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Interview mit Dr. Hermann Vogel jun.
Plattformen: Apotheken nur „angeschlossene Abwickler“
Kritik an Plattformen
DAZ.online: Halten Sie Click-and-Collect-Angebote der Apotheken vor Ort für eine sinnvolle Option – gerade auch hinsichtlich E-Rezept?
Vogel: Bezüglich digitaler Konzepte muss man differenzieren: Service-Apps wie apotheken.de, callmyApo oder „Meine Apotheke“ sind eigentlich für jede Apotheke heutzutage ein Muss. Sie geben den Kunden die Option, digital mit ihrer gewünschten Apotheke in Kontakt zu treten. Plattformen sehe ich dagegen kritisch.
DAZ.online: Warum?
Vogel: Weil digitale Plattformen stets den Regeln der Plattformbetreiber unterliegen und den einzelnen Apotheken nur sehr eingeschränkt Einflussmöglichkeiten bieten. Des Weiteren sind auf Apothekenplattformen alle Apotheken „gleich“ und die einzelne Apotheke mit einem Klick „austauschbar“. Individuelle Leistungsfähigkeit ist dort – soweit ich das überblicken kann – kein Kriterium. Außerdem können hier mittelfristig Abhängigkeiten entstehen, die für jede Apotheke das Ende der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit bedeuten können.
DAZ.online: Bitte erklären Sie das genauer.
Vogel: Ich möchte an dieser Stelle ein Zitat des Chefs eines großen Softwarehauses erwähnen, das wortwörtlich lautet: „Ich sage jetzt einfach mal 50 Prozent. Außerdem werden die ausländischen Versandapotheken die Verlierer der Digitalisierung sein und die Apotheken, die nicht mitmachen“. Ich verstehe das so, dass die ausländischen Versandapotheken keine Konkurrenz werden und dass ich als deutscher Vor-Ort-Apotheker 50 Prozent meiner Kunden verliere, wenn ich nicht an einer Bestellplattform teilnehme. Dass hier niemand widerspricht, wundert mich sehr! Sicher ist, dass Digitalisierung Veränderungen bringt. Darf dies auch bedeuten, dass die Apotheke vor Ort auf die Zuführung von Patienten über Plattformen abhängig wird?
DAZ.online: Sie halten Apothekenplattformen also für den falschen Weg?
Vogel: Ja, Medikamente sind ganz nachweislich eine ganz besondere Ware und deren Bezug kann meines Erachtens nicht mit der Buchung von Hotelzimmern oder Sitzplätzen in einem Flugzeug gleichgesetzt werden. Und, mit Verlaub, es kann doch nicht ernsthaft der Fall sein, dass unser Berufstand bei der Politik für ein Makelverbot von Rezepten kämpft und gleichzeitig apothekernahe und apothekereigene Unternehmen genau solche „Vermittlungs-Plattformen“ aufbauen. So wird die Plattform zum „Lotsen für die Medikamentenversorgung“ und die Apotheke nur noch als „angeschlossener Abwickler“ wahrgenommen. Eine fatale Entwicklung! Denn der Patient lernt so, „frage als erstes die Plattform, sie zeigt dir den Weg!“ Wenn die Patienten daran gewöhnt werden, vor dem Kontakt mit einer Apotheke ihr Rezept bei Dritten „hochzuladen“, um z.B. Verfügbarkeit zu erfragen, wird die individuelle Leistungsfähigkeit und Service-Kompetenz der jeweiligen Apotheke zweitrangig. Die Plattform „sortiert“ die Apotheken nach ihren „eigenen“ Regeln, ohne dass ich als Teilnehmer Einfluss nehmen kann.
DAZ.online: Sind digitale Plattformen also ihrer Meinung nach für die Apotheke keine Alternative?
Vogel: Nicht die einzelne Apotheke, sondern die Plattformen würden dann primär von den Patienten in der digitalen Welt hinsichtlich Arzneimittelversorgung wahrgenommen werden. Gehen Sie auf Amazon und kaufen dort einmal einen OTC-Artikel. Verfügbarkeit, Preise und Rezensionen sind Grundlage der Kaufentscheidung. Die dort aktiven Apotheken werden kaum wahrgenommen. Jeder Apotheker muss hier aber selber entscheiden, ob man Teil eines solchen Systems werden will. Ich selbst würde aktuell hier sehr vorsichtig sein. Es können hier zu leicht Abhängigkeiten entstehen, die eigentlich nicht im Sinne meiner Apotheken sind.
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