinaler Muskelatrophie
Kinder mit Spinaler Muskelatrophie leiden an einem Gendefekt beim Gen SMN1 (Mutation des Chromosoms 5q im SMN1-Gen), das für ein bestimmtes Protein, das Survival Motoneuron (SMN), codiert. Auf physiologischer Ebene kommt es dadurch bei SMA-Patienten zur Zerstörung von Motoneuronen im Vorderhorn des Rückenmarks. In der Folge kann der sensorische Impuls, der das Rückenmark über das Hinterhorn erreicht, nicht auf die motorischen Vorderhornzellen übertragen werden – die Muskulatur wird nicht aktiviert und atrophiert zunehmend, was Atmung, Schlucken und Grundbewegung, beeinträchtigt.
„Back-up“-Gen SMN2
Es gibt allerdings ein zweites Gen, SMN2, das in der Nähe von SMN1 lokalisiert ist und ebenfalls für die Produktion geringer Mengen an Survival Motoneuron verantwortlich ist. Die Funktionsfähigkeit dieses Gens und die Anzahl an SMN2-Gen-Kopien bedingen unter anderem, wie schwer die Erkrankung verläuft – je mehr Output, desto mehr Survival Motoneuron, desto langsamer das Fortschreiten der SMA. Das spiegelt sich unter anderem auch in der geplanten EU-Zulassung von Zolgensma® wider: Neben SMA-Typ -1-Kindern dürfen nur Kinder mit maximal drei Kopien des SMN2-Gens Zolgensma® erhalten. SMA Typ 1 (akut infantile SMA) ist die schwerste Form der Spinalen Muskelatrophie, die Kinder sterben meist innerhalb ihrer ersten beiden Lebensjahre. In Europa kommen jährlich 550 bis 600 Babys mit Spinaler Muskelatrophie zur Welt.
Wie wirkt Zolgensma?
Zolgensma® wird als einmalige intravenöse Infusion verabreicht. Es liefert eine voll funktionsfähige Kopie des menschlichen SMN-Gens, sodass die Patienten ausreichend Survival Motoneuron bilden können und das Fortschreiten der Erkrankung und ein weiterer Verlust der Motoneurone aufgehalten werden. Wichtig: Bereits zerstörte Motoneurone werden nicht wieder repariert. Das Gen wird mittels Virusvektor in die Zellen geschleust.
Muskelerkrankung
Spinale Muskelatrophie
Da SMA eine fortschreitende Erkrankung ist und der Verlust von Motoneuronen nicht rückgängig gemacht werden kann, ergibt eine frühestmögliche Behandlung der Kinder Sinn, um die Progression der SMA so früh wie möglich aufzuhalten. Besonders kritisch sind Kinder mit der schwersten Form der Spinalen Muskelatrophie, wenn die Motoneurone bereits vor der Geburt degenerieren.
Ohne Unterstützung sitzen
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Zolgensma® wurde in mehreren Studien an Säuglingen untersucht (abgeschlossene Studien Phase 3 STR1VE-US und Phase 1 START der Phase 1). Zolgensma® wurde einmalig i.v. an symptomatischen SMA-Typ-1-Patienten verabreicht, die Babys waren unter sechs Monate alt und hatten laut Zolgensma®-Homepage zu klinischen Studien zwei Kopien des SMN2-Backup-Gens. Zolgensma® zeigte laut Novartis ein verlängertes ereignisfreies Überleben und eine rasche Verbesserung der motorischen Funktion. Als Meilenstein gilt unter anderem, die Fähigkeit der Kinder, ohne Unterstützung zu sitzen. STR1VE-EU, eine vergleichbare Phase-3-Studie, ist im Gange.
Zolgensma schon in den USA und Japan
Bislang gibt es Zolgensma® regulär nur in den Vereinigten Staaten und in Japan. Die amerikanische Arzneimittelbehörder FDA (Food and Drug Administration) erteilte dem Gentherapeutikum bereits im Mai 2019 die Zulassung. In den USA darf Zolgensma® seither zur Behandlung von Kindern unter zwei Jahren mit Spinaler Muskelatrophie (SMA) eingesetzt werden. Die Zulassung in Japan hingegen ist ganz frisch und erst wenige Tage alt: Am 19. März 2020 wurde Zolgensma® vom japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt (MHLW) zugelassen, und zwar für die Behandlung von Kindern unter zwei Jahren mit SMA, einschließlich derjenigen, die bei der Diagnose noch keine Symptome zeigen, also präsymptomatisch sind. Avexis strebt derzeit weitere Zolgensma®-Zulassungen an, wobei in der Schweiz, Kanada und Australien Entscheidungen der Behörden bis Ende 2020 oder Anfang 2021 erwartet werden.
Zwei Millionen US-Dollar
Wie nach Zulassung von Zolgensma® die Erstattung geregelt wird, ist derzeit nicht klar. In den USA liegen die Behandlungskosten für die einmalige Verabreichung bei zwei Millionen Dollar. Novartis hat jedoch einer Mitteilung zufolge ein „Day One"-Zugangsprogramm konzipiert, das sicherstellen soll, dass Patienten so schnell wie möglich mit Zolgensma® behandelt werden können, auch wenn nationale Preis- und Erstattungsvereinbarungen noch nicht abgeschlossen sind.
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von Gabriele Freiberg am 26.04.2020 um 10:34 Uhr
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