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Trojanisches Pferd?
Viele offene Fragen bei der europäischen Nutzenbewertung für Arzneimittel
Die Vor- und Nachteile im Überblick
Ein fraglicher Punkt ist demnach die Verbindlichkeit. In einer Publikation des Gemeinsamen Bundesausschusses über die „Verhandlungsperspektiven zur EU-HTA-Verordnung“ von Ortwin Schulte, Leiter des Gesundheitsreferates in der Ständigen Vertretung bei der EU, vom 3. Dezember 2019 werden als weitere offene Fragen der gerichtliche Rechtsschutz, der Anwendungsbereich und die Streitbeilegung genannt. Die Kommission wolle demnach Rechtsschutz auch zur wissenschaftlichen Bewertung vor dem Europäischen Gericht, während Deutschland und Frankreich für diesen Fall eine Überlagerung mit nationalen Verfahren fürchten. Die Kommission wolle alle neu zugelassenen Arzneimittel zentral bewerten, Deutschland und Frankreich dagegen nur etwa zehn ausgewählte Produkte pro Jahr. In Streitfällen wolle die Kommission zudem Abstimmungen mit einfacher Mehrheit ermöglichen.
Im Newsletter „Europapolitik“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 28. Januar 2020 wurden die rechtlichen Möglichkeiten, gegen die Bewertungen vorzugehen, die Einbeziehung von Medizinprodukten, die Kompetenzen der Europäischen Kommission und die Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten als kritische Punkte benannt. Außerdem hieß es dort, dass die damalige finnische Ratspräsidentschaft im Juli 2019 eine schrittweise Einführung des EU-HTA als Kompromiss vorgeschlagen habe. Demnach sollte sie in den ersten fünf Jahren zunächst auf fünf bis zehn Produkte eines Indikationsgebietes beschränkt sein.
Mischt sich die EU zu sehr ein?
Unabhängig von den divergierenden Interessen der Mitgliedstaaten sprechen aus gesamteuropäischer Perspektive folgende Vorteile für die europäische Bewertung: Mehrfache Arbeit wird vermieden, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern wird verstärkt, die Industrie erhält eine vereinheitlichte Grundlage für ihre Arbeit und die Bedeutung der EU steigt. Der letzte Aspekt könnte aber zu einem fundamentalen Problem werden. Trotz einiger Vorteile in der Sache stellt sich die Frage, ob die EU-Kommission mit dieser Idee einen Fuß in die Tür der Gesundheitssysteme bekommen will, die gemäß den Regeln der EU eine nationale Angelegenheit sind. Überspitzt gesagt: Ist der sachlich durchaus attraktive Vorschlag eine Art trojanisches Pferd, um die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für ihre Gesundheitssysteme auszuhebeln? Würde sich die EU-Kommission dann künftig mit ganz anderen Regeln mehr in die Systeme der Mitgliedstaaten einmischen?
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