Junge Liberale NRW

Keine Alternativmedizin von approbierten Heilberuflern

Traunstein - 15.09.2020, 09:15 Uhr

Die Jungen Liberalen finden: Alternativmedizin, für die es keinen evidenten, nach wissenschaftlichen Kriterien belegten Wirkungsnachweis gibt, sollte von approbierten Heilberuflern nicht angeboten werden. (m / Foto: PhotoSG / Stock.adobe.com)

Die Jungen Liberalen finden: Alternativmedizin, für die es keinen evidenten, nach wissenschaftlichen Kriterien belegten Wirkungsnachweis gibt, sollte von approbierten Heilberuflern nicht angeboten werden. (m / Foto: PhotoSG / Stock.adobe.com)


Am kommenden Donnerstag ist der Tag der Patientensicherheit. Das nehmen die Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalen zum Anlass, auf ihren Beschluss „Approbation für Heilberufe, nicht für Quacksalber“ hinzuweisen. Darin fordern sie unter anderem, dass approbierte Heilberufler keine Behandlungen anbieten dürfen, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist, und dass die staatliche Zulassung für Heilpraktiker abgeschafft wird.

Als in Frankreich vor gut einem Jahr beschlossen wurde, dass homöopathische Präparate ab dem Jahr 2021 nicht mehr von der nationalen Krankenversicherung erstattet werden sollen, nahm auch in Deutschland die Diskussion über alternative Heilmethoden an Fahrt auf. In der Großen Koalition wurden (und werden) dazu durchaus kontroverse Ansichten vertreten, doch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn machte unmissverständlich deutlich, dass er die Kostenübernahme für homöopathische Arzneimittel durch die Krankenkassen nicht antasten will. Angesichts von Arzneimittelausgaben von rund 40 Milliarden Euro im Jahr und etwa 20 Millionen Euro für Homöopathie habe er sich entschlossen, es sei „so okay“.

Richtig schwer tun sich die Grünen beim Thema alternative Heilmethoden. Nachdem im September 2019 der Antrag „Echter Patient*innen­schutz: Bevorteilung der Homöopathie beenden!“ für die Bundesdelegiertenkonferenz im November 2019 zunächst zu einem wahren Glaubenskrieg geführt hatte, sorgte der Parteivorsitzende Robert Habeck eilends dafür, dass das Thema kleingehalten wird. Ein erst kürzlich gefundener Kompromiss soll nun darin bestehen, dass die gesetzlichen Krankenkassen über einen Sondertarif homöopathische Medikamente erstatten. Damit gebe es, so Habeck in der ARD, ein „Solidarsystem innerhalb der Homöopathie-Medikamenten-Liebhaber“, aber die Allgemeinheit zahle nicht dafür.

Informationsassymetrie erfordert staatliche Qualitätskontrolle

Ganz anders positioniert sich die Nachwuchsorganisation der FDP, die Jungen Liberalen. Bereits vor gut einem Jahr fasste der erweiterte Landes-Vorstand der Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalen einen Beschluss mit dem Titel „Approbation für Heilberufe, nicht für Quacksalber“. Anlässlich des Tages der Patientensicherheit am kommenden Donnerstag will der Landesverband diesen Beschluss nun breiter in die Öffentlichkeit tragen. Wörtlich heißt es darin: „In der Abwägung zwischen freier Berufsausübung und Schutz von Patienten und deren Gesundheit überwiegt die Notwendigkeit, nur Personen in einem Heilberuf praktizieren zu lassen, die auch zur Heilung von Patienten beitragen. Umso erschrockener nehmen wir den zunehmenden Trend von ‚alternativ-medizinischen Behandlungen‘ (z. B. homöopathische oder anthroposophische Verfahren) unter dem staatlichen ‚Qualitätsversprechen‘ der Approbation zur Kenntnis.“ Aufgrund der starken Informationsasymmetrie könnten Patienten nicht zwischen wirksamer und unwirksamer Behandlung unterscheiden und seien deshalb auf die staatliche Qualitätskontrolle angewiesen.

