Jour Fixe Lieferengpässe

BfArM rechnet mit 2,5-mal mehr Arzneimitteln auf Intensivstationen

Stuttgart - 15.04.2020, 17:45 Uhr

Die Teilnehmer der Lieferengpass-Jour-Fixe beim BfArM telefonieren künftig alle zwei Wochen, um den coronabedingten und angespannten Liefersituationen gerecht zu werden. ( r/ Foto: imago images / Hans Lucas)

Die Teilnehmer der Lieferengpass-Jour-Fixe beim BfArM telefonieren künftig alle zwei Wochen, um den coronabedingten und angespannten Liefersituationen gerecht zu werden. ( r/ Foto: imago images / Hans Lucas)


Wieder ein Jour Fixe zu Lieferengpässen beim BfArM: Per Telefon wurde am 9. April über Engpässe bei Morphin, Propofol aber auch bei Meropenem und Norepinephrin diskutiert und der voraussichtliche Bedarf zusätzlicher Arzneimitteln bei vollausgelasteten Intensivstationen abgeschätzt. Zudem wurde eine Task Force berufen, die sich um besonders dringliche Arzneimittel auf Intensivstationen kümmert. Auch um die neuen Grippeimpfstoffe ging es bereits. Außerdem soll der Jour Fixe während der COVID-19-Pandemie 14-tägig telefonisch stattfinden.

Anlässe, um über Lieferengpässe bei Arzneimitteln, Schutzausrüstung oder Desinfektionsmitteln zu diskutieren, gibt es ausreichend. Und es muss auch weiterhin die Versorgung mit Arzneimitteln im ambulanten und klinischen Sektor gesichert und auf ein „gewünschtes Maß zurückgeführt“ werden, darin sind sich die Teilnehmer des am 9. April 2020 beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) stattgefundenen Jour Fixe zu Lieferengpässen einig. Die Sitzung fand im Format einer Telefonkonferenz statt – das Coronavirus bestimmte folglich nicht nur die Themen des Jour Fixe, sondern auch dessen Rahmenbedingungen und die Frequenz der Zusammenkünfte.

Jour Fixe fortan alle 14 Tage

Treffen sich die Teilnehmer des Jour Fixe für gewöhnlich nur drei- bis viermal pro Jahr, ist dieses „Soll“ nun bereits erfüllt. Der April-Jour-Fixe war seit dem 27. Februar 2020 nun schon der dritte in diesem Jahr, am 25. März fand ebenfalls eine außerplanmäßige Runde beim BfArM statt. Laut dem Kurzprotokoll der letzten Sitzung war der jüngste Jour Fixe auch längst nicht der letzte, man will fortan zweiwöchentlich zusammenkommen: „Aufgrund der weiterhin dynamischen globalen Entwicklung der COVID-19-Pandemie wurde vereinbart, dass bis auf weiteres alle 14 Tage zu einer Telefonkonferenz eingeladen werden soll, um die Entwicklungen über den Jour Fixe noch engmaschiger bewerten zu können“, ist dort zu lesen.

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Nach Auffassung der Teilnehmenden haben die im letzten Jour Fixe getroffenen Festlegungen und Einschätzungen grundsätzlich weiterhin Bestand. Unter anderem war im März empfohlen worden, Fertigarzneimittel, die zwar qualitativ einwandfrei sind, aber wegen einer fehlenden oder nicht ausreichenden Umsetzung regulatorischer Anforderungen nicht freigegeben werden, vorerst nicht zu vernichten, damit diese im Fall eines Versorgungsmangels verfügbar bleiben. Nun will man sogar noch einen Schritt weiter gehen: „Das BfArM prüft, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei bestimmten Arzneimitteln nach der Anwendung verbleibende Reste während der Pandemie weiterverwendet werden können“, so im Jour-Fixe-Protokoll zu lesen.

Die weltweit fortschreitende Pandemie, die nur begrenzten Ressourcen und die sich daraus ergebenden globalen Herausforderungen bedingen jedoch,  dass die Versorgung mit Arzneimitteln in Apotheken und Kliniken dahingehend modifiziert werden muss, dass insbesondere die Versorgung in Deutschland nicht immer in allen Klinken in dem gewünschten Ausmaß erfolgen kann. Um Ungleichverteilungen entgegenzuwirken, hatte das BfArM jüngst die Kontingentierung von Arzneimitteln angeordnet. Möglich macht dies das GKV-FKG: Über das GKV-FKG und die neue Verordnungsermächtigung im IfSG stünden nun weitere Möglichkeiten zur Verfügung, um behördlich entlastend, aber auch regulierend einwirken zu können. Man rechne damit, dass in Kürze Rechtsverordnungen vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Basis der neu geschaffenen Verordnungsermächtigung im Infektionsschutzgesetz in Kraft gesetzt werden.

