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Unser geliebter Botendienst! Gut, dass es ihn gibt. Wie wertvoll er ist und was er leistet – die Corona-Krise hat’s gezeigt. Jens Spahn hat ihn mit fünf Euro honoriert – doch damit soll Ende September Schluss sein. Das Corona-Virus ist aber noch da! Der Zuschuss muss weiter gezahlt werden! Wichtig: Der Botendienst gehört zur Apotheke, wir müssen ihn selber machen und dürfen ihn nicht in die Hände Dritter geben, auch wenn andere damit locken. Und es gibt einen „historischen Moment“ in dieser Woche: Es klappt – die ersten Apotheken auf der Datenautobahn. Bis Ende September sollen alle Apotheken dabei sein. Der Weg ist frei fürs E-Rezept und den E-Medikationsplan – wenn die Konnektoren mitspielen.
20. Juli 2020
Wenn ich das DAZ.online-Interview mit dem Apotheker Ralf König und dem Arzt Dr. Philipp Stachwitz lese, werden mir Versäumnisse unserer Standesvertretung in Sachen Digitalisierung und Innovationen wieder mal so richtig deutlich. Der Bundesgesundheitsminister hatte die beiden Heilberufler in den Think Tank Health Innovation Hub (hih) berufen, der das Bundesgesundheitsministerium in Sachen digitale Innovationen berät. Themen sind dort z. B. der elektronische Medikationsplan, der dem Austausch zwischen Heilberuflern dienen soll und wesentlich mehr Informationen als der Papierplan enthält, der derzeit noch den Versicherten ausgehändigt wird. Als der Medikationsplan ins Leben gerufen wurde, stand der Arzt im Mittelpunkt, den Apotheker hatte man nicht wirklich eingebunden. Ein Versäumnis! Ja, mein liebes Tagebuch, da fragt man sich doch, ob unsere ABDA damals wirklich energisch genug aufgetreten ist, um uns Apothekers ins System zu holen. König ist der Ansicht, dass man verpasst hat, den Zusatznutzen durch die Vernetzung der Heilberufler von Anfang an zu heben. Er meint: „Wir waren bisher gefühlt unerwünscht in diesem System.“ Und weiter: „Wäre Gestaltung eine Stärke unseres Berufsstandes, dann wären wir anders in die aktuelle Situation eingebunden.“ Mein liebes Tagebuch, man kann ihm nicht widersprechen. Man habe übersehen, so König weiter, dass sich nicht nur die Möglichkeiten beispielsweise durch die Digitalisierung verändert hätten, sondern auch die Lebensrealität unserer Kunden.“ Tja, ähnlich wenig Gestaltungswille zeigte sich, als das Thema Modellprojekte zur Grippeimpfung aufkam. Mein liebes Tagebuch, wir erinnern uns, dass da erstmal ein ablehnender Aufschrei aus dem Berliner Apothekerhaus kam. Und aus Brandenburg ein klares Nein. Immerhin, mittlerweile hat sich bei der ABDA die Position geändert, in Brandenburg leider immer noch nicht. König meint: „Wir müssen lernen, aktiv Verantwortung zu übernehmen.“ Mein liebes Tagebuch, in der Tat, da klemmt es doch richtig. Leider hatte König noch keine Gelegenheit, sich direkt mit der ABDA-Spitze auszutauschen. Das sollte er mal tun, in der Hoffnung, die ABDA lässt ihn mal vortreten.
Die Zeit rennt und schon ist bald Ende September. Dann ist erstmal Schluss mit der Honorierung unseres Botendienstes. Dann gibt’s für uns keine fünf Euro mehr von der Krankenkasse, wenn sich unser Fahrer oder unsere PTA ins Apothekenmobil oder aufs Fahrrad setzt, um unseren Kunden die Arzneimittel nach Hause zu bringen. Eingeführt wurde die Honorierung, um den Kunden in Corona-Zeiten unnötige Kontakte zu ersparen, wenn sie in die Apotheke gehen, um Arzneimittel abzuholen. Die seit Ende April geltende SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung hat den Botendienstzuschuss auf Ende September begrenzt. Aber es lässt sich absehen, dass das Virus dann nicht weg ist. Das Botendiensthonorar sollte also unbedingt verlängert werden – meint auch der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis. Er ist überzeugt, dass die Krankenkassen diese geringen Mehrausgaben verkraften, immerhin werden sie durch die Mehrwertsteuersenkung um gut 700 Mio. Euro entlastet. Mein liebes Tagebuch, richtig! Auch nach September werden wir gegen das Virus kämpfen müssen, hinter Plexiglasscheiben arbeiten und beim Botendienst einen erhöhten Aufwand haben. Der vergütete Botendienst muss verlängert werden! Die ABDA sammelt bereits Argumente und Daten, um das Bundesgesundheitsministerium davon zu überzeugen.
