Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

26.07.2020, 08:00 Uhr

Botendienst – quo vadis? (Foto: Alex Schelbert)

Botendienst – quo vadis? (Foto: Alex Schelbert)


22. Juli 2020

Zur Rose mit DocMorris übernimmt den Telemedizin-Anbieter TeleClinic: Da stehen wir Apothekers Kopf und sehen den Untergang der Trennung zwischen Arzt und Apotheker – und die Politik lässt das kalt, aber so was von! Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sieht, wie er sagt, derzeit „keinen politischen Handlungsbedarf“. Und das Bundesgesundheitsministerium verweist lediglich auf das erweiterte Makelverbot. Unglaublich, mein liebes Tagebuch, wie wenig Gespür in politischen Kreisen besteht, zu erkennen, was sich aus diesen Strukturen, die zur Rose aufbaut, entwickeln kann. Ullmann räumt immerhin ein, dass die Aufgabenteilung zwischen Apotheke und Arzt beibehalten werden müsse. Eine automatische Weiterreichung von Rezepten dürfe es nicht geben. Und er sagt: „Wir werden die Auswirkungen der Übernahme politisch beobachten und sehen, ob sich daraus Handlungsbedarf ergibt.“ Tja, mein liebes Tagebuch, dann möge er genau hinsehen, was sich da in der Schweizer Konzernzentrale oder hinter der niederländischen Grenze so alles tut – wenn er denn den Blick über den Firmenzaun hat. Und auch Spahn lässt nur kurz und knapp mitteilen, dass man die Trennung von Arzt und Apotheker durch den Zusammenschluss nicht gefährdet sehe. Man habe doch erst kürzlich das Patientendaten-Schutzgesetz verabschiedet, das im parlamentarischen Verfahren um ein Makelverbot für Dritte ergänzt wurde. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, ob das auch im schweizerisch-niederländischen Milieu so gesehen wird.

 

Der Apothekerverband Nordrhein hat’s schon gemacht, der Bayerische Apothekerverband steht kurz davor: eine Vereinbarung mit einer Krankenkasse zu Modellprojekten zur Grippeimpfung in Apotheken. Ja, mein liebes Tagebuch, die Verhandlungen zwischen der AOK und dem Bayerischen Apothekerverband sollen in der heißen Phase sein. Ziel sei es, dass ab Herbst in den Oberpfälzer Apotheken gegen Grippe geimpft werden kann. Modellregion soll die gesamte Oberpfalz sein. Der stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands, Josef Kammermeier aus Regensburg, geht davon aus, dass sich ein Drittel bis die Hälfte der Apotheken an dem Modellprojekt beteiligen werde. Mein liebes Tagebuch, die Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in Apotheken nehmen so langsam Fahrt auf. So manche Kollegin, so mancher Kollege zögert allerdings noch – z. B. aus Sorge, dass es Zoff mit den umliegenden Ärzten gibt, die dann keine Impfstoffe mehr bei ihnen bestellen. Es mag wohl vereinzelt vorkommen, dass man sich nicht nur Freude in der Ärzteschaft schafft, aber vielleicht war das Verhältnis auch vorher schon getrübt. Da braucht man ein gutes Rückgrat, man muss sich trauen – und sehen wir’s mal so: Immerhin beteiligt man sich an einem Projekt, das vom Bundesgesundheitsministerium gewollt ist.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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8 Kommentare

Zahlen, bitte

von Wolfgang Müller am 26.07.2020 um 19:45 Uhr

Lieber Kollege Ditzel,

Sie werben hier im Moment wieder immer nachdrücklicher für das ABDA-“Perspektiv“-Modell zum Überleben der Apothekerschaft, „Honorierung weg von der Packung“: Warum sind wir nicht schon längst in „den Medikationsplan eingebunden“, warum sind ein paar Böse (oder die klug und aufrecht gebliebene Minderheit, wer weiß?) nicht für „Das Impfen“ usw. usf.

Auch wenn es gerade wieder in den Fingern juckt, es ergibt keinen Sinn mehr, mit betriebswirtschaftlicher Brille als Auskömmlichkeits-Bedenkenträger gegen diesen Perspektiv-Standpunkt von FS, „Der ABDA“ insgesamt, von Ihnen, vom Kollegen König etc. pp. zu argumentieren. Bevor irgendwie erst mal weiter reichende Zahlen auf den Tisch gelegt werden. Von IHRER, also der projektierenden Seite!

