BVerwG-Urteil zur Lokalen Rezeptsammlung

BLAK: Rezeptsammelstellen haben weiterhin ihre Berechtigung

Berlin - 28.04.2020, 16:15 Uhr

Klaus Laskowski, Justitiar der Bayerischen Landesapothekerkammer, findet das Leipziger Urteil zu Rezeptsammlungen im Supermarkt „rechtlich nachvollziehbar“ – ein „Erfolg für die Vor-Ort-Apotheke“ sieht für ihn aber anders aus. (Foto: Schelbert) 

Klaus Laskowski, Justitiar der Bayerischen Landesapothekerkammer, findet das Leipziger Urteil zu Rezeptsammlungen im Supermarkt „rechtlich nachvollziehbar“ – ein „Erfolg für die Vor-Ort-Apotheke“ sieht für ihn aber anders aus. (Foto: Schelbert) 


Eine in einem Supermarkt installierte Sammelbox für Rezepte und OTC-Bestellungen, die per Botendienst von einer Apotheke in der Nachbarschaft bedient werden, ist nach einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von einer Versandhandelserlaubnis umfasst. Ist nun ein Wildwuchs solcher „Pseudo-Rezeptsammelstellen“ zu befürchten? Jedenfalls in Bayern hat man diese Sorge nicht. Die dortige Landesapothekerkammer hat derartige Modelle schon seit 2008 als Unterfall des Versandes gesehen und nur in speziellen Fällen beanstandet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat vergangenen Donnerstag entschieden: Der Versandhandel mit Arzneimitteln umfasst auch das Einsammeln von Rezepten und Botenauslieferungen im Einzugsbereich der Präsenzapotheke. Damit ist ein langjähriger Rechtsstreit zwischen der Inhaberin der Pinguin-Apotheke im westfälischen Herne und der Stadt Herne zu Ende gegangen. In den ersten beiden Instanzen, war die Klage der Apothekerin gegen ihre Aufsichtsbehörde noch abgewiesen worden: Hier nahm man ebenso wie die Stadt an, dass die von der Pharmazeutin in einem Edeka-Markt installierte Einrichtung, die die Bestellung von Arzneimittel in der Pinguin-Apotheke ermöglicht, als unzulässige Rezeptsammelstelle zu betrachten ist. Denn für diese gab es keine Genehmigung – und selbst wenn die Klägerin, eine solche beantragt hätte, wäre ihr keine erteilt worden, weil die Voraussetzungen des § 24 Apothekenbetriebsordnung nicht erfüllt sind.

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Nun gibt es also ein höchstrichterliches Urteil, das der Apothekerin Recht gibt. Es wirkt über die eigentlichen Streitparteien hinaus und gilt für alle Apotheken mit Versanderlaubnis. Die schriftlichen Gründe liegen noch nicht vor. Doch Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der die Apothekerin in dem Verfahren vertreten hat, sprach schon unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung am vergangenen Donnerstag von einem Erfolg für die Apotheken vor Ort. Sie könnten nun den großen Arzneimittelversendern rechtssicher und kundennah etwas entgegensetzen. Für EU-Versender oder bundesweit agierende deutsche Versandapotheken bringe das Urteil keine Änderung, betont Douglas: Sie hätten schon seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Pick-up-Stellen in dm-Drogeriemärkten von 2008 die Möglichkeit, derartige Einrichtungen zu betreiben. Und besser als das Modell Hüffenhardt sei eine lokale Lösung einer Apotheke vor Ort allemal. Douglas erklärte auch, dass sich aus seiner Sicht die Regelungen zur Rezeptsammlung überholt hätten – spätestens mit der Einführung des E-Rezepts sei § 24 Apothekenbetriebsordnung gegenstandslos.

