Krisenprofiteur Onlinehandel

Umsatzsteigerungen und Imageverbesserung für die Versender

Stuttgart - 10.07.2020, 11:30 Uhr

Versandhandel: Besonders auffällig ist die Imageverbesserung bei den 18- bis 29-Jährigen. (s / Foto: imago images / Ralph Lueger)

Versandhandel: Besonders auffällig ist die Imageverbesserung bei den 18- bis 29-Jährigen. (s / Foto: imago images / Ralph Lueger)


Die Corona-Pandemie führt nicht nur zu massiven Umsatzsteigerungen für Online-Händler, sondern auch zu einer deutlichen Verbesserung ihres Images bei den Verbrauchern. Experten gehen deswegen davon aus, dass diese Tendenz auch nach der Corona-Krise anhält.

Während die Apotheken vor Ort mit deutlichen Rückgängen bei den Rezept-Zahlen und im OTC-Absatz zu kämpfen haben, können sich die Online-Arzneimittelhändler über hohe Umsatzsteigerungen freuen. So meldete beispielsweise die Shop Apotheke am 6. Juli, dass ihre Umsätze im 2. Quartal 2020 um 42 Prozent gestiegen sind. Der holländische Versender setzte von April bis Juni insgesamt 233 Millionen Euro um. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 164 Millionen Euro gewesen.

Bereits am Vortag hatte der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) den Arzneimittelversendern einen „Boom“ attestiert. Der „E-Commerce-Verband“ gibt die Umsatzsteigerungen der Versandapotheken im 2. Quartal mit 67,1 Prozent auf 267 Millionen Euro brutto an, also inklusive Umsatzsteuer. Diese Zahlen beruhen auf der Verbraucherbefragung „Interaktiver Handel in Deutschland“, bei der von Januar bis Dezember 40.000 Privatpersonen aus Deutschland im Alter ab 14 Jahren unter anderem zu ihrem Ausgabeverhalten im Online- und Versandhandel befragt werden. Für die Warengruppe „Medikamente“ gaben die Deutschen nach dieser Umfrage im 2. Quartal online 335 Millionen Euro aus. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 176 Millionen Euro gewesen.

Wer nun hofft, dass sich diese Marktanteile mit weiteren Lockerungen der Schutzmaßnahmen im Einzelhandel oder gar nach einem Ende der Pandemie wieder in die Apotheken vor Ort zurück verlagern, der könnte eine herbe Enttäuschung erleben. So sieht der bevh für Waren des täglichen Bedarfs „selbst nach der akuten Phase der ‚Hamsterkäufe‘ und auch nach Ende der scharfen corona-bedingten Kontaktbeschränkungen“ für den E-Commerce „eine dauerhaft positive Wachstumsprognose“. Gestützt wird diese Aussage durch eine Zusatzumfrage unter rund 2.500 Konsumenten, die angeben sollten, welche Waren sie in Zukunft eher weniger, gleich viel oder eher mehr im Versand einkaufen wollen. Die Gruppe „Medikamente inkl. Nahrungsergänzungsmittel“ wollen demnach 17,6 Prozent der Befragten zukünftig öfter online kaufen – nur bei Tierbedarf (17,8 %) und Nahrungsmitteln (21,6 %) lag dieser Wert höher.

Nicht verwunderlich also, wenn bevh-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer die Zwischenergebnisse der Studie so zusammenfasst: „E-Commerce hat sich im zweiten Quartal nachhaltig als zusätzliche Versorgungs-Infrastruktur etabliert. Das zeigt sich nicht nur an den absoluten Zahlen, sondern auch am erklärten Willen der Konsumenten, auch künftig mindestens so viele, wenn nicht mehr Güter des täglichen Bedarfs und Medikamente online zu kaufen.“

IFH Köln: Positiver Imagewandel – vor allem bei der jüngeren Zielgruppe

In dieselbe Kerbe schlägt das Handelsforschungsinstitut IFH Köln, das auch den monatlichen Apotheken-Konjunkturindex Apokix veröffentlicht. In einem „Corona Consumer Check“ vom 8. Juli heißt es: „Onlineanbieter profitieren in der Krise von einem positiven Imagewandel in der Bevölkerung – vor allem bei der jüngeren Zielgruppe.“ Diese Untersuchung hebt zwar nicht auf den Arzneimittel-Versand speziell ab, doch die Ergebnisse dürften auch für Apotheken gültig sein. Und diese geben durchaus Anlass zur Sorge. Denn obwohl die Online-Einkäufe der rund 500 online befragten Verbraucher bereits wieder leicht zurückgehen, geben sie an, dass „das vermehrte Onlineshoppen in der Krise auch zu einer Imageverbesserung der Anbieter im Netz“ geführt habe.

