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Erleichterungen bei BtM-Regeln wegen COVID-19
BMG will Sichtbezug per Botendienst ermöglichen
Im Zuge der Coronapandemie wurde bereits so manche Erleichterung für die Apotheken beschlossen. So dürfen beispielsweise Apotheken derzeit Desinfektionsmittel, die sonst unter die Biozidverordnung fallen, herstellen und auch bei den Rabattverträgen gibt es Anpassungen. Darüber hinaus sollen nun auch die Vorschriften für den Sichtbezug teilweise gelockert werden, wie aus dem aktuellen Referentenentwurf einer Eilverordnung des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Außerdem sollen Apotheken BtM in dringenden Fällen an andere Apotheken abgeben dürfen – ohne die sonst erforderliche Erlaubnis.
Der Referentenentwurf der SARS-CoV-2-Arzneimittlversorgungsverordnung hat es für die Apotheken in sich. Neben einem Botendiensthonorar und weitreichenden Lockerungen des Rahmenvertrags, die weit über das bislang mit den Kassen vereinbarte hinausgehen, enthält er unter anderem eine ganze Reihe von Ausnahmen, die die Abgabe von Betäubungsmitteln – insbesondere beim Sichtbezug – während der Coronakrise erleichtern sollen. Auch diese Maßnahmen zielen darauf ab, zur Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung das Infektionsrisiko durch reduzierte Apotheken- und Arztkontakte zu verringern. Grundlage der Eilverordnung ist das Bevölkerungsschutz-Gesetz. Nachdem der Bundestag am 25. März eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hatte, kann das Bundesgesundheitsministerium eine Reihe von Maßnahmen ergreifen – unter anderem um die Versorgung mit Betäubungsmitteln zu sichern.
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Patientenkontakt beim Sichtbezug soll reduziert werden
Konkret schlägt das BMG zur „Sicherstellung der Substitutionsbehandlung von opioidabhängigen Patienten“, die ihre Arzneimittel im Sichtbezug („zum unmittelbaren Verbrauch“) erhalten, folgende Anpassungen der BtMVV vor: So sollen demnach suchtmedizinisch nicht qualifizierter Ärzte ausnahmsweise auch mehr als zehn Patienten mit Substitutionsmitteln behandeln dürfen und das auch ohne zeitliche Beschränkung – aktuell ist das auf diese Anzahl und einen Zeitraum von vier Wochen am Stück beziehungsweise zwölf Wochen im Jahr limitiert. Dadurch solle unter anderem Rückfällen sowie einer Zunahme der Beschaffungskriminalität und damit verbundenem ilegalem Konsum entgegengewirkt werden, heißt es in der Begründung, wenn die Versorgung von Substitutionspatienten durch die üblicherweise versorgende Praxen oder Ambulanzen infolge der Coronakrise nicht mehr bedarfsgerecht möglich sein sollte. Außerdem soll es ausnahmsweise möglich sein, Substitutionsmittel, die eigentlich „zum unmittelbaren Verbrauch“ bestimmt sind, für bis zu sieben Tage zu verschreiben. Normalerweise geht das bei Patienten mit Sichtbezug nur für zwei Tage beziehungsweise übers Wochenende und für dem Wochenende vorangehende oder folgende Feiertage, höchstens jedoch für fünf Tage. Auf diese Weise sollen Sozialkontakte bei der Substitutionstherapie, soweit möglich und substitutionsärztlich vertretbar, reduziert werden, so die Begründung. Auch soll die Limitierung auf eine Verschreibung pro Woche bei eigenverantwortlicher Einnahme der Sichtbezug-Patienten aufgehoben werden. Als weitere Maßnahme, um soziale Kontakte in der Substitutionstherapie zu reduzieren, schlägt das BMG vor, dass Substitutionsverschreibungen auch ohne persönliche ärztliche Konsultation per Post oder durch Boten ausgehändigt werden dürfen, entweder an den Patienten selbst oder an eine von ihm bestimmte Apotheke.
Auch bei der Substitution Notfallverschreibungen möglich
Zudem sollen die Vorgaben zum Personal und den Räumlichkeiten beim Sichtbezug gelockert werden. Somit soll er auch von Personen und in Räumlichkeiten, die nicht die Voraussetzungen der BtMVV erfüllen, durchgeführt werden können, um die Versorgung gegebenenfalls zu sichern. Darüber hinaus möchte das BMG die Möglichkeit schaffen, dass Substitutionspatienten durch den Botendienst der Apotheke zu Hause mit ihren benötigten Arzneimitteln versorgt werden können. Die Gesamtverantwortung für die Substitutionstherapie verbleibe aber unverändert beim Substitutionsarzt, heißt es. Außerdem weist das BMG bei jedem Punkt darauf hin, dass die jeweilige Erleichterung eine angemessene, ärztlich abgewogene Entscheidungsfindung voraussetzt.
Zwei weitere Maßnahmen betreffen die Verordnung selbst: So sollen im Rahmen der Ausnahmeregeln auch bei der Substitutionsbehandlung Notfallverschreibungen möglich sein, analog zu anderen BtM-Verordnungen. Außerdem sollen BtM-Verordnungen grundsätzlich auch auf „fremden“ Rezepten möglich sein, also von einem anderen Arzt als dem, der sie bei der Bundesopiumstelle angefordert hat. Regulär geht das nur Im Vertretungsfall.
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Neben diesen zahlreichen Ausnahmen der BtMVV, plant das BMG auch im BtMG selbst eine Anpassung. So sollen Apotheken und Krankenhausapotheken in dringenden Fällen sich untereinander mit Betäubungsmitteln versorgen dürfen, und zwar ohne die sonst dafür erforderlichen Genehmigungen. Damit will man einem möglichen höheren Bedarf an Betäubungsmitteln zur sogenannten Analogsedierung im Rahmen der Beatmung von COVID-19-Patienten Rechnung tragen. Die Vorschriften zur Dokumentation, insbesondere die des Abgabebelegverfahrens, müssen aber trotzdem eingehalten werden. Die erachtet das BMG für nicht verzichtbar – auch im Hinblick auf die Erfahrungen aus der Opioidkrise in den USA.
Die Verbände sind nun gehalten, bis heute Mittag Stellungnahmen abzugeben. Da die Verordnung nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf, kann Spahn sie sehr kurzfristig in Kraft treten lassen. Gelten sollen Regelungen der neuen Verordnung laut Entwurf so lange, bis der Bundestag die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufhebt, längstens aber bis zum 31. März 2021.
1 Kommentar
Sichtbezug als Ansatz einer auf gegenseitiges Vertrauen aufbauenden Informationstrategie des BMG ...
von Christian Timme am 07.04.2020 um 9:39 Uhr
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