Doch wie sieht man das Urteil in der Apothekerschaft selbst? Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe erklärte auf Nachfrage von DAZ.online: „Aus Sicht der AKWL ist das Urteil ebenso überraschend wie befremdlich. Wir haben die Urteilsbegründungen in erster und zweiter Instanz als sachgemäß und stringent empfunden. Sobald die Urteilsbegründung vorliegt, werden wir uns hierzu im Detail äußern.“

Laskowski: Rechtlich nachvollziehbar

Ein gewisses Verständnis hat man dagegen bei der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK). Für deren stellvertretenden Geschäftsführer und Justitiar Klaus Laskowski ist die Leipziger Entscheidung rechtlich nachvollziehbar: „Sie bestätigt den seit dem dm-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts so in Bayern praktizierten Vollzug von § 24 ApBetrO seitens der BLAK als hierfür zuständiger Stelle“. Als großen „Erfolg“ für die Apotheke vor Ort will die Kammer das Urteil jedoch nicht bezeichnen – denn so werde primär die vorangehende dm-Entscheidung bestätigt, wonach Arzneimittel faktisch unkontrolliert in beliebigen Drogeriemärkten oder sonstigen Geschäften über Pick-up-Stellen abgegeben werden dürfen. „Verbraucherschutz sieht aus unserer Sicht einfach nach wie vor anders aus. Solange aber solche ‚wilden‘ Abgabestellen für Versandapotheken auch aus dem europäischen Ausland aufgrund der Zulassung des Versandhandels erlaubt bleiben und das Bundesverwaltungsgericht an seiner dm-Entscheidung festhält (statt diese aufzuheben), ist die Entscheidung bei Betrachtung der Gefährdungslage absolut nachvollziehbar“, so Laskowski. Denn das Arzneimittel sei in den Händen des Apothekenpersonals deutlich besser aufgehoben, als in den Händen des Postboten oder eines Supermarkt-Mitarbeiters. „Daher müssen auch solche lokalen Botendienstkonzepte zulässig sein“

Die Auffassung von Douglas, die Vorschrift des § 24 ApBetrO zum Unterhalt von genehmigungspflichtigen Rezeptsammelstellen würde sich nun erübrigen, teilt die BLAK allerdings nicht. Hier gehe es – anders als beim Versandhandel – um eine verbindliche Versorgung der Bevölkerung in abgelegenen Gegenden, was gerade im Flächenstaat Bayern weiterhin seine Berechtigung habe. Laskowski erklärt: „In Bayern haben wir solche Pick-up-Stellen als Unterfall des erlaubnispflichtigen Versandhandels eingestuft und daher nur dann beanstandet, wenn z. B. im Bereich der Bewerbung irreführend der Eindruck einer behördlich genehmigten Rezeptsammelstelle erweckt wurde oder eine Versanderlaubnis gar nicht vorlag“. Beanstandet habe die Kammer auch solche Konzepte, die die für den Versandhandel geltenden Regeln nicht eingehalten haben oder bei einem Verordner angesiedelt waren. „Obwohl wir diese Pick-up-Stellen also im Grundsatz nicht beanstandet haben, werden nach wie vor nahezu unverändert Genehmigungen für Rezeptsammelstellen bei uns beantragt und erteilt. Der Bedarf an dieser Regelung bleibt bestehen, wie wir aus unserer Verwaltungspraxis der letzten Jahre ohne weiteres bestätigen können.“

Regulär vergüteter Botendienst wäre ein echter „Erfolg für die Apotheke vor Ort“

Als „Erfolg für die Apotheke vor Ort“ und auch den Verbraucher und Patienten würde es Laskowski eher ansehen, wenn der Botendienst nicht nur zu Zeiten von Corona honoriert wird, sondern generell, wo dies sachlich geboten ist. „Das Ganze kann gerne durch eine digitale Bestellung begleitet werden. Die unsinnige Zustellung durch Postboten, das Deponieren von Arzneimittelsendungen beim Nachbarn oder im Gartenschuppen zu verbieten, würde nach wie vor ebenso viel Sinn machen, wie ein Verbot des Pick-up-Konzeptes in Drogerien, Supermärkten oder Zeitschriftenkiosks, denn es birgt – sicher auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes – unnötige Risiken, wenn das Arzneimittel regelmäßig in die Hände von ungeschulten Laien gerät“. Doch so lange der Gesetzgeber an seiner Wertung festhalte, bleibe die Entscheidung aus Leipzig für die BLAK nachvollziehbar.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

"Bewegung" und Kommunikation nur gegen entsprechendes Honorar ... kann auch gegen die Apotheken eingesetzt werden ...

von Christian Timme am 28.04.2020 um 18:53 Uhr

Was passiert denn bitte wenn nach einem möglichen erreichen von RXVV von der GKV gegensteuernde Maßnahmen in Form von Ausgleichsforderungen umgesetzt werden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: "Bewegung" und Kommunikation

von Hartmut Wchmidt am 28.04.2020 um 19:51 Uhr

Gar nichts

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