21. Juli 2020
Ja, die Digitalisierung hat so ihre Tücken und Pannen. Die Technik spielt bisweilen nicht so mit wie sie soll. Das erfahren derzeit viele Ärzte, die bei der Anbindung ihrer Praxen an die Telematikinfrastruktur (TI) mit massiven Problemen zu kämpfen haben: Zuletzt traten massive Probleme mit den Konnektoren auf. Diese Probleme führen zu Zeitverzögerungen bei der Anbindung, was letztlich zu Honorarabzügen führen kann, da das Bundesgesundheitsministerium den Ärzten Fristen zur Anbindung der Arztpraxen an die TI gesetzt hat. Werden die Fristen nicht eingehalten, gibt’s Sanktionen: bis zu 2,5 Prozent Honorarabzug.Viele Ärzte sind daher stinksauer, sie beklagen u. a. die zur Verfügung stehende Technik in Form des „Steinzeitkonnektors“, das Management der Gematik, aber auch die Rolle ihrer Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Durch den Fehler waren die Konnektoren in den betroffenen Praxen nicht mehr in der Lage, sich in die TI einzuwählen. Interessant: Es soll sich dabei um die gleichen Konnektoren handeln, die auch für die Nutzung in den Apotheken vorgesehen sind. Das Bundesgesundheitsministerium will allerdings an den gesetzten Fristen zur Anbindung der Arztpraxen an die Datenautobahn festhalten.
Mein liebes Tagebuch, da können wir Apotheker gespannt sein, wie unsere Anbindung an die Telematikinfrastruktur verlaufen wird. In weniger als zehn Wochen sollen unsere knapp 19.000 Apotheken Anschluss zur Datenautobahn haben. Immerhin, bei uns sind keine Sanktionen vorgesehen, wenn wir die gesetzten Fristen nicht schaffen sollen. Die ersten Apotheken konnten in dieser Woche erfolgreich an die Telematikinfrastruktur angebunden werden, unter ihnen die Apotheke am Borkener Klinikum von Gabriele Regina Overwiening, Kammerpräsidentin in Westfalen-Lippe. Sie meinte, das sei ein historischer Moment gewesen. Wie wahr! Hoffentlich gibt es für alle Apotheken dieser reibungslosen Momente.
Klingt ungemein verlockend: Die Noweda bietet ihren Mitgliedsapotheken an, spätestens ab Ende des Jahres den Botendienst zu übernehmen. Den Apotheken soll dann ermöglicht werden, den Botendienst an die Noweda zu delegieren – völlig einfach, flexibel und zu fairen Kosten, heißt es. Konkretes dazu verrät der Großhändler nicht, aber die Kosten sollen unter den 5 Euro liegen, die die Apotheken von den Kassen für den Botendienst derzeit (noch) bekommen. Wow, wie elegant ist das denn! Mein liebes Tagebuch, sieht echt nach Entlastung der Apotheken aus. Ok, das Angebot der Noweda soll nur zwischen 17 und 21 Uhr zur Verfügung stehen und von den Fahrern des Großhändlers durchgeführt werden. Aber, mein liebes Tagebuch, da gibt’s noch eine kleine Frage: Darf der Großhändler den Botendienst überhaupt übernehmen? Geht das nicht in Richtung Versandhandel? Steht da nicht in der Apothekenbetriebsordnung geschrieben, dass ein Apothekenbote den Weisungen des Apothekenleiters unterliegen muss? Mein liebes Tagebuch, klar dürfte sein: Das Rezept muss vorab in der Apotheke vorgelegen haben und die pharmazeutische Beratung muss im Vorfeld durch die Apotheke erfolgt sein (was auch per Telekommunikation erfolgen kann). Die Noweda erklärt, dass im Rahmen des Botendienstservice keine Rezepte entgegengenommen werden, es erfolge eine reine Logistikdienstleistung von der Apotheke zum Apothekenkunden, nachdem alle anderen Prozesse bereits abgeschlossen seien. Mein liebes Tagebuch, ob das bei den Juristen durchgeht, ist fraglich. So geschmeidig, wie es sich anhört, ist das nicht. Irgendwie bewegt sich das in einer Grauzone zwischen Versand und Botendienst, oder? Und was ist der nächste Schritt? Was ist, wenn sich weitere Unternehmen anbieten, den Botendienst für uns zu übernehmen? Können wir wollen, dass „Dritte“ den Botendienst machen?
