Sektorenübergreifende Arzneimitteltherapie

Barmer-Projekt soll Informationslücken schließen

Berlin - 13.08.2020, 13:15 Uhr

Im Krankenhaus fehlt häufig der Überblick über die Medikation – eine langjährige Erkenntnis, der bislang erstaunlich wenig Taten folgten. (m / Foto: imago images / Rainer Weisflog)

Im Krankenhaus fehlt häufig der Überblick über die Medikation – eine langjährige Erkenntnis, der bislang erstaunlich wenig Taten folgten. (m / Foto: imago images / Rainer Weisflog)


Dass beim Übergang vom ambulanten in den stationären Sektor und zurück häufig wichtige Informationen zur Medikation versickern, ist keine neue Erkenntnis. Ebenso wenig, dass dies für die Patienten höchst riskant sein kann. Dennoch: Wesentliche Verbesserungen gab es in den vergangenen Jahren nicht. Das will die Barmer nun zusammen mit vielen Partnern – darunter die ADKA – mit dem vom Innovationsfonds geförderten Projekt TOP („Transsektorale Optimierung der Patientensicherheit“) ändern.

Rund 45 Prozent der stationär behandelten Patienten nehmen bereits vor der Krankenhausaufnahme fünf oder mehr Arzneimitteln ein. 62 Prozent von ihnen erhalten ihre Medikation von mindestens drei niedergelassenen Ärzten. Doch wie gut wissen die Klinikärzte tatsächlich über die Arzneimittel dieser Patienten Bescheid? Seit Oktober 2016 haben gesetzlich Krankenversicherte, die dauerhaft drei oder mehr Arzneimittel verordnet bekommen, einen Anspruch auf einen Medikationsplan – hilft das möglicherweise bei der Information?

Laut Barmer-Arzneimittelreport 2020, der die sektorenübergreifende Arzneimitteltherapie in den Fokus nimmt, trifft das nur sehr bedingt zu. Für den am heutigen Donnerstag vorgestellten Report wurden unter anderem knapp 2.900 versicherte Polypharmazie-Patienten und 150 Hausärzte befragt. Es zeigte sich: Nur 29 Prozent der Patienten hatten bei der Einweisung in die Klinik einen vollständigen Bundeseinheitlichen Medikationsplan samt QR-Code, 17 Prozent hatten gar keinen und bei jedem dritten war der Plan unvollständig. Hinzu kommt: Selbst wenn ein Medikationsplan existiert, heißt dies noch lange nicht, dass ein Patient diesen bei seiner Krankenhauseinweisung zur Hand hat. Mehr als die Hälfte aller Patienten konnte laut Barmer bei Krankenhausaufnahme keine Unterlagen zur medizinischen  Vorgeschichte von ihrem niedergelassenen Arzt vorlegen – und das, obwohl zwei von drei Patienten von einem niedergelassenen Arzt eingewiesen worden waren.

Barmer

Barmer-Vorstandschef Professor Christoph Straub betonte bei der Vorstellung des Reports, dass diese Informationslücken an den Sektorengrenzen seit Jahrzehnten bekannt seien und auch vom Gesundheitssachverständigenrat schon lange angemahnt würden. Und obwohl es den Anspruch auf den Medikationsplan gibt, bestünden bei der Krankenhausaufnahme weiterhin „gefährliche Informationsdefizite“ – und das könne schlimmstenfalls lebensbedrohliche Folgen haben. Für Straub ist dies „absolut unverständlich“.

Medikationsplan: Für Kliniken nicht vorgeschrieben

Auch bei der Entlassung aus den Krankenhäusern mangele es häufig an ausreichenden Informationen für die behandelnden Ärzte, erklärte Professor Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken und einer der Autoren des Barmer-Arzneimittelreports. Jeder dritte in einem Krankenhaus behandelte Patient mit geänderter Therapie habe dort keinen aktualisierten Medikationsplan erhalten. Viele Befragte hätten angegeben, dass ihnen die neue Therapie vom Arzt nicht erklärt worden sei. „Eine Arzneitherapie kann nur erfolgreich sein, wenn der Patient sie versteht und mitträgt. Dazu muss er sie entsprechend erklärt bekommen“, so Grandt. Ein Problem sei, dass der Bundeseinheitliche Medikationsplan für Kliniken nicht vorgeschrieben sei – genau das wäre aber sinnvoll für sektorenübergreifenden Informationsfluss.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Barmer Projekte sind uns leidlich bekannt.

von Heiko Barz am 14.08.2020 um 10:52 Uhr

Natürlich stehen wir alle im Gesundheits-System hier an der Seite der Barmer, denn nichts ist für den Patienten wichtiger, als eine genaue Anamnese und der diese zur Behebung begleitenden AM.
....Die Absicht seh ich schon, allein mir fehlt der Glaube...
War es nicht die Barmer, die uns Apotheker schon mal in ein „Hausapotheker“ Model ködern wollte mit seltsamen und kryptischen finanziellen Versprechungen.
Das Ganze scheint wiedermal nur ein Profilierungsversuch einer schwächelnden KKasse zu sein.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.