DAZ-Webcast zur AvP-Insolvenz

Forderungsabtretung könnte entscheidend sein

Stuttgart - 24.09.2020, 10:30 Uhr

Die Rechtsanwälte Dr. Morton Douglas und Dr. Rainer Eckert im Gespräch mit DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat (v.l.n.r.). (Foto: DAZ.online)

Die Rechtsanwälte Dr. Morton Douglas und Dr. Rainer Eckert im Gespräch mit DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat (v.l.n.r.). (Foto: DAZ.online)


Die mehr als 3.200 Kunden des Rechenzentrums AvP, darunter Offizin- und Krankenhausapotheken, bangen weiter um das Schicksal ihrer noch ausstehenden Abrechnungsgelder. Immerhin signalisiert der vorläufige Insolvenzverwalter, dass nicht jeder Fall gleichbehandelt werden muss. Nach welchen Kriterien allerdings ein Teil der Gelder ausgesondert werden könnte, lässt er offen. Doch etwas mehr Klarheit in dieser Frage könnte nun die Einschätzung zweier Anwälte geben.

Welches Schicksal blüht den Abrechnungsgeldern, die sich aktuell noch auf den Konten des insolventen Apothekenrechenzentrums AvP befinden? Werden diese ausgesondert oder am Ende größtenteils in die Insolvenzmasse fallen? Im zweiteiligen Live-Talk von DAZ/DAZ.online am gestrigen Mittwoch gaben der vom Amtsgericht Düsseldorf eingesetzte vorläufig Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos sowie die Juristen Dr. Morton Douglas und Dr. Rainer Eckert, die zahlreiche betroffene AvP-Kunden vertreten, äußerst interessante Einblicke in ihre Arbeit und Einschätzungen.


Hoos machte im Interview am Nachmittag deutlich, dass nicht alle Apothekeninhaber im selben Boot säßen bei der Frage, ob Auszahlungen und Rezepte ausgesondert werden könnten und damit nicht Teil der Insolvenzmasse werden. Für einige Betroffenen könne es möglicherweise innerhalb von Wochen eine hundertprozentige Auskehrung geben. Insgesamt gehe es in dem Verfahren aber um viel längere Zeiträume. Die noch bei AvP befindlichen Rezepte will Hoos – um Fristen einzuhalten – mit den Krankenkassen ordnungsgemäß abrechnen, nachdem er die dafür notwendigen Treuhandkonten eingerichtet hat.

Nach welchen Kriterien diejenigen AvP-Kunden ausgewählt werden, die auf Auszahlungen in der nächsten Zeit hoffen dürfen, ist nach wie vor nicht offiziell kommuniziert. Am gestrigen Mittwochabend präsentierten allerdings zwei Anwälte ihre Einschätzungen zum aktuellen Prozedere. Dr. Morton Douglas und Dr. Rainer Eckert, die zahlreiche betroffene AvP-Kunden – sowohl Offizin- als auch Krankenhausapotheken – vertreten, deuteten im Live-Talk an, dass die Entscheidung von den jeweiligen Vertragsklauseln abhängen könnte. Der Experte für Insolvenzrecht, Dr. Rainer Eckert, stellte klar: Voraussetzung für eine Aussonderung sei, dass „fremdnützige Treuhand“ vereinbart und vor allem gelebt wird. Doch nach Informationen des vorläufigen Insolvenzverwalters Hoos müsse man davon ausgehen, dass es keine offenen Treuhandkonten und keine Konten für einzelne Apotheken gibt. Und das ist ein wesentliches Problem: Wenn es tatsächlich Aussonderungsansprüche einzelner Apotheken gegenüber AvP gebe, könnten diese Gelder nur sehr schwierig von der restlichen Insolvenzmasse separiert werden. Doch Hoos versicherte, dass er genau dies prüfen werde. 

Noch ein weiterer Fallstrick

Neben diesem „Separierungsproblem“ existiert jedoch ein weiterer Fallstrick, der sich aus den unterschiedlichen Verträgen ergibt, die AvP mit den Kunden in den vergangenen Jahrzehnten geschlossen hat. So würde es, laut Eckert, AGB-Versionen geben, die eine (Voraus-)Abtretung von Forderungen enthalten. Was das konkret für die Rezepte und Abrechnung bedeutet, erklärte Douglas so: Diese Vorausabtretung wirke, sobald die Apotheke das Rezept beliefert. Damit würde sich die Verordnung zwar physisch noch in der Apotheke befinden, doch das Rechenzentrum könnte dann schon Ansprüche geltend machen. 

