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Bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 geht es nicht nur darum, was drin ist, sondern auch darum, wie es in den Körper reinkommt. Forschende am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam wollen eine Vakzine entwickeln, die direkt über die Haut ausgeliefert wird, und zwar an die Langerhans Zellen, die später für die Aktivierung des Immunsystems im gesamten Körper verantwortlich sind.
Zwar scheint sich die epidemiologische Lage zur Verbreitung von SARS-CoV-2 im Moment zumindest in Europa etwas beruhigt zu haben, aber eines ist klar: Bis ein Impfstoff gefunden ist, wird es keine völlige Entspannung geben, denn Impfungen sind die einzige Möglichkeit, um den Erreger wirksam und dauerhaft zu bekämpfen. Im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus werden aktuell vor allem Impftechnologien vorangetrieben, die auf der Applikation von Nukleinsäure-Wirkstoffen oder der Verwendung von Adenovirus-Vektoren basieren. Bei fast allen dieser Technologien wird die Vakzine in den Muskel des Patienten injiziert.
Haut als attraktiver Applikationsort
Forscher vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam nehmen dagegen die Haut als Applikationsort ins Visier. Zusammen mit dem Technologietransfer-Fonds KHAN-I und dem Lead Discovery Center (LDC) in Dortmund wollen sie ein Impfverfahren gegen SARS-CoV-2 entwickeln, bei dem die Vakzine über die Haut in den Körper transportiert werden und von dort aus Immunität und Schutz gegen das Virus aufbauen soll.
Die Haut ist ein attraktiver Ort für die Applikation vieler Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen, erläutern die Potsdamer Wissenschaftler in einer früheren Pressemitteilung. Die Zielstruktur, an der die Impfstoffe andocken sollen, sind die Langerhans Zellen, eine Unterart der dendritischen Zellen. Sie sind wichtige Vermittler der Immunregulation und liegen nur wenige Mikrometer unter der Hautoberfläche. Deshalb sind sie gut zugänglich.
Wo und wie docken die Impfstoffe an?
Wie lässt sich eine Vakzine nun genau dort hindirigieren? Dazu nutzten die Forscher die natürliche Funktion der Langerhans Zellen. Als professionelle antigen-präsentierende Zellen erkennen sie Erreger und nehmen sie auf, um so eine Immunantwort auszulösen. Für die Erkennung und Aufnahme verwenden sie Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. Langerin, ein Protein aus der Familie der C-Typ-Lektine, ist ein solcher Rezeptor. Er ist spezifisch auf den Langerhans Zellen exprimiert. Das heißt, Impfstoffe, die dort andocken, sollten nirgendwo anders unerwünschte Wirkungen auslösen können und man könnte nach Einschätzung der Wissenschaftler möglicherweise auch mit geringen Dosen auskommen. Dieser Aspekt ist im Hinblick auf die Verfügbarkeit einer Impfung für eine sehr große Anzahl an Personen besonders bedeutsam.
Wie wird das Forschungsprojekt finanziert?
Dem Team um Dr. Christoph Rademacher vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung war es gelungen, einen synthetischen, zuckerähnlichen Liganden zu entwickeln, der genau das schafft. Für den Transport zu dem Rezeptor haben sie ihn in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern von der Universität Innsbruck mit Nanopartikeln kombiniert. Bei diesen Partikeln handelt es sich um Liposomen, die in der Klinik schon seit vielen Jahren als Träger für verschiedene Wirkstoffe eingesetzt werden. Neu war, dass der zuckerähnliche Ligand spezifisch an Langerin auf der Oberfläche von Langerhans Zellen bindet. Die so entstandenen liposomalen Partikel legten den Grundstein für eine allgemein anwendbare Plattform für zukünftige Entwicklungen neuartiger Impfstoffe, das Langerhans cell targeted delivery system (LC-TDS). Die Impfstoffe können damit direkt auf die Haut aufgetragen oder mit Mikronadeln injiziert werden.
Plattform ist mit vielen Impfstoff-Technologien kompatibel
Über die Anpassung der bestehenden Plattform wollen die Wissenschaftler nun ein Impfverfahren für SARS-CoV-2 ableiten, das schnell verfügbar gemacht werden kann. „Die LC-TDS-Technologie wird für eine prophylaktische Impfung gegen Covid-19 weiterentwickelt“, erklärt Rademacher, der Haupterfinder der Technologie, auf Anfrage gegenüber DAZ.online. „Dazu testen wir gängige Impfstoff-Technologien, zum Beispiel mRNA oder proteinbasierte Impfstoffe in der Kombination mit dem Targeting Liganden, der wiederum eine Aufnahme durch den Langerin-Rezeptor auf den Langerhans Zellen zulässt.“ Das heiße aber nicht zwangsläufig, dass ein Nanopartikel involviert sein müsse, fügt Rademacher an. Man könne den Liganden auch direkt an ein Protein koppeln. Ein Vorteil der Technologie sei, dass die Plattform mit vielen derzeit in der Evaluation befindlichen Verfahren kompatibel sei.
Gelder aus Fonds für vielversprechende Wirkstoffprojekte
Das Impfstoffprojekt wird von dem Partner KHAN-1 finanziell unterstützt. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die KHAN Technology Transfer Fund I GmbH & Co KG mit Sitz in Dortmund, die im September letzten Jahres ins Leben gerufen wurde. Der Europäische Investitionsfonds (EIF), die Austria Wirtschaftsservice GmbH und die Max-Planck-Förderstiftung haben in der ersten Runde über einen Zeitraum von fünf plus zwei Jahren insgesamt 60 Millionen Euro für KHAN-I zugesagt. Das Geld soll in frühe Wirkstoffforschungsprojekte fließen, die in erster Linie aus der akademischen Forschung in Deutschland und Österreich stammen, und zwar in Kooperationen oder Start-ups. Der Schwerpunkt soll auf innovativen Therapien liegen, für die ein besonders hoher Bedarf besteht. Das Lead Discovery Center ist ein professioneller Wirkstoffforschungs- und Translationsinkubator, der von der Max-Planck-Innovation GmbH gegründet wurde.
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