Auch im April-Jour Fixe sprach man sich erneut „ausdrücklich gegen individuelle Bevorratungsstrategien aus, um die Versorgung bestmöglich sicherstellen zu können.“ Explizit lobte der Jour Fixe das BfArM zur Verordnung von Hydroxychloroquin vom 03.04.2020. Auch wenn die Veröffentlichung formal nur eine Empfehlung darstelle, solle diese als verbindlich geltend umgesetzt werden. In vergleichbaren Fällen wurde das BfArM aufgefordert, wieder in gleicher Weise zu handeln.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Lieferunfähigkeiten

von Holger am 16.04.2020 um 11:51 Uhr

Also wenn ich nur die 6er-Liste gegen Ende des schönen Artikels von Frau Müller nehme, waren zumindest in meiner Apotheke vier dieser sechs Produkte schon deutlich VOR dem Ausbruch der Corona-Pandemie nicht oder nur eingeschränkt lieferbar. Und da will mir die Industrie erzählen, der Corona-bedingte Mehrverbrauch sei Schuld? Sorry, aber verar.... kann ich mich selber!

Ja, der typische Corona-Intensivpatient ist echt intensiv. Aber das ist der typische bariatrische Intensivpatient auch, oder der typische Polytrauma-Intensivpatient. Und wir sind doch insgesamt scheinbar in den deutschen Krankenhäusern ganz gut in der Lage, die Versorgung dieser Patienten zu stemmen, weil wir halt elektive Leistungen runtergefahren haben. Zumindest bei mir in der Klinik ist der Gesamtverbrauch NICHT nennenswert hochgegangen - insbesondere wenn ich die Hamsterei einzelner Stationen gegenrechne. Denn auch bei Ärzten, Pflegekräften und Apothekern gibt es welche, die in solchen Situationen rasch der Panik nahe sind.

Es gibt zwei Aspekte, die förderlich für Lieferunfähigkeiten sind, beide sind wirtschaftlicher Natur.

1. Druck auf die Krankenkassen und Krankenhäuser sorgt dafür, dass die in den Preisverhandlungen respektive Ausschreibungen den letzten Zehntelcent rauszupressen versuchen. Und sowohl bei den Krankenkassen wie auch bei der Mehrheit der Krankenhäuser (die NICHT in privater Trägerschaft und somit NICHT gewinnorientiert sind!) dient das ja nicht dem shareholder-value, sondern einer gesellschaftlich erwünschten "schwarzen Null".

2. Pharmaunternehmen sind allesamt Betriebe mit Gewinnerzielungsabsicht. Das ist ja per se auch nicht schlecht. Aber wenn man es übertreibt
- monopolisiert man Lieferketten um Investitionen zu sparen
- schafft man Läger ab, weil sie nur Kapital binden
- nutzt man weltweites Lohndumping aus, weil Transporte billig sind
- hat man kein ethisches Problem damit, auch Gewinnmargen anzustreben, bei denen ein Josef Ackermann blass werden würde

Also, WO ist das Problem und an welche Stelle muss man mit Lösungsversuchen ansetzen?

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Grundsätzlich?

von norbert brand am 16.04.2020 um 9:56 Uhr

… "Allerdings hat Indien jüngst verkündet, dass Ausgangsstoffe zur Arzneimittelherstellung grundsätzlich wieder exportiert werden können". ?? Interessant ist das wort "grundsätzlich" Gestern hat mir mein indischer Kontakt mitgeteilt, daß bis zum 04.Mai in Indien ein genereller ShutDown herrscht. Da geht gar nichts. Da erhält das Wort "grundsätzlich" schon eher die Bedeutung "eigentlich". Fazit: auch hier werden Beruhigungspillen verteilt.

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Ergebnisse?

von Tilmann Schöll am 16.04.2020 um 8:56 Uhr

Schön, dass der JF feststellt, dass es Lieferengpässe gibt. Hilft uns das weiter?
Eine Task-Force soll eingesetzt werden. Auch schön! Allerdings ein wenig spät, denn es ist nicht 5 vor 12, sondern schon 12!
Alle reden von fehlender Schutzkleidung und Desinfektionsmittel, alle loben die Kapazitäten der Beatmungsplätze, die geschaffen wurden - nur keiner spricht über die notwendigen Arzneimittel, die für eine Belegung notwendig sind.
Meiner Erfahrung nach liegt der Verbrauch von Covid19-Patienten deutlich über 2,5 Fächer Menge. Zumindest deuten die Reaktionen und Bestellzahlen der Intensiv darauf hin!
Was wir nicht benötigen sind Laberveranstaltungen. Wir brauchen Material! Handelt endlich! Arbeitsgruppen gibt es genug! Es ist fast schon zu spät.
Vorschlag: Entbürokratisierungen für Hersteller, höhere Preise, damit es sich auch lohnt. Und redet verdammt noch mal mit Leuten, die an der Front stehen! Die wissen, was Sache ist!

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