22. Juli 2020
Zur Rose mit DocMorris übernimmt den Telemedizin-Anbieter TeleClinic: Da stehen wir Apothekers Kopf und sehen den Untergang der Trennung zwischen Arzt und Apotheker – und die Politik lässt das kalt, aber so was von! Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sieht, wie er sagt, derzeit „keinen politischen Handlungsbedarf“. Und das Bundesgesundheitsministerium verweist lediglich auf das erweiterte Makelverbot. Unglaublich, mein liebes Tagebuch, wie wenig Gespür in politischen Kreisen besteht, zu erkennen, was sich aus diesen Strukturen, die zur Rose aufbaut, entwickeln kann. Ullmann räumt immerhin ein, dass die Aufgabenteilung zwischen Apotheke und Arzt beibehalten werden müsse. Eine automatische Weiterreichung von Rezepten dürfe es nicht geben. Und er sagt: „Wir werden die Auswirkungen der Übernahme politisch beobachten und sehen, ob sich daraus Handlungsbedarf ergibt.“ Tja, mein liebes Tagebuch, dann möge er genau hinsehen, was sich da in der Schweizer Konzernzentrale oder hinter der niederländischen Grenze so alles tut – wenn er denn den Blick über den Firmenzaun hat. Und auch Spahn lässt nur kurz und knapp mitteilen, dass man die Trennung von Arzt und Apotheker durch den Zusammenschluss nicht gefährdet sehe. Man habe doch erst kürzlich das Patientendaten-Schutzgesetz verabschiedet, das im parlamentarischen Verfahren um ein Makelverbot für Dritte ergänzt wurde. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, ob das auch im schweizerisch-niederländischen Milieu so gesehen wird.
Der Apothekerverband Nordrhein hat’s schon gemacht, der Bayerische Apothekerverband steht kurz davor: eine Vereinbarung mit einer Krankenkasse zu Modellprojekten zur Grippeimpfung in Apotheken. Ja, mein liebes Tagebuch, die Verhandlungen zwischen der AOK und dem Bayerischen Apothekerverband sollen in der heißen Phase sein. Ziel sei es, dass ab Herbst in den Oberpfälzer Apotheken gegen Grippe geimpft werden kann. Modellregion soll die gesamte Oberpfalz sein. Der stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands, Josef Kammermeier aus Regensburg, geht davon aus, dass sich ein Drittel bis die Hälfte der Apotheken an dem Modellprojekt beteiligen werde. Mein liebes Tagebuch, die Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken nehmen so langsam Fahrt auf. So manche Kollegin, so mancher Kollege zögert allerdings noch – z. B. aus Sorge, dass es Zoff mit den umliegenden Ärzten gibt, die dann keine Impfstoffe mehr bei ihnen bestellen. Es mag wohl vereinzelt vorkommen, dass man sich nicht nur Freude in der Ärzteschaft schafft, aber vielleicht war das Verhältnis auch vorher schon getrübt. Da braucht man ein gutes Rückgrat, man muss sich trauen – und sehen wir’s mal so: Immerhin beteiligt man sich an einem Projekt, das vom Bundesgesundheitsministerium gewollt ist.
23. Juli 2020
Der Widerstand von Apothekers, sich an Modellprojekten zur Grippeschutzimpfung zu beteiligen, scheint zu sinken. Wie eine nicht repräsentative Umfrage von DAZ.online ergab, sind mittlerweile mehr als zwei Drittel unter bestimmten Voraussetzungen bereit, diesen Service anzubieten. Noch vor wenigen Monaten war es etwa nur die Hälfte. Mein liebes Tagebuch, es tut sich was! Mit der Honorarfrage fürs Impfen hadern die meisten allerdings noch: Das vom Vorreiter Nordrhein ausgehandelte Honorar von 12,61 Euro hält nur ein kleiner Teil derjenigen, die an der Umfrage teilgenommen hatten, für ausreichend. Für die Mehrheit sollte das Honorar zwischen 16 und 20 Euro liegen. Mein liebes Tagebuch, ich bin gespannt, wie das Honorar in Bayern aussehen wird, wo der Verband mit der AOK zurzeit verhandelt.