Vor diesem Hintergrund erheben die Jungen Liberalen verschiedene Forderungen. So solle die Approbation für einen Heilberuf daran gekoppelt werden, dass der Inhaber „keine wissenschaftlich nicht validierten, unwirksamen oder in ihrer Wirksamkeit nicht nachgewiesenen Behandlungen durchführt oder anbietet“. Das gelte insbesondere, wenn dies nur einen Teil seines Behandlungsspektrums umfasse, da die Vermischung von fundierten medizinischen Behandlungen und unwirksamen Alternativmethoden zu einer großen Patientenverunsicherung führe.

„Wissenschaftlich eindeutig, dass keine positive Wirkung vorliegt“

Generell sollen nach den Vorstellungen der Jungen Liberalen „Leistungen, für die es keinen evidenten, nach wissenschaftlichen Kriterien belegten Wirkungsnachweis gibt“, von approbierten Heilberuflern nicht angeboten oder durchgeführt werden. „Darüber hinaus müssen diese Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherungen gestrichen werden“, heißt es weiter. Der stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalen Tim Schütz erläutert dazu: „Wenn ich sehe, welche durchaus sinnvollen Maßnahmen zum Teil nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, ist es schon fast zynisch, wenn die Allgemeinheit Behandlungen finanziert, die nicht wirksam sind.“

Zudem soll die staatliche Zulassung für den Beruf des Heilpraktikers als Heilberuf abgeschafft und die Umsatzsteuerbefreiung für Heilpraktiker aufgehoben werden.

Hinweis auf Unwirksamkeit auf der Packung oder im Beipackzettel

Für die Apotheker von Bedeutung dürfte insbesondere der letzte Punkt des Beschlusses sein. Darin gefordert wird eine „Informationspflicht über die Unwirksamkeit nicht evident wirksamer Behandlungen für jeden, der diese anbietet oder verkauft“. Auf Nachfrage von DAZ.online, wie das konkret bei homöopathischen Arzneimitteln aussehen könnte, erklärt Tim Schütz, dass auf dem Beipackzettel oder der Verpackung auf eine fehlende Wirksamkeit hingewiesen werden müsse. Als Begründung erläutert Schütz: „Nur mit maximaler Transparenz kann der Mythos einer sinnvollen Alternative zur modernen Medizin entzaubert werden.“

Ganz verbieten wollen allerdings die Jungen Liberalen alternative Heilverfahren nicht. „Jeder Mensch soll auch weiterhin die Möglichkeit haben, homöopathische Mittel oder anthroposophische Verfahren in Anspruch zu nehmen. Jedoch muss von staatlicher Seite deutlich gemacht werden, dass wissenschaftlich eindeutig klar ist, dass keine positive Wirkung vorliegt“, so Schütz gegenüber DAZ.online. Dabei bleibt allerdings unklar, wer denn noch entsprechende Behandlungen anbieten kann, wenn dies approbierten Heilberuflern untersagt und der Heilpraktikerberuf  abgeschafft wird. 

Wie geht es nun weiter?

Doch wie geht es nun weiter mit dem Beschluss der Jungen Liberalen? Beim bevorstehenden Bundesparteitag am kommenden Samstag in Berlin wird jedenfalls kein entsprechender Antrag eingebracht. Aufgrund der Corona-Pandemie werde nur ein kleiner Parteitag abgehalten, so Schütz, deshalb wolle man das Thema erst einmal auf anderem Wege in die Öffentlichkeit bringen. Unterstützung dürften die Jungen Liberalen bei der Bundestagsfraktion der FDP finden, wo man zumindest die Erstattung von Homöopathika durch die GKV kritisch sieht. So äußerte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus, im vergangenen Jahr gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Jeder, der Homöopathie befürwortet, soll sie auch weiter erwerben können. Aber auf Selbstzahlerbasis.“ Anders sieht es aus bei der Abschaffung des Heilpraktikerberufs. Dort legte die FDP-Bundestagsfraktion im Frühjahr 2019 ein Positionspapier vor, nach dem der Heilpraktikerberuf – im Gegensatz zu früheren Forderungen der Arbeitsgruppe Gesundheit der FDP-Fraktion – nicht abgeschafft werden soll. „Wir nehmen wahr, dass sich Menschen von Heilpraktikern gut beraten und betreut füh­len. Wir respektieren das Empfinden der Menschen, Heilung zu finden“, so Pascal Ko­ber, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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8 Kommentare

