Kassennachrüstung

Scholz geht auf Konfrontationskurs

Traunstein - 16.09.2020, 15:00 Uhr

Finanzminister Olaf Scholz will keinen weiteren Aufschub bei der Kassennachrüstung. (m / Foto: imago images / Metodi Popow)

Finanzminister Olaf Scholz will keinen weiteren Aufschub bei der Kassennachrüstung. (m / Foto: imago images / Metodi Popow)


Beim Thema Kassennachrüstung war scheinbar Ruhe eingekehrt: Fast alle Bundesländer erlaubten, dass Registrierkassen unter bestimmten Voraussetzungen erst bis zum 31. März 2021 mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung versehen sein müssen. Doch nun will Bundesfinanzminister Olaf Scholz seinen Länderkollegen einen Strich durch die Rechnung machen, indem er auf eine Nachrüstung bis zum 30. September besteht.

Mit der Kassennachschau und der Bonpflicht sind bereits wesentliche Teile des am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen umgesetzt. Als weitere Maßnahme sollen die Registrierkassen mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) versehen werden, die es ermöglicht, dass die Daten nach einem einheitlichen Standard digital aus der Kasse ausgelesen und durch die Finanzverwaltung geprüft werden können. Ziel all dieser Maßnahmen ist zu verhindern, dass Einzelhändler, Gastronomen etc. Steuern hinterziehen, indem sie beispielsweise nachträglich Umsätze löschen.

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Doch die Kassennachrüstung gestaltet sich schwierig. Eigentlich sollte sie schon Ende vergangenen Jahres umgesetzt sein, aber nachdem sich angedeutet hatte, dass dieser Termin aufgrund der fehlenden technischen Voraussetzungen nicht haltbar sein würde, verlängerte das Bundesministerium der Finanzen die Frist mit einem Nichtbeanstandungserlass bis zum 30. September 2020. Als sich abzeichnete, dass auch dieser Termin von vielen Betrieben nicht eingehalten werden kann, da die Corona-Pandemie und die vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer zu zusätzlichen Belastungen führten, reagierten die meisten Bundesländer pragmatisch. Per Erlass verlängerten sie die Frist bis zum 31. März 2021, Voraussetzung ist in der Regel, dass eine entsprechende Nachrüstung bis zum 30. September 2020 verbindlich beauftragt wurde. 

Fachliche Weisung aus Berlin

Doch nun will Bundesfinanzminister Olaf Scholz seinen Länderkollegen einen Strich durch die Rechnung machen. Bereits im Juli hatte das Bundesministerium der Finanzen auf Nachfrage von DAZ.online mitgeteilt, es gehe „weiterhin davon aus, dass das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen nach Ablauf der Nichtbeanstandungsregelung am 1. Oktober 2020 angewandt wird“. An dieser Auffassung hat sich offenbar trotz der eindeutigen Haltung der Bundesländer nichts geändert. Denn in einem Schreiben, das zwar auf den 18. August 2020 datiert ist, aber erst zum vergangenen Wochenende veröffentlicht wurde, weist das Bundesministerium der Finanzen darauf hin, dass die Nichtbeanstandung einer fehlenden zertifizierten Sicherheitseinrichtung längstens bis zum 30. September 2020 erlaubt ist. Mit einer „fachlichen Weisung“ wird klargestellt, dass „eine Bewilligung von Erleichterungen im Regelfall nur auf Antrag ausgesprochen werden darf“. Abweichende Erlasse, heißt es weiter, „bedürfen der Abstimmung (…) zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und den obersten Finanzbehörden der Länder“. 

Länder wollen an Fristverlängerung festhalten

Doch diese sind offenbar keineswegs alle geneigt, sich dem Befehl aus Berlin zu beugen. So äußerte der stellvertretende rheinland-pfälzische Ministerpräsident und designierte FDP-Generalsekretär Volker Wissing gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Diese Verpflichtung, zertifizierte Registrierkassen einzuführen, können wir nicht mitten in der Corona-Pandemie zum 1. Oktober verpflichtend umsetzen.“ Es ergebe keinen Sinn, so Wissing weiter, Milliarden für die Stabilisierung der Wirtschaft in die Hand zu nehmen „und sie gleichzeitig wegen einer Petitesse, einer Fristverlängerung, in die Kniekehle zu treten“. Laut Informationen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) haben bereits Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bekannt gegeben, dass sie trotz der Weisung von Scholz an ihren Fristverlängerungen festhalten. Einen aktuellen Überblick über die Regelungen in den einzelnen Bundesländern findet sich auf der Website des (ZDH).