24. Juli 2020
Dass sich Zur Rose den Telemedizin-Anbieter Teleclinic einverleibt hat, sieht auch die ABDA mit Sorge. Das Unternehmen rüttele an den Grundprinzipien des Gesundheitswesens. Ein Arzneimittelversender kauft einen Telemedizin-Anbieter, wodurch ärztliche und pharmazeutische Betreuung ökonomisch in eine Hand geraten. ABDA-Präsident Schmidt ist überzeugt: „Auf mittlere Sicht werden persönliche Verantwortung und fachliche Entscheidungsfreiheit des Heilberuflers kompromittiert und die Wahlfreiheit des Patienten eingeschränkt. Damit werden Grundprinzipien des Gesundheitswesens einfach einer verlängerten Wertschöpfungskette profitorientierter Player untergeordnet.“ Die Politik sei gefordert, hier genau hinzusehen. Stimmt, mein liebes Tagebuch, doch die Politik geht derzeit leicht achselzuckend darüber hin weg. Da muss doch mehr passieren. Wir wissen zwar nicht, was die ABDA außer den Präsidentenstatements noch unternimmt, aber da sollte doch schon deutlich mehr Power aus dem Apothekerhaus kommen.
Was die ABDA übrigens ebenfalls kritisch sieht, ist das Noweda-Angebot, den Botendienst zu übernehmen. Der ABDA-Präsident stellt dazu klar: Der Botendienst dürfe aus guten Gründen nur von weisungsgebundenem Personal durchgeführt werden, das bei der Apotheke selbst angestellt ist. Und er sagt: „Wenn sich jetzt Dritte ganz salopp anbieten, den Botendienst für die Apotheke zu übernehmen, und dabei Buchstaben und Geist der gesetzlichen Regelung ignorieren, dann erweisen sie den Apotheken damit einen Bärendienst. Das kann man so nicht laufen lassen.“ Mein liebes Tagebuch, die Noweda-Dienstleistung war vermeintlich clever gedacht, aber vielleicht sollte da ernsthaft nochmal drüber geschlafen werden. Da gibts zu viele Fallstricke und möglicherweise auch Hintertürchen, die den Apotheken-Botendienst für Dritte öffnen – was wir nicht wollen können.
Die ABDA erklärt uns das E-Rezept: Auf einer übersichtlich aufgebauten Internetseite zeigt die ABDA unter der Überschrift „Das E-Rezept kommt“, wie die digitale Verordnung funktioniert und was die aus ABDA-Sicht besonderes wichtigen Punkte sind. Außerdem beantwortet sie die häufigsten Fragen rund um das E-Rezept. Mein liebes Tagebuch, hat sie gar nicht schlecht gemacht. Auch wenn die Sprache und die Begriffe nicht für jedermann und jederfrau leicht zugänglich sind, auch wenn man mit dieser Seite sicher nicht die Mehrheit der Bevölkerung erreicht – ein Anfang ist gemacht. Mein liebes Tagebuch, bis zum 1. Januar 2022, also wenn’s dann richtig losgeht mit dem E-Rezept (sofern dann wirklich die Technik steht), gibt es ja dann noch die Möglichkeit, das E-Rezept plakativer zu bewerben. Große ausländische Versandhäuser haben da schon Geld verpulvert und vorgearbeitet. Wir sollten dann zeitnah richtig klotzen.
8 Kommentare
Zahlen, bitte
von Wolfgang Müller am 26.07.2020 um 19:45 Uhr
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AW: Zahlen, bitte
von Karl Friedrich Müller am 26.07.2020 um 20:06 Uhr
AW: Zahlen, bitte; aber nur mit Kleingeld
von Bernd Jas am 26.07.2020 um 22:42 Uhr
AW: Zahlen, bitte ... und eine angemessene Portion "Gehirnschmalz" dazu ...
von Christian Timme am 27.07.2020 um 7:07 Uhr
Teleclinic durch Zur Rose einverleibt, sieht ABDA mit Sorge
von Thesing-Bleck am 26.07.2020 um 12:49 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Botendienstpauschale
von Peter am 26.07.2020 um 9:03 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Botendienstpauschale
von Anita Peter am 26.07.2020 um 9:10 Uhr
AW: Botendienstpauschale
von Heiko Barz am 26.07.2020 um 12:03 Uhr
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