Gematik-Projektleiter Neumann

E-Rezept: Was kommt auf die Apotheken zu?

Berlin - 06.10.2020, 12:00 Uhr

So könnte sie aussehen – die Gematik-App für den Transport des E-Rezepts. (Quelle: Gematik)

So könnte sie aussehen – die Gematik-App für den Transport des E-Rezepts. (Quelle: Gematik)


Mehr Flexibilität, eine verringerte Fehlerrate und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen – die Gematik setzt große Hoffnungen in die Einführung des 
E-Rezepts. Am gestrigen Montagabend gab Projektleiter Hannes Neumann einen ersten Einblick, wie das Gremium die geplante Gematik-App, die als Transportvehikel für die elektronischen Verschreibungen dienen soll, konkret umsetzen wird.

Rund 500 Millionen Arzneimittelverordnungen auf Muster-16-Rezepten beliefern Apotheken pro Jahr zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Damit soll bald Schluss sein, informierte Gematik-Projektleiter Hannes Neumann gestern bei einem Podiumsgespräch auf der Expopharm Impuls.

Die Spezifikationen für die Gematik-App, die für den Transport des E-Rezepts nötig ist, liegen bereits seit Juni vor. Am 1. Juli 2021 soll der Startschuss für die elektronischen Verordnungen fallen, ab 2022 werden sie zur Pflicht – zunächst jedoch nur für Medikamente, die ein Arzt auf einem Muster 16 einem gesetzlich Versicherten verschreibt. In Stufe zwei, berichtete Neumann, wolle die Gematik das E-Rezept zum Beispiel für Betäubungsmittelverordnungen, T-Rezepte und Gesundheitsapps umsetzen. Zudem seien die Partner des Bundesmantelvertrags aufgefordert, ein Konzept für ein digitales Grünes Rezept vorzulegen. Bis Jahresbeginn 2022 sollen auch Privatversicherte ihre Verordnungen elektronisch übermitteln können. In Stufe drei kommen Heil- und Hilfsmittel dazu.

Und so läuft der Prozess von der Verordnung bis zur Abrechnung nach Gematik-Plan ab: Zunächst stellt der Arzt in seiner Praxissoftware ein E-Rezept aus und signiert es mithilfe seines elektronischen Heilberufsausweis (HBA). Per Gematik-App kann der Versicherte seine Verordnung in der Telematikinfrastruktur (TI) einsehen. Er hat dann die Möglichkeit, das Rezept zu löschen, direkt in einer Präsenzapotheke einzulösen oder über eine Weiterleiten-Funktion an eine Apotheke seiner Wahl zu übermitteln. Die Apotheke liest den 2D-Code aus und beliefert die Verordnung.

Digitale Abrechnung

Auch die Abrechnung mit den Krankenkassen soll künftig digital erfolgen, betonte Neumann. Dies gelte auch für den Fall, dass ein Versicherter die App nicht nutzen möchte, sondern sich sein Rezept in der Praxis ausdrucken lässt. Denn sobald der Code abgescannt ist – egal, ob vom Smartphone oder vom Papier – sind alle für die nötigen Informationen im Warenwirtschaftssystem der Apotheke gespeichert. Die exakten Regeln für die Abrechnung aufzustellen, falle jedoch nicht in den Aufgabenbereich der Gematik. Die Modalitäten müssen Neumann zufolge der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband aushandeln.

Bereits bekannt ist, dass Patienten die Möglichkeit erhalten sollen, vor dem Einlösen ihres Rezepts über die App eine elektronische Anfrage in den Apotheken zu stellen, ob diese ihr Medikament vorrätig haben. Das hatte unter den Apothekern für Irritationen gesorgt: Wird die App auf alle Warenbestände des jeweiligen Betriebs zugreifen können? Wird bei der Abfrage auch ein eventuell bestehender Rabattvertrag berücksichtigt? Und was ist mit dringend benötigten Arzneimitteln, für die das Rabattpräparat nicht vorrätig ist, aber eine Akutversorgung möglich wäre?

