Keine Berufung zu Rezeptur mit Idebenon-Kapseln

Streit um „wesentliche Herstellungsschritte“ endet mit Vergleich

Berlin - 26.08.2020, 07:00 Uhr

Ob die Herstellung von Idebenon-Kapseln in der Apotheke unter das Rezepturprivileg fällt, wird so schnell nicht höchstrichterlich geklärt sein. (c / Foto: enriscapes / Stock.adobe.com)

Ob die Herstellung von Idebenon-Kapseln in der Apotheke unter das Rezepturprivileg fällt, wird so schnell nicht höchstrichterlich geklärt sein. (c / Foto: enriscapes / Stock.adobe.com)


Vergleich wegen des wirtschaftlichen Risikos

Doch das Berufungsverfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgerichts endete nun mit einem Vergleich. Nach Informationen aus Verhandlungskreisen nimmt der beklagte Apotheker die Berufung zurück und verzichtet damit auf die Herstellung der betreffenden Rezeptur. Zugleich verzichtet die Klägerin auf Schadensersatz. Auf Anfrage von DAZ.online erklärte der beklagte Apotheker, er habe dem Vergleich wegen der „exorbitanten Streitwerte“ und der damit korrelierenden Höhe der Schadensersatzforderungen im Fall eines Obsiegens der Gegenpartei in diesem wettbewerbsrechtlichen Prozess zugestimmt. Dieses Risiko sei ihm zu hoch erschienen, nachdem das Oberlandesgericht zuvor mitgeteilte habe, es wolle dem Landgericht Hamburg in seiner Auffassung folgen, dass es für das zulassungsfreie Inverkehrbringen von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln erforderlich sei, dass der Schwerpunkt der Herstellungstätigkeit bei arbeitsteiligen Produktionsprozessen in der Apotheke liege. Gemäß der Auffassung des Gerichts ließen die hier in der Apotheke vorgenommenen Herstellungsschritte nicht hinreichend erkennen, dass die wesentlichen Herstellungsschritte in der Apotheke erfolgen. Der beklagte Apotheker erklärte gegenüber DAZ.online weiter, in einem diesbezüglichen Verwaltungsgerichtsverfahren ohne Schadensersatzforderungen hätte er einem solchen Vergleich nicht zugestimmt.

Thema schon auf der Tagesordnung des DAT 2018

Aufgrund des Vergleichs unterbleibt nun die weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Fall und den dazu erstellten Gutachten. Nach Informationen von DAZ.online waren berufsständische Organisationen nicht an dem Verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme der ABDA oder einer Mitgliedsorganisation hätte es demnach auch bei einer mündlichen Verhandlung nicht gegeben, obwohl bereits der Deutsche Apothekertag 2018 das Thema aufgegriffen hatte und dabei in einem Antrag die berufspolitische Bedeutung aufgezeigt wurde. Die Hauptversammlung hatte damals einem Antrag des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg zugestimmt, in dem der Gesetzgeber aufgefordert wird, das Rezeptur- und Defekturprivileg zu stärken. Dazu sollte im Arzneimittelgesetz (AMG) redaktionell klargestellt werden, dass alle in § 4 Abs. 14 AMG aufgeführten Verarbeitungstätigkeiten die Anforderungen eines „wesentlichen Herstellungsschrittes“ in der Apotheke erfüllen. In der Begründung zu diesem Antrag hieß es, die Frage nach den „wesentlichen Herstellungsschritten“ habe in der Rechtsprechung der letzten Jahre eine neue Dynamik erfahren. Diese Tendenzen seien äußerst bedenklich und keinesfalls im Lichte der Arzneimittelsicherheit, der Rechtssicherheit und des Versorgungsauftrages der Apotheke zu sehen. Daher bedürfe es einer Klarstellung der Begrifflichkeit des „wesentlichen Herstellungsschrittes“ im Sinne des Antrags. Obwohl dieser Antrag vor nunmehr zwei Jahren verabschiedet wurde, ist über diesbezügliche Gesetzesinitiativen seitdem nichts bekannt geworden.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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