Arzneimittelengpässe durch COVID-19

UKE will Arzneimittel für Coronapatienten selbst herstellen

Stuttgart - 19.05.2020, 09:00 Uhr

Die Krankenhausapotheke des UKE plant, wichtige Arzneimittel für die Versorgung von COVID-19-Patienten selbst herzustellen, darunter auch Propofol. (x/Foto: imago images / KS-Images.de)

Die Krankenhausapotheke des UKE plant, wichtige Arzneimittel für die Versorgung von COVID-19-Patienten selbst herzustellen, darunter auch Propofol. (x/Foto: imago images / KS-Images.de)


Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind mitnichten eine Begleiterscheinung, die Corona „erfunden“ hat. Allerdings scheint COVID-19 das Lieferproblem zu verschärfen. Nun wollen sich manche Krankenhausapotheken unabhängiger machen von den globalen Lieferketten und für die Versorgung von Coronapatienten dringend benötigte Arzneimittel selbst herstellen. So auch das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bereitet sich wegen drohender Arzneimittel-Engpässe in der Corona-Krise auf die Eigenherstellung wichtiger Wirkstoffe vor. Chef-Apotheker im UKE ist Michael Baehr. Er hat mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) über seine Pläne gesprochen, wichtige Arzneimittel für die Behandlung von COVID-19-Patienten selbst herzustellen. Denn mit den vorhandenen Arzneimitteln komme das Krankenhaus im besten Fall drei Monate aus, denkt Baehr: „Wenn es aber die zweite Welle gibt, werden wir mit unseren Vorräten auch ganz schnell ins Minus laufen.“

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Wird Propofol wirklich knapp?

In manchen Krankenhäusern war in den vergangenen Wochen bereits kurzzeitig Propofol zur Neige gegangen. Propofol wird unter anderem zur Sedierung von beatmeten Patienten eingesetzt. Der dpa zufolge organisieren sich bereits viele Krankenhausapotheken den Wirkstoff, um bei Engpässen für die Eigenherstellung gerüstet zu sein.

20 für die intensivmedizinische Versorgung wichtige Wirkstoffe

Bereits beim Lieferengpass-Jour-fixe des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) war am 9. April 2020 eine Taskforce, bestehend aus ADKA, AMK, BfArM, DKG, Pro Generika und AWMF, eingerichtet worden, die Maßnahmen erarbeiten sollte, um intensivmedizinische Versorgungsprobleme zu vermeiden. Konkret wollte man sich bei etwa 20 für die intensivmedizinische Versorgung relevanten Wirkstoffen abstimmen und eine belastbare Wirkstoffliste erstellen. Relevante Wirkstoffe sind demnach unter anderem Propofol, Midazolam, Morphin, Meropenem, Norepinephrin und Atemkalk. Baehr erläutert: „Wir haben Listen erstellt und sehr genau analysiert, was Patienten brauchen, die COVID-19 haben und bei uns beatmet werden.“ Diese etwa 20 Arzneimittel – unter anderem für den Kreislauf, gegen Schmerzen, für die Betäubung und Sedierung von Intensivpatienten – habe das Team unter ständiger Beobachtung. Zwar habe die UKE-Apotheke ihre Vorräte aufgestockt und versucht, erweiterte Lieferverträge abzuschließen. Doch wenn es bei wichtigen Medikamenten nur noch einen stets tröpfelnden Nachschub gebe, fürchte man, im Notfall nicht richtig ausgestattet zu sein.

Nicht jede Apotheke kann sterile Arzneimittel herstellen

Deutschland ist bislang mit einem blauen Auge durch die Coronakrise gegangen. „Wenn das alles stabil bleibt, muss sich kein Mensch Sorgen machen“, sagt Michael Baehr. Doch er fürchtet, dass die jüngsten Lockerungen die Situation verschärfen könnten. Zumindest kann das UKE zur Not wichtige Arzneimittel selbst herstellen: „Wir haben hier Gott sei Dank immer noch Anlagen, mit denen wir solche sterilen Arzneimittel herstellen können“, erklärt der Apotheker. Zahlreiche Apotheken hätten sie vor Jahren aus Spargründen abgeschafft, während andere Klinikapotheken, darunter das UKE, mit Blick auf einen möglichen Katastrophenfall um ihren Erhalt gekämpft hätten.

Die Kapazitäten der Medikamentenherstellung seien derzeit noch begrenzt. Den Umfang müsse die Politik nun schnell und unbürokratisch erhöhen. Die Apotheken brauchen nach Ansicht von Baehr „Lockerungen von rechtlichen Fesseln und Unterstützung in der Beschaffung von Substanzen“.

Für den Zeitpunkt nach der Krise hofft Baehr, dass Politik und Kliniken aus den Ereignissen lernen. „Wir werden lernen müssen, dass es ein Stück weit unklug war, alles ins Ausland outzusourcen.“ Sowohl Lager- als auch Produktionskapazitäten sollten erhöht werden. Das betreffe nicht nur die Klinikapotheken selbst, sondern auch die Industrie. Die Hersteller sollten Baehrs Meinung nach gezwungen werden, „für solche Situationen entsprechende Vorsorge zu treffen und nicht alles auf der Straße zu lagern“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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