Hoos äußerte sich zu diesem Szenario nicht konkret. Im Live-Stream machte der vorläufige Insolvenzverwalter nur deutlich, dass er die noch nicht abgerechneten Rezepte, die bei AvP lagern, rechtlich nicht anders bewerte als vorgefundenes Geld, das ein potenzieller Teil der Insolvenzmasse sei.

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Was bedeutet dies nun für die aktuelle Praxis? In der Apotheke befindliche Rezepte sollten mit Blick auf die Abrechnungsfristen auf jeden Fall und sobald wie möglich über das neue Rechenzentrum eingereicht werden. Damit minimiert man das Risiko einer Retaxierung und ein Teil der Liquidität kann so wiederhergestellt werden. Inwiefern dieses Prozedere tatsächlich rechtmäßig ist oder ob AvP nicht doch Anspruch an diesen Rezepten oder den damit verbundenen Auszahlungen hat, müssen unter Umständen Gerichte entscheiden.

Die Rezepte vertragskonform AvP zu senden, ist ohnehin aussichtlos: Den Geschäftsbetrieb mit den Offizinapotheken hat das insolvente Rechenzentrum seit Anfang dieser Woche eingestellt. Das sieht übrigens auch der vorläufige Insolvenzverwalter Hoos so: „Wenn ich einen Apotheker selber beraten würde, würde ich sagen: ‚Wenn es andere Anbieter im Markt gibt, die AvP in dieser Situation ohne weiteres ersetzen können, dann ist das für die Apotheker eine gute Lösung, mit der ich vollkommen einverstanden bin und wo ich weit davon entfernt bin, irgendjemandem einen Vorwurf zu machen.‘“



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Guter Beitrag - und noch ein Rat vom Anwalt

von Corinna Ruppel am 25.09.2020 um 14:47 Uhr

Ich bin selbst Rechtsanwältin und habe bereits einige Anfragen zu dem Fall auf dem Tisch. Ihre Beiträge auf diesen Seiten mit den Kollegen sind wirklich hilfreich, da können sich Ihre Leser einen guten Überblick verschaffen. Ich kann nur jedem betroffenen Apotheker raten, sich Rat beim Anwalt zu holen. Das Insolvenzrecht ist wirklich komplex und es kommt immer auf den Einzelfall an. Ein guter Anwalt wird nur entgeltlich tätig werden wenn Aufwand, Nutzen und Risiko für den Mandanten in einem sinnvollen Verhältnis stehen.

https://cdr-legal.de

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Aus Scheiße Geld machen

von Bernd Jas am 24.09.2020 um 15:03 Uhr

Frage: Wer Kann das?
Staat und Fiskus.
Falls es allen Betroffenen noch nicht Bewusst ist. Die nicht erstatteten Rezepte sind schon durch die (Registrier-) Kassen gelaufen und somit USt-Pflichtig.
So werden aus einem Verlust von beispielsweise 100.000,- €uronen, 116.000,- €.
Also wenn mann bis zur Halskrause drin sitzt braucht man nicht lange zu warten bis es noch mal ordendlich klatscht.
Da konnte sich Herr Dr. Douglas die in etwa so gesagte Anmerkung - : "Na, dann schlafen die Apotheker mal ein paar Nächte schlecht, denn das Jahr kann man dann wohl abhaken, aber die nächsten Umsätze kommen ja wieder, und alles wird wieder gut." - echt verkneifen.
Man! ... Für viele ist der Jahresgewinn flöten und für manche wohl noch viel mehr!

Der Staat sollte doch seine Bürgen mit Gesetzen und Verordnungen schützen, aber ich habe so langsam immer mehr die Gewissheit, dass nur der Beamtenapparat zum Bürgertum gehört.

Ach und noch was.
Solch ein Firmenniedergang ist doch für die Anwälte ein mit Champagner gefüllter Massen-Whirlpool.

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Forderungsabtretungen

von Roland Mückschel am 24.09.2020 um 11:25 Uhr

Die Apotheker müssen halt nur aufpassen dass
sie nicht zum Abtritt für alles werden.

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