HDE kritisiert Regelungschaos

Der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisiert das „Regelungschaos“. „Die Handelsunternehmen können die Vorgaben des Kassengesetzes nicht fristgerecht umsetzen. Der Bundesfinanzminister bringt die Händler in eine höchst unsichere Lage, in der sie sehenden Auges gegen die Vorgaben verstoßen werden“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Er fordert daher: „Der Bundesfinanzminister sollte die Länderregelungen akzeptieren und den Unternehmen bis zum 31.3.2021 Zeit geben. Das jetzige Vorgehen ist eines Rechtsstaates nicht würdig.“ Der Kampf gegen Steuerhinterziehung sei richtig und wichtig – auch für einen fairen Wettbewerb. Dabei dürften aber nicht rechtstreue Unternehmen durch politische Spielchen in Konflikt mit dem Gesetz gezwungen werden. 



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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6 Kommentare

SPD Spezialität

von ratatosk am 17.09.2020 um 9:00 Uhr

Leider immer öfter, daß die Spd die kleinen und mittleren Unternehmen für ihre Phantasien bluten lassen will und um den Großkonzernen, wo es aber Gewerkschaften gibt, Gefälligkeiten zu erweisen.
Selbständige und Handwerker waren schon immer das Hauptziel des Abkassierens !
Bon Irrsinn + digitale Überwachung , das ist an Inkompetenz nicht zu überbieten. Wohin dieser Irrsinn die Partei bringt, kann man an jeder beliebigen Wahl gottseidank ablesen. Schade um eine früher wichtige und seriöse Partei, die mit ihre Größen wie Schmidt und Brandt nichts mehr zu tun hat.

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Scholz

von Dr.Diefenbach am 16.09.2020 um 18:36 Uhr

Was für ein armseliger Vizekanzler.Wenn man ihm ggf noch einige Sympathien abgewinnen konnte in der Vergangenheit, so verfliegt das Alles in Tagen.Wirecard:Nichts gewusst,Steuerschulderlass Hamburg:Nichts damit zu tun haben(Normal nimmt der obere Dienstherr seinen Hut),ach so:hier geht es ja nur um Milliarden.Da muss man die Menschen,denen man im Einzelhandel natürlich Unsitten im Grossen unterstellt, mal so RICHTIG umerziehen und die Kassenüberwachung verfeinern.Gott wie erbärmlich dieser Mann ist.Und da gebe ich Herrn Müller voll recht:So eine Erscheinung als Kanzlerkandidat der SPD???Leichtes Spiel für andere ?! Der Wahlkampf hat ja schon begonnen; mit derlei Aktionen könnte Scholz gleich 0:1 zurückliegen.Man schikaniert sein Volk nicht ungestraft!Aber eine Partei die aus 23 nach 31 Prozent bei einer Kommunalwahl einen Erfolg bastelt, spricht vom IQ her für sich....

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Warburg, da war doch was?

von Karl Friedrich Müller am 16.09.2020 um 18:15 Uhr

Schon erstaunlich für wie nen Minister, der den Verdacht nicht ausräumen kann, einer Bank die Rückzahlung von ergaunertem Geld, immerhin zwischen 40 und 90 Millionen durch Untätigkeit erlasen zu haben. Verjährung.

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offene Ladenkasse

von Arnulf Diesel am 16.09.2020 um 17:33 Uhr

Solange die "offene Ladenkasse" noch zulässig ist, bringt die Maßnahme nur den Herstellern von Hard- und Software etwas. Es gibt hier in der Landeshauptstadt Gewerbebetriebe, die nur ungern eine Rechnung ausstellen, die dann händisch verfaßt wird. Der Fachkräftemangel ist besonders in der Politik spürbar, der Herr Finanzminister legt sein Geld auf dem Girokonto an, versteht aber zumindest genug von der Bedeutung ganz spezieller Aktiengeschäfte.

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Hausaufgaben

von Frank Zacharias am 16.09.2020 um 17:04 Uhr

Wenn der Finanzminister in dieser Angelegenheit bitte erst einmal seine eigenen Hausaufgaben machen würde, dann wären wir bereits weiter.
Die TSE ist zwar installiert, aber wir können keine Meldung abgebenm weiles noch kein amtliches Formular für die Meldung existiert, geschweige denn eine digitale Möglichkeit, die Daten der TSE aus der Wawi in ein Meldeportal einzutragen.
Also bevor man mit dem Finger auf die Anderen zeigt, bitte ich doch erst einmal darum, den eigenen Zettel abzuarbeiten.
Ich kümmere mich jetzt erst einmal wieder um die Versorgung unserer Kunden. Das erscheint mir wichtiger.

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Super

von Karl Friedrich Müller am 16.09.2020 um 16:15 Uhr

So vergrault man die letzten Wähler, Herr „Kanzlerkandidat“.
Ich lach mich tot.
Und am Ende bleibt von den vielen Milliarden € angeblich hinterzogener Gelder nix, weil das eine Lüge ist. Es bleiben lange Gesichter im BMF. Und hoffentlich bei Scholz, spätestens bei der nächsten Wahl.
Die SPD hat ihre Daseinsberechtigung verloren.

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