Unter normalen Umständen, in einem Großunternehmen mit 18.500 Filialen z. B., wären Sie Alle jetzt massiv in der BRING-Schuld, Ihr Riesen-Projekt mal zu unterfüttern: mit Honorarprognosen, Plankostenrechnungen, Risikoanalysen etc. Und dann ggf. vor einem kritischen Vorstand und Aufsichtsrat durchzusetzen, im Interesse des GESAMT-Unternehmens.

Allgemeine „Erörterung“ ohne Zahlenbasis, am Ende noch aus isolierter Spezial-Perspektive z. B. eines großen Filial- oder Gebietsleiters mit Riesen-Budget, oder von einem schwärmerischen Wissenschafts-Liebhaber, würde bei so einem über Sein oder Nicht-Sein entscheidenden Thema im internationalen Konzern-Umfeld definitiv zum Kommentar führen: „A pitiful presentation“. Genau so schon miterlebt, glauben Sie mir, inkl. anschließendem Rauswurf und Freistellung des vortragenden Marketing-Bereichsleiters.

Also „Ihr Projekt“ nur mal kurz zusammengefasst, und dann ein paar konkrete Bitten:

In einem noch lange nicht endenden Kampf, in einer gewollten Personal- und Materialschlacht um die "Aufwertung der Berufsidentität" soll Ihrer Meinung nach "Der Beruf" in seinem Bestand gesichert werden. Unter Beibehaltung aller bisherigen, stetig eher noch teurer und aufwändiger werdenden Gemeinwohl-Traditionen, klar. Und eben vor Allem: In einem Überlebens-Kampf zusätzlich in Richtung Verschreibungs-Medizin, mit entsprechenden „Neuen Dienstleistungen“. Wenn schon nicht gleich mit der Therapiehoheit bei Rx-Arzneimitteln, wegen unserer gefühlt immer überlegener werdenden Rx-Arzneitherapie-Kompetenz, dann wenigstens mit möglichst weit gehenden Double-Checks zur Eignung der ärztlichen Medikation durch Apotheker. Und eben: mit para-medizinischen Dienstleistungen wie "Impfen".

Aber auf jeden Fall: Ein Kampfesweg weg von unserer „Schachtelschubserei“ und "Nur Logistik", eben. Wie hier immer wieder gerne geschrieben wurde, wenn es seit ca. 2013 um diese „Perspektive“ ging.

Eine auskömmliche Honorierung Ihrer Aller "Neuen Geschäftsgrundlage" ist aber nicht in Sicht, nur sehr viel mehr Aufwand, und damit evtl. weitere Wettbewerbs-Nachteile gegen "Die Großen", speziell: den Holland-Versand.
DAZ, ABDA, alle anderen von dieser „Neuen Geschäftsgrundlage“ begeisterten Allianzen oder „Think Tanks“, möchten daher jetzt bitte mal uns einfachen Apotheker/innen ein sauberes mittel- bis langfristiges betriebswirtschaftliches Zukunfts-Szenario aufmachen, wie die Mehrheit von uns mit eben dieser „Neuen Geschäftsgrundlage“ und dem sich daraus ergebenden Aufwand auskömmlich leben soll. Oder eben nicht, aber dann: Wie viele SOLLEN denn eigentlich Ihrer Meinung nach überhaupt übrig bleiben? Eine einfache Frage, mit der Möglichkeit zu einer einfachen Antwort.

Bitte machen Sie doch mal Best-Case-Szenarien auf (einfach Muster-BWAs inkl. „Neue Dienstleistungen“ zu den von Ihnen prognostizierten Honoraren, mit Angabe vor Allem der jew. dann benötigten Gesamt-Belegschaft) unter der Annahme, dass alle anderen Bedingungen (Anzahl Botendienste, OTC-Marge, Marktanteil des Holland-Versandes etc.) wenigstens so bleiben wie bisher, anhand einer aktuellen typischen und einer aktuellen durchschnittlichen Apotheke (=> Treuhand). Und zusätzlich je einer Apotheke mit dem doppelten Umsatz einer typischen, und dem doppelten einer durchschnittlichen.

Bitte für diese vier Apotheken-Typen noch zusätzliche Real-Case-Szenarien (z. B. inkl. weiterer massiver Rückgänge zugunsten Versand, hohe „E“-Kosten, OTC-Margen sinken ein wenig wg. anziehendem Wettbewerb etc.) und Worst-Case-Szenarien (z. B. inkl. vollkommen freier Rx-Boni, auch im Inland; sehr hohe „E“-Kosten; OTC wird zum "Werbekostenblock", Marge bricht zusammen; sehr hoher Aufwand für Botendienste ohne Erstattung etc.) aufmachen.

