Umsatzsteuer auf Herstellerrabatt

AOK Hessen will Vereinbarung mit Apotheken – welche Risiken bestehen?

Koblenz - 03.09.2020, 07:00 Uhr

Einige Krankenkassen gehen aufgrund eines finanzgerichtlichen Urteils davon aus, die vergangenen Jahre zu viel anteilige Umsatzsteuer an die Apotheker als Leistungserbringer gezahlt zu haben. (Foto: imago images / Andreas Gora)

Einige Krankenkassen gehen aufgrund eines finanzgerichtlichen Urteils davon aus, die vergangenen Jahre zu viel anteilige Umsatzsteuer an die Apotheker als Leistungserbringer gezahlt zu haben. (Foto: imago images / Andreas Gora)


Gibt es Vorteile für Apotheken? Und was bedeutet die Vereinbarung für sie generell?

Der vermeintliche Vorteil für die Apothekeninhaber liegt in einem Verzicht auf einen möglichen Zinsanspruch beziehungsweise in der Reduzierung eines denkbaren Zinsrisikos für den Fall des Obsiegens der Krankenkassen.

Dieser Zinsverzicht lässt sich meines Erachtens allerdings innerhalb eines anhängigen Klageverfahrens auch dadurch erreichen, dass man die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens, auf dass die AOK Hessen in den laufenden Verfahren hinwirkt, von einem entsprechenden Verzicht auf einen möglichen Zinsanspruch abhängig macht.

Auch versucht die AOK Hessen diejenigen Apothekeninhaber, gegen die bisher keine Klage rechtshängig gemacht wurde, zur Abgabe dieser Vereinbarung und Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung zu bewegen. Dies gilt selbst in den Fällen, in denen zum 31. Dezember 2019 bereits ein Berufen auf den Tatbestand der Verjährung möglich ist. Als vermeintliches Entgegenkommen bietet die AOK Hessen auch hier alleinig einen Verzicht auf die Verzinsung der von ihr behaupteten Rückzahlungsansprüche an.

Was bringt die Vereinbarung Apothekeninhabern?

Gerade für Apothekeninhaber die bisher von der Krankenkasse noch nicht verklagt wurden, bedeutet die Vereinbarung, wie oben bereits angedeutet, eine echte Schlechterstellung. Sie könnten sich insbesondere für das Jahr 2015 bereits auf die Einrede der Verjährung berufen und verzichten mit Abgabe dieser Erklärung „rückwirkend“ auf diese vorteilhafte Position. Dadurch wird ein Anspruch wieder eröffnet, der bereits verjährt war und somit wieder durchsetzbar wird.

Für die Apothekeninhaber, gegen die bereits für das Jahr 2015 ein Klageverfahren anhängig ist, bedeutet die Vereinbarung allein für die AOK Hessen eine erhebliche Arbeitserleichterung und Aufwandsvermeidung. Bisher waren die Klagen auf Ansprüche des Jahres 2015 beschränkt. Um für weitere Jahre Ansprüche geltend machen zu können, müssten die bestehenden Klagen erweitert oder weitere Klagen anhängig gemacht werden.

Vor dem Hintergrund, dass die Rechtsauffassung der Krankenkassen äußerst zweifelhaft ist und zu befürchten ist, dass die Möglichkeit der Änderung von Umsatzsteuerbescheiden in einer Vielzahl von Fällen nicht mehr gegeben sein dürfte, gehen die Apothekeninhaber ein erhebliches finanzielles Risiko ein am Ende auf der zurückzuzahlenden Umsatzsteuer sitzen zu bleiben. 

Es sollte daher sehr gut geprüft werden, ob die Vereinbarung unterzeichnet werden kann. In der Vielzahl der Fälle ist dies sicherlich zu verneinen. 

Insbesondere Apothekeninhaber die bisher für das Jahr 2015 keine Klage erhalten haben, sollten zwingend von der Abgabe der Vereinbarung absehen.



Niko Hümmer, Steuerberater
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Phalanx bilden, Spieße umdrehen!

von Andreas P. Schenkel am 08.09.2020 um 20:39 Uhr

Kollegen! Schickt der AOK Hessen ein Schreiben mit dem Angebot, gegen Zahlung einer unwiderruflich und unzurückklagbar zu leistenden Vereinbarungs-Abschlussgebühr in Höhe von 10.000,00 € (zuzüglich vollständigem Vertragserrichtungshonorar für den apothekerlichen Anwalt), zahlbar in voller Höhe innerhalb 4 Wochen nach Zugang, die geforderte Erklärung unverzüglich abzugeben. Alleine dies wird derart viele Verwaltungsvorgänge auslösen, um die SoFas (Sozialfacharbeiter, wie bezeichnend!) komplett mit Arbeit zuzudecken. Die Summe erscheint angesichts der 5 Jahre Umsatz das finanzielle Risiko für beide Seiten angemessen abzubilden, ist je nach Umsatzgröße freilich anzupassen. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag ist mittels §§ 53 -61 SGB X (ja, es gibt wirklich mehr als 10 Sozialgesetzbücher, wir sind gesegnet!) wohl abschließbar. Und rechtlich zulässige Angebote kann man ja mal machen. Wie sagte ein mittlerweile 75-jähriger berühmter Bayer: "Schaun mer mal.". Und ich entgegne: "Dann seng ma schoo.".

Lasst euch dies niemals gefallen. Hackt die AOK verwaltungsrechtlich!

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Dienstleistung ohne Honorierung!

von Thomas Eper am 03.09.2020 um 9:22 Uhr

Als erstes sollte mal klar gestellt werden, dass wir mal wieder eine Dienstleistung ohne Honorierung für die Kassen erbringen; sogar mit finanziellem Risiko, da manche Hersteller uns die Zahlung verweigern (z.B. ADL-Pharma).

Also "liebe" Krankenkassen: bitte künftig entweder eine Vergütung an uns zahlen, oder selber eintreiben.

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Kaisers Bart?

von Karl Friedrich Müller am 03.09.2020 um 8:44 Uhr

So ganz blicke ich nicht durch.
Die AOK will was durchsetzen, auf das sie keinen Anspruch hat.
Apotheken sollen geschröpft werden. Oder?
Und. Was geht uns der Herstellerabschlag an? Wenn die AOK mit der Regelung - die auf UNSERE KOSTEN läuft - nicht zufrieden ist, soll sie den Abschlag selbst einfordern und wir sind raus.
Wäre die sauberste Lösung.

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