Heuschnupfen

Kann man Corticoid-Nasensprays einfach austauschen?

Stuttgart - 03.08.2020, 09:15 Uhr

Corticoid-Nasensprays sind die erste Wahl bei Heuschnupfen. Beclometason, Fluticason und Mometason sind rezeptfrei in Apotheken erhältlich. (Foto: imago images / Michael Kristen)

Corticoid-Nasensprays sind die erste Wahl bei Heuschnupfen. Beclometason, Fluticason und Mometason sind rezeptfrei in Apotheken erhältlich. (Foto: imago images / Michael Kristen)


Nasale Glucocorticoide sind derzeit bei allergischer Rhinitis das Mittel der Wahl: Beclometason, Fluticason und Mometason bekommen Heuschnupfenpatienten auch ohne Rezept in der Apotheke. Können Patienten zwischen den einzelnen Corticoid-Sprays problemlos wechseln?

Wie lässt sich Heuschnupfen am besten lindern? Nasale Glucocorticoide gelten als Mittel der ersten Wahl bei allergischer Rhinitis (Heuschnupfen), das erklärt die britische Leitlinie zur Diagnose und Therapie der allergischen und nicht-allergischen Rhinitis („BSACI guideline for the diagnosis and management of allergic and non‐allergic rhinitis“) derBritish Society for Allergy & Clinical Immunology (BSACI). Mit dieser Einschätzung sind die Briten nicht allein: Laut dem Beitrag „International consensus statement on allergy and rhinology: allergic rhinitis—executive summary“ im International Forum of Allergy & Rhinology (Februar 2018) verringern intranasale Glucocorticoide heuschnupfenbedingte allergische Symptome der Augen und der Nase und sind wirksamer als orale Antihistamine und Leukotrienrezeptor-Antagonisten. 


Glucocorticoid-Nasensprays sind bei vielen Patienten Präparate der ersten Wahl, da sie zu einer wesentlichen Besserung der Nasen- und Augenbeschwerden führen. Alle nasalen Symptome einschließlich Obstruktion, werden stärker reduziert als mit H1-Antihistaminika, auch wird die Konzentration von Entzündungsmediatoren nachhaltig verringert“.

Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage


Nasale Glucocorticoide wirken gut gegen Niesen, eine verstopfte und laufende Nase und lindern den nasalen Juckreiz, fasste die US-amerikanische Leitlinie „Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis“ bereits vor Jahren zusammen. Eine neue deutsche Leitlinie „Allergische Rhinitis“ ist gerade in Arbeit, fertiggestellt sein soll sie laut Plan Ende März 2021.

Corticoid-Nasensprays: Rx und OTC

Nasale Glucocorticoide gibt es mit den Wirkstoffen Beclometason, Budesonid, Flunisolid, Fluticason und Mometason. Während Budesonid (z. B. Aquacort®) und Flunisolid (Syntaris® Nasenspray) durchweg verschreibungspflichtig ist, sind von Beclometason mit Ratioallerg® Heuschnupfenspray, von Fluticason (Fluticasonpropionat) in Otri-Allergie® Nasenspray und von Mometason in Mometahexal® Heuschnupfenspray oder Mometason-ratiopharm® Heuschnupfenspray neben Rx-Präparaten auch rezeptfreie Arzneimittel gegen allergische Rhinitis in der Apotheke verfügbar.

Können die Wirkstoffe einfach gegeneinander ausgetauscht werden, zum Beispiel auch, wenn die Heuschnupfengeplagten einmal kein Rezept vom Arzt holen möchten? Diese Frage erreichte wohl auch das Arzneitelegramm. Apotheker Bernd Niklas hat sich für die medizinische Fachzeitschrift, die eigenen Angaben zufolge „neutral, unabhängig und anzeigenfrei“ ist, die nasalen Glucocorticoide angeschaut.

Gleich wirksam, keine Vor- und Nachteile bei lokalen Nebenwirkungen

Hinsichtlich der Wirksamkeit können die einzelnen nasalen Corticosteroide nach Recherchen des Arzneitelegramms als „vergleichbar“ eingestuft werden. Auch bei den lokalen unerwünschten Arzneimittelwirkungen gibt es keine Unterschiede: Laut Fachinformation zu Otri-Allergie® Nasenspray mit Fluticason zählt Nasenbluten (Epistaxis) zu den sehr häufigen und Trockenheit der Nase, gereizte Nase, Trockenheit im Rachen, Rachenreizung  sowie Kopfschmerzen, unangenehmer Geschmack und unangenehmes Geruchsempfinden zu den häufigen Nebenwirkungen. Das deckt sich mit den Nebenwirkungen, die in den Fachinformationen zu beispielsweise Mometason-ratiopharm® Heuschnupfenspray und Syntaris® beschrieben sind. Auch im Fachbeitrag „International consensus statement on allergy and rhinology: allergic rhinitis—executive summary“ im International Forum of Allergy & Rhinology schreiben die Wissenschaftler, es komme bei längerfristiger Anwendung nasaler Glucocorticoide häufiger zu Nasenbluten als unter Placebo. Zudem weisen sie auf eine systemische Nebenwirkung hin: Nasale Corticoide könnten kurzfristige negative Auswirkungen auf das kindliche Wachstum haben, inwiefern sich dies auf die finale Körpergröße auswirke sei „unklar“.