Diese Szenarien bitte auch unter Berücksichtigung dessen rechnen, dass der von Ihnen propagierte „Honorierung-weg-von der-Packungs“-Weg PARALLEL zu unserem Existenzkampf an der Versand-/Boni-/Plattformen-/E-Rezept-Umsteuerungs-/Regel-Botendienst-etc.-Front begonnen werden soll.

Danke im voraus (ich weiß, es wird ein wenig dauern, aber es wird entscheidend zur Klärung beitragen), und in diesem Sinne noch einen schönen Sonntagabend,
Wolfgang Müller

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AW: Zahlen, bitte

von Karl Friedrich Müller am 26.07.2020 um 20:06 Uhr

DAZ, ABDA, alle anderen von dieser „Neuen Geschäftsgrundlage“ begeisterten Allianzen oder „Think Tanks“,
Können weder rechnen, also mit Zahlen umgehen, noch verfügen die über die nötige Phantasie, um zu sehen, was sie anrichten. Leben von Hoffnung und der Vorstellung: über Geld redet man nicht, das hat man.
Außerdem scheinen die sehr sicher zu sein, diesen Krieg zu überleben. Fatal und ignorant. Dabei stirbt man halt erst als zweiter oder dritter.
Mit dem Erlöschen des Standes wird weder eine ABDA gebraucht, noch ein Deutscher Apotheker Verlag.
Keiner erkennt, wie sehr er am Ast sägt, auf dem er sitzt. Das gilt nicht nur für die Apotheken.

AW: Zahlen, bitte; aber nur mit Kleingeld

von Bernd Jas am 26.07.2020 um 22:42 Uhr

Sehr, sehr gut gemüllert; alle beide! Wie Wahr.
Und K.F.Müller. Ihnen ist auch kein Tellerrand zu hoch, was?

Danke für diese weitsichtigen Kommentare.

Auch wenn Herr Müller-Bohn seine Rechner-Tastatur wieder mal zum glühen bringt, springt an der Spitze höchstens der Denkzunder zur Abkühlung in die Spree.

AW: Zahlen, bitte ... und eine angemessene Portion "Gehirnschmalz" dazu ...

von Christian Timme am 27.07.2020 um 7:07 Uhr

Nicht erst seit und mit Corona sollte oder müsste jedem klar sein ... so oder so oder ... hat sich erledigt. Wenn wir mit unserer Gesundheit, was immer das zur heutigen Zeit, sein mag oder sein wird öder könnte ... so weitermachen ... dann haben wir bald immer weniger Ärzte, Apotheker, Pflegepersonal und ... und ... und ... ach das Gehirn wollte ich nicht unterschlagen ...

Teleclinic durch Zur Rose einverleibt, sieht ABDA mit Sorge

von Thesing-Bleck am 26.07.2020 um 12:49 Uhr

Liebes Tagebuch,
Du schreibst, dass die Ärzte die bei der Anbindung ihrer Praxen an die Telematikinfrastruktur (TI) mit massiven Problemen zu kämpfen haben. Das mußte in der Hochphase der Coronakrise persönlich leidvoll erfahren. Hier mein Bericht darüber, als ich selber ein Rezept für eine Medikament für meine chronische Erkrankung brauchte.

Auch meine „Lebensrealität“ wie Apotheker König es nennt, hat sich geändert. Ich wurde von der Apotheken-Mitarbeiterin zur Patientin.

Nun gehören sowohl mein Mann aber auch ich selber zur Risikogruppe für einen schwerwiegenden Corona-Verlauf. Mein Arzt, der mir regelmäßig und seit langem mein benötigtes Medikament verschreibt, war in der Hochphase der sozialen Distanzierung leider über überhaupt keine einzige der gängigen online-Kommunikationsmöglichkeiten zu erreichen - also weder per WhatsApp noch per E-Mail, noch für seine Patienten per Fax! Die Sprechstundenhilfe war im telefonischen Kontakt nicht bereit ohne persönliche Vorlage meiner Gesundheitskarte im neuen Quartal über die Ausstellung eines Rezeptes zu verhandeln. Ich musste deshalb meine Patienten-Karte mit einem Taxi in die Praxis schicken und bekam erst dann das dringend benötigte Rezept ausgestellt. In der Corona-Distanzierung kann das doch wohl nicht war sein!