IFH Köln

 
Nachdem in der 19. Kalenderwoche (4. bis 10. Mai) auf dem Höhepunkt der Krise 
35 Prozent angegeben hatten, dass sie stationäre Einkäufe bewusst auf den Onlinekanal verlegt hatten, sank dieser Wert nun leicht auf 31 Prozent in der Kalenderwoche 24 (8. bis 14. Juni).

34 Prozent haben beim Onlinekauf ein „sicheres Gefühl“ 

Vor allem konstatiert das IFH Köln, dass die Online-Händler im Verlauf der Coronakrise ihre öffentliche Wahrnehmung verbessern konnten. Besonders auffällig sei die Imageverbesserung bei den 18- bis 29-Jährigen. Während unter allen Befragten inzwischen 34 Prozent beim Onlinekauf ein „sicheres Gefühl“ hätten, seien es unter den jüngeren „Smart Natives“ bereits 41 Prozent.

Für fast ein Drittel der Befragten hat während der Pandemie das Sympathie-Empfinden und das Vertrauen gegenüber Online-Anbietern zugenommen, ebenso viele gaben an, dass sie eine höhere Kundenorientierung der Onlinehändler wahrgenommen haben. Und fast ein Viertel (unter den 18- bis 29-Jährigen sogar  ein Drittel) geben an, ihre „persönliche Beziehung“ zu Online-Anbietern habe sich verstärkt.

IFH Köln

Bleibt die spannende Frage: Hält dieser Trend an, wenn die Coronakrise eines Tages vorbei ist? Das IFH Köln weist in einem Blog-Beitrag zur aktuellen Studie darauf hin, dass man empirisch arbeite und auch diese Frage empirisch beantwortet werde. Klar sei aber, dass die Käuferbasis für den Onlinehandel breiter werde, die Onlineeinkäufe vielfältiger, Vertrauen und Kundenbindung zunähmen. Dabei gelte: „Der Onlinehandel wird auf die Startrampe für den nächsten Wachstumsschub geschoben. Wie weit der Startschuss trägt, hängt von Branchenentwicklungen und Produktkonjunkturen, neuen Playern und Wettbewerbern sowie innovativen Lösungen“ ab. Immerhin bei einem Punkt, der vor allem den jüngeren Onlinekunden laut IFH Köln besonders wichtig ist, sind die meisten Vor-Ort-Apotheken heute schon gut aufgestellt: 25 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nutzt verstärkt Kundenbindungsprogramme, 37 Prozent legen Kundenkonten an. Sie nutzen also auch im Onlinehandel eine Kundenkarte.



Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker, DAZ-Chefredakteur
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Imageverbesserung bei Versand

von Roland Mückschel am 10.07.2020 um 12:17 Uhr

Na herrlich, dann warten wir bis die jungen Wilden
bei 100% Zufriedenheit angekommen sind.
Spätestens dann können wir den Einzelhandel vor
Ort gänzlich aufgeben. Das wird ne Lust sein den ganzen
Tag auf die Paketfahrer zu warten und mit denen ein
gemütliches Pläuschchen zu halten. Ein Auto wird nur
noch für den Besuch des Fitnessstudios gebraucht. Unzumutbar den Weg zu laufen oder gar mit öffentlichen
Verkehrsmittel. Bäh!
Und die freiwerdenden Ladenflächen können dann
weiterhin für stark steuerzahlende Geschäfte wie da
Nagelstudios, Schönheitswerkstätten, Barbershops,
Friseursalons mit fantasiereichen Namen, absolut notwendige
Dönershops, renommierte Versicherungsbüros und zukunftsweisende Betriebe wie Handy-Läden abgegeben werden.
Wir freuen uns, glänzende Zukunft.

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