Ärzte sind Garant für Patientensicherheit

von Dr. med. Fred-Holger Ludwig am 17.09.2020 um 17:06 Uhr

Patientensicherheit mit Blick auf die Homöopathie ist dann gewährleistet, wenn sie in qualifizierten ärztlichen Händen angewendet wird. Die ärztliche Approbation und die Weiterbildung dieser Mediziner im Bereich der Homöopathie ist Garant für die Patientensicherheit. Wer sich von vornherein einer ärztlich praktizierten Homöopathie verschließt oder sie sogar in den Kontext der Patientengefährdung rückt, verweigert Patienten die Chance auf eine Behandlungsoption, die sich gerade bei chronischen Erkrankungen in vielfacher Hinsicht tagtäglich bewährt.

Es ist Aufgabe von Ärzten, auf mögliche Behandlungsoptionen hinzuweisen, die in geeigneten Fällen auch die Homöopathie einbezieht. Es zeugt von erschreckendem Bevormundung der Ärzteschaft und ihrer hochwertigen Ausbildung in Deutschland gegenüber, wenn man ihnen diese Kompetenz kategorisch abspricht und ihnen die Möglichkeit entzieht, sich in der Homöopathie weiterzubilden.

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Hat da auch mal jemand nachgedacht?

von CB am 16.09.2020 um 17:22 Uhr

Wie hirnlos ist eine solche Forderung? Über 80% sind auch in der Schulmedizin nicht evidenzbasiert und funktioniert trotzdem. Demnach würde uns Ärzten kaum noch eine Behandlungsmöglichkeit bleiben. EBM schön und gut,erstrebenswert und ausbaufähig, aber solche Forderungen gehen ganz weit an der Realität vorbei!
Viele Grüße CB

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Politische Empfehlungen

von Carsten Pötter am 16.09.2020 um 16:58 Uhr

Ich bin den Jungen Liberalen überaus dankbar, dass sie mir erzählen, wie ich meine Arbeit zu machen habe. Ich bin ein Freund von Bevormundung. Es gibt ja in diesem Land viel zu wenig Apotheker und Ärzte, die nicht wissen, wie ihr Beruf funktioniert und daher auch nicht wissen können, worauf sie achten sollten. Da sind Denkhilfen und Denkanregungen seitens der Politik immer willkommen. Aus diesen Reihen kommen stets gute und sinnvolle Anregungen.
Dazu zählt auch die Forderung, dass approbierte Heilberufler keine Behandlungen anbieten dürfen, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist. Dann bietet es sich geradezu an, dass in diesem Zuge die vermeintlichen Störenfriede gleich mit entsorgt werden in dem die staatliche Zulassung für Heilpraktiker abgeschafft wird.

Ob diese Jungen Liberalen eine Ahnung haben, was Wirksamkeit tatsächlich bedeutet und was in den Arztpraxen los wäre, wenn diese auch noch jene Patienten versorgen müssten, die ganz bewusst den Weg zum Heilpraktiker wählen? Da habe ich meine Zweifel.
Die Jungen Liberalen machen sich also Sorgen um die Patientensicherheit, und sind bestrebt, die Menschen vor Quacksalbern zu schützen. Wenn Naturheilkunde und Komplementärmedizin nicht funktionieren würde, fragt sich der geneigte Beobachter, warum es dann von so vielen Menschen in Anspruch genommen wird. Oder sollen diese Verfahren und der deswegen Heilpraktiker verschwinden, weil diese die Etablierung einer „evidenten“ Einheitsmedizin im Wege steht?
Wer sich mit Schulmedizin näher beschäftigt, wird früher oder später feststellen, dass diese an Heilung nicht interessiert ist, sondern an der Verwaltung von Krankheiten. Eine auf Messen, Wiegen und Zählen beruhende Disziplin kann aufgrund der sehr eingeschränkten Sichtweise auf den Menschen kein Konzept für Heilung entwickeln, weil sie den Menschen als Bio-Maschine begreift und nicht als Lebewesen. Sie kann daher ihr Potential ausschließlich bei der Notfallmedizin entfalten, aber zur Lösung von chronischen Störungen bietet sie bis heute kein schlüssiges Konzept.

Wer den Gedanken zulässt, dass der Mensch ein beseelter Organismus und kein toter Mechanismus ist und darüber hinaus versteht, das hinter diesem Bild auch ein energetisches Konzept steht, kann leichter nachvollziehen, dass nicht nur chemisch definierte Stoffe (Pharmaka) eine Wirkung entfalten, sondern auch Energieträger, wie dies bei Homöopathika der Fall ist.
Note bene: Der Mensch leidet oftmals an Bedingungen, die er nicht verändern kann und stirbt letztlich an deren Evidenz. Das, was ihn zur Genesung führen könnte ist die Hoffnung, dass er die Dinge verändern möge, die er verändern kann und die Weisheit entwickelt, das Eine vom Anderen zu unterscheiden.

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Unpassende Gleichsetzung, systemische Erkrankungen

von LJP am 16.09.2020 um 11:07 Uhr

1. Gerade systemische Erkrankungen mit ihren somatischen, psychischen und familiensystematischen Faktoren lassen sich mit systemischer Begleitung der Krankheitsprozesse und -phasen besser behandeln und begleiten als es die komplementäre Medizin im Moment mit ihrer symptomatischen Verschreibungspraxis vermag.

2. Das System der Anthroposophie krankt daran, das unter dem Deckmantel einer bis zwei Marken und aufgeladen mit einer Weltsicht (!) eine Wirkprüfung nicht erfolgt und nach Gefühl verschrieben wird. Aus diesem Grund bedarf die anthroposophische Verschreibungspraxis und die anthroposophische Ausbildungen sogar von Ärzten dringend einer Reform.

Die klassische Homöopathie jedoch aus Sicht Liberaler mit einer 'und'-Verknüpfung auf ebendieselbe Stufe zu stellen, obgleich sie -Achtung! - das menschliche System in seinem Umfeld betrachtet und damit eine im Kern naturwissenschaftliche und nicht weltpolitisch verbrämte Betrachtungsweise vollzieht, ist gänzlich unpassend.

Gruß
Lyssa Plothe, Kiel

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Therapiefreiheit

von PD am 15.09.2020 um 19:30 Uhr

Wir haben theoretisch Therapiefreiheit von Ärzten in diesem Land, und da wäre auch gut so, wenn sich die Politiker aus solchen Entscheidungen heraus halten würden, als auch die Versicherungen. Warum wurden denn wohl diese freien, unabhängigen Berufe geschaffen? Ich frage mich, wann es denn den Ärzten genug ist, bei uns Apothekern habe ich die Hoffnung, insbesondere auf unsre Verbände, schon aufgegeben.

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Mitreden mit Qualifikation

von Thomas Eper am 15.09.2020 um 11:40 Uhr

Wer wen wann wie behandelt und welche Heilmittel verordnet, sollte immer die Person entscheiden, welche über die entsprechende Ausbildung verfügt und nicht Politiker!

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Keine Alternativmedizin von approbierten Heilberuflern

von Martha M. am 15.09.2020 um 9:57 Uhr

Das wird aber schwierig. Da es für einen Großteil schulmedizinischer Medikamte auch kein eindeutiger Wirksamkeitsnachweis auf Basis von Studien vorliegt und auch nur ein kleiner Teil der Behandlungen in der Schulmedizin evidenzbasiert sind, bleibt dann nicht mehr viel übrig. MfG Martha M.

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