Liebes Tagebuch, Du schreibst, dass sich Zur Rose den Telemedizin-Anbieter Teleclinic einverleibt hat, sieht auch die ABDA mit Sorge. Das Unternehmen rüttele an den Grundprinzipien des Gesundheitswesens, kommentierst Du. Ich sehe das genau so. Allerdings sind solche Erfahrungen von Patientinnen in schwierigen Situationen wie ich sie oben beschrieben habe mit Sicherheit eine ernst zu nehmende Triebfeder, die die Konsultation von Online-Ärzten oder der Teleclinic gleich welcher Art erheblich befördert.

Die Standesorganisation der Apotheker sind klug beraten, solche Patienten-Berichte sehr ernst zu nehmen und mit den entsprechenden Vertretern der Ärzteverbände über die verbindliche Einrichtung einen niedrigschwelligen Zugang zur Telematik-Infrastruktur und zu Online-Sprechstunden zu verhandeln.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Patientinnen und Patienten freiwillig in die anonyme Teleclinic abwandern, wenn sie über gleichwertige Möglichkeiten bei ihren angestammten Ärzten vor Ort verfügen. Damit löst man zwar das grundsätzliche Problem nicht, aber es kann zu einem wichtigen Baustein zur ortsnahen medizinischen Versorgung durch Arzt und Apotheker werden. Es kann aber sehr wohl einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass durch ortsferne Telemedizin-Anbieter ärztliche und pharmazeutische Betreuung ökonomisch in eine Hand geraten.

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Botendienstpauschale

von Peter am 26.07.2020 um 9:03 Uhr

Die 5,- Euro gehören natürlich abgeschafft.
Letztendlich zahlen die Summe alle gesetzlich Versicherten.
Auch ohne Corona wurden AM versandt. Wenn es sich nicht lohnen würde, hätte kein Apotheker diesen Service angeboten.
Zumal man bei einigen Apotheken sich sogar Paracetamol für 90 Cent über 30 Kilometer schicken lassen kann!
Eine Anpassung der Packungspauschale wäre angebracht und die Abschaffung des Kassenrabatts. Darüber sollte verhandelt werden. Das andere sind doch nur Nebenkriegsschauplätze.


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AW: Botendienstpauschale

von Anita Peter am 26.07.2020 um 9:10 Uhr

"Letztendlich zahlen die Summe alle gesetzlich Versicherten."

Das nennt sich Solidargemeinschaft. Ich weiss, dieser Terminus ist in der heutigen Zeit nicht mehr vielen bekannt. Da gibts nur noch ICH AG's.

AW: Botendienstpauschale

von Heiko Barz am 26.07.2020 um 12:03 Uhr

Ich widerspreche dem Satz,.... wenn es sich nicht lohnen würde,..
Einen Botendienst im Sinne des Wortes hat es vormals eigentlich nie gegeben. Die Not, Lücken im Warenlager zu beheben, war das treibende Agens. Dass das dann schnell zu einem „Botendienst“ wurde, ist dieser Sachlage geschuldet.
Die AM Versorgung hat seit 2004 mit den „Rabattverträgen“ zu dramatischen Veränderungen in allen Apotheken Warenlagern geführt. Ein stabiles Warenlager ist seither nicht mehr kalkulierbar, da die sich ständig ändernden „Losverteilungen“ bei Rabatt AM der vielen KKassen ein betriebswirtschaftliches Handeln haben unmöglich werden lassen.
Fehlte vor der diffusen „Rabattschlachtung“ nur hin und wieder ein AM im Warenlager, so änderte die neue Versorgungslinie die damals aktuelle Situation, und viele Kollegen, die die fehlenden AM in sehr überschaubaren Mengen des abends mit ihrem eigenen Wagen selbst zu den Patienten fuhren, überlegten dann, was zu tun sei.
Von da an war die überschaubare Versorgung zu Ende, und man brauchte den Botendienst.
Die zweite Einlassung Ihres Kommentars ist natürlich vollkommen überzeugend nur leider mit Friedemann Sch. Und CO, UNSERER ABDA, aus Angst vor wem oder was nicht erfolgreich zielführend. Die Zwangsgelder an diese Administration müßten eigentlich wegen ungenügender ( 6 )
Handlungsbefähigung einbehalten werden.

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