Wachstumshemmung möglich?

Auch das Arzneitelegramm hat sich mit den möglichen Nebenwirkungen der Cortison-Nasensprays auf das Wachstum bei Kindern beschäftigt. Diese Überlegungen sind auch für Apotheker relevant, selbst wenn die nasalen Glucocorticoide im OTC-Sortiment ausschließlich für Erwachsene zugelassen sind: Das Längenwachstum gilt erst mit dem vollständigen Schluss der Epiphysenfugen im 19. Lebensjahr als abgeschlossen. Zudem dient es – da Wachstum leicht messbar ist – als Indikator beziehungsweise Surrogatparameter für systemische Nebenwirkungen generell, auch bei Erwachsenen. Die Idee: Werden die nasalen Glucocorticoide in einem Maß vom Körper aufgenommen, dass sie bei Kindern das Wachstum beeinträchtigen, muss man davon ausgehen, dass sie auch bei Erwachsenen zu systemischen Nebenwirkungen führen (beispielsweise Osteoporose).

Fluticason und Mometason bevorzugen?

Das Arzneitelegramm fand in den US-amerikanischen und britischen Leitlinien, dass bei den nasalen Glucocorticoiden zur Behandlung der allergischen Rhinitis eher Wirkstoffe empfohlen werden, die in Studien „keine negativen Effekte“ auf das Längenwachstum zeigten und die eine „vernachlässigbare“ Bioverfügbarkeit haben – wie Fluticason und Mometason. 

Ein Beitrag des Ärzteblatts „Allergische Rhinitis: Der Trend geht zu topischen Therapeutika“ aus dem Jahr 2015 beziffert die oralen Bioverfügbarkeiten von Beclometason auf 41 Prozent, Flunisolid auf 20 Prozent, Budesonid auf 11 Prozent und Fluticason sowie Mometason auf < 1 Prozent. Wichtig sei jedoch, weist das Arzneitelegramm hin, dass auch andere Faktoren (u. a. Lipophilie, die Affinität zum Glucocorticoid-Rezeptor) sich auswirken, welche systemischen Corticoidwirkungen zu erwarten seien.

Beclometason, Fluticason, Mometason: Wechsel „problemlos möglich“ 

Gute Studien zur potenziellen Wachstumsbeeinträchtigung durch topische Corticoide gibt es kaum, häufig haben die Untersuchungen an einem oder mehreren Punkten Schwächen – zu geringe Teilnehmerzahl und Altersgrenze zu hoch („No growth suppression in children treated with the maximum recommended dose of fluticasone propionate aqueous nasal spray for one year“), zusätzlich zur nasalen Therapie waren wochenweise orale Glucocorticoide (Prednisolon) erlaubt („Absence of Growth Retardation in Children With Perennial Allergic Rhinitis After One Year of Treatment With Mometasone Furoate Aqueous Nasal Spray“) oder die tägliche Budesoniddosis war mit 64 μg (statt 200 μg) sehr gering („Growth velocity in children with perennial allergic rhinitis treated with budesonide aqueous nasal spray“), musste das Arzneitelegramm feststellen. 

Gute Daten gibt es zum verschreibungspflichtigen Fluticasonfuroat (Avamys®), das nach Gabe von 110 Mikrogramm täglich (maximale Dosis für Kinder von 4 bis 11 Jahre 200 Mikrogramm pro Tag) über ein Jahr das Längenwachstum um 0,27 cm verringerte. Die Daten ließen auf einen zumindest geringen systemischen Effekt schließen, der derzeit auch für die anderen nasalen Glucocorticoide angenommen werden müsse, für die entsprechende Studien bislang jedoch fehlten, so das Arzneitelegramm.

OTC-Corticoid-Nasensprays austauschbar

Bei den in Apotheken auch rezeptfrei erhältlichen nasalen Glucocorticoiden Beclometason, Fluticason und Mometason ist nach Ansicht des Arzneitelegramms „ein Wechsel zwischen verschiedenen Wirkstoffen (…) in der Regel problemlos möglich“. Es gebe keine wesentlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Wirkstoffe. Demnach dürften alle OTC-Präparate gleichberechtigt empfohlen werden können, wenn Heuschnupfengeplagte einmal kein Rezept vom Arzt holen möchten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Fünf Fragen und fünf Antworten zu Nasensprays

Die Allergie bekämpfen mit Cortison

Erste Produkte in der Sichtwahl

OTC-Switch von Mometason und Fluticason

Beratung in der Apotheke

Corticoid-Nasenspray richtig anwenden

Was bei Heuschnupfen empfohlen werden kann

Glucocorticoid-Nasensprays: ja, nein, vielleicht?

Präparate-Vielfalt ermöglicht individuelle Empfehlung bei Heuschnupfen

Gut durch die Pollensaison

Grundlagen für das Medikationsmanagement

Allergische Rhinokonjunktivitis

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.