So läuft die Verfügbarkeitsabfrage ab

Neumann versuchte, die Bedenken der Pharmazeuten zu zerstreuen. Es würden alle für die Belieferung relevanten Daten wie etwa die Krankenkasse des Versicherten, der Rezepttyp und vom Arzt gesetzte Aut-idem-Kreuze übermittelt, sagte er. Darüber hinaus habe der Patient die Option, bei speziellen Wünschen zusätzlich eine Freitext-Nachricht an die Apotheke zu schicken. Dazu müsse er in der App die zu beliefernde Verordnung plus seine Wunschapotheke auswählen und die Verfügbarkeitsabfrage starten. Doch Neumann warnte: Die Abfrage erfolge unverbindlich. „Erst wenn der Zugriffslink für das Rezept übermittelt ist, haben Sie Rechtssicherheit, dass sie die Verordnung am Ende des Tages auf jeden Fall beliefern werden.“

Was den Zugriff auf das Warenwirtschaftssystem betrifft, hielt sich Neumann weitgehend bedeckt. Automatische Prozesse sollen demnach bei der Verfügbarkeitsabfrage lediglich „unterstützen“, so der Gematik-Projektleiter. Der Versicherte erhalte ausdrücklich keine Einsicht in das komplette Warenlager der Apotheke. Auch bekomme er angezeigt, wann sein Arzneimittel verfügbar wäre, falls es nicht an Lager ist. Bei der konkreten Ausgestaltung der Abfrage setzt Neumann auf die Mithilfe der Apotheker.

Hat sich der Patient für eine Apotheke entschieden, die sein E-Rezept beliefern soll, kann er den Zugriffslink an den Betrieb seiner Wahl übermitteln. Auch eine Auswahl, ob er das Medikament selbst abholt oder per Botendienst oder Versand beziehen möchte, ist vorgesehen. Die Apotheke kann hierbei angeben, welche Services sie anbietet. Bei Abholung gilt: Eine Authentifizierung, dass es sich tatsächlich um denjenigen handelt, für den das E-Rezept ausgestellt wurde, ist nicht nötig. „Sie brauchen sich keinen Ausweis zeigen lassen“, unterstrich Neumann.

Zwei Arten von Signatur

Da beim E-Rezept das Kürzeln durch den Abgebenden beziehungsweise den verantwortlichen Apotheker, wie beim Muster 16 üblich, entfällt, ist eine neue Form der Signatur für die Abrechnung erforderlich. Beliefert die Apotheke die Verordnung ohne Änderung, also auch ohne zu substituieren, soll dies direkt im Warenwirtschafssystem erfolgen, informierte der Gematik-Experte. Bei Substitution oder anderen Änderungen an der Medikation sei der HBA des Apothekers für die Signatur nötig.

Die neuen Abläufe verlangten den Apotheken natürlich auch das Anpassen der Arbeitsabläufe ab, machte Neumann deutlich. „Überlegen Sie sich, wie Sie etwa den Scanner optimal positionieren.“ Im Idealfall solle der Kunde sein Rezept selbst abscannen können, um sein Mobiltelefon nicht aus der Hand geben zu müssen. Auch im Backoffice fielen neue Aufgaben an – dafür, so erwartet Neumann, werde sich die Zahl der telefonischen Anfragen und Faxe spürbar verringern. Und auch fehlerhafte oder unlesbare Verordnungen dürften weitgehend der Vergangenheit angehören, denn „der Arzt kann nur noch vollständig ausgefüllte Rezepte ausstellen.“ Für weitere Information empfiehlt Neumann die von der Gematik betriebene Website www.das-e-rezept-fuer-deutschland.de.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Roter Teppich für die Versender

von Armin Heller am 06.10.2020 um 14:07 Uhr

Na denn Prost. Die Weiterleitung an die Lieblingsapotheke wird einmal eingestellt und die wird - der Kunde ist bequem - zu 90% ein Versender sein. Kommt man zufällig an einer echten Apotheke vorbei, versucht mans dort vielleicht auch mal. Upps Rezept wurde schon von der Versandapotheke empfangen und 10€ Bonus aufs Konto überwiesen? Na denn eine Apothekenumschau bitte, nein die mit dem Fernsehprogramm, danke, tschüss. Läuft alles wie geschmiert für zur Rose.

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