Freundliche Worte – bekannte Positionen

Spahn voller Zuversicht für das VOASG und das E-Rezept

Süsel - 07.10.2020, 09:15 Uhr

Jens Spahn setzt im VOASG auf die sozialrechtliche Preisbindung: Das Sozialrecht sei ein guter „juristischer Schutzwall“, aber „am Ende entscheidet das Gericht“. (Foto: imago images / photothek)

Jens Spahn setzt im VOASG auf die sozialrechtliche Preisbindung: Das Sozialrecht sei ein guter „juristischer Schutzwall“, aber „am Ende entscheidet das Gericht“. (Foto: imago images / photothek)


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist zuversichtlich, dass das geplante VOASG eine Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof besteht. Von der EU-Kommission reicht ihm, dass sie das Projekt nicht ablehnt. Außerdem ermunterte er die Apotheker erneut, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Wettbewerb bei E-Rezept-Apps ist für ihn kein Problem, sondern eine Profilierungschance für die Apotheken.

Die Apotheker warten seit über einem Jahr auf das geplante Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Ein Kerninhalt des Gesetzentwurfs ist die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) favorisierte Verankerung der Preisbindung im Sozialrecht, die auch für ausländische Versender von Rx-Arzneimitteln gelten soll. Spahn hatte stets großen Wert darauf gelegt, den Entwurf vorab der EU-Kommission vorzulegen. Doch die Antwort aus Brüssel ließ sehr lange auf sich warten. Am Dienstag wurde nun ein Brief von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zu diesem Thema bekannt. In dem Brief, der DAZ.online vorliegt, hatte Breton keine Einwände gegen das VOASG geäußert, aber auch nicht geschrieben, ob die EU-Kommission das geplante Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht für vereinbar mit dem Europarecht hält.

Um das VOASG ging es auch in einem vorab aufgezeichneten Interview, das Spahn der „Pharmazeutischen Zeitung“ gegeben hatte und das am Dienstagabend bei der online veranstalteten Messe „Expopharm-Impuls“ ausgestrahlt wurde. Dort berichtete Spahn über den Austausch mit der EU-Kommission. Doch erwarte er „keine Verkündung“ aus Brüssel. 

EuGH-Verfahren zum VOASG zu erwarten

Das Gesetz werde ohnehin von der einen oder anderen Seite angegriffen und wahrscheinlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen, erklärte Spahn. Nicht die EU-Kommission, sondern der EuGH werde entscheiden, ob das Gesetz europarechtlich zulässig sei. Der Minister stellte dies als nahezu unvermeidlich dar. Viel wichtiger ist ihm offenbar die Botschaft für das vorhersehbare Verfahren: „Wir sind zuversichtlich“. Denn es sei nicht hauptsächlich eine Frage des Binnenmarktes, sondern es gehe um ein Sozialgesetz. Das Sozialrecht sei ein guter „juristischer Schutzwall“, aber „am Ende entscheidet das Gericht“, erklärte Spahn. Die Frage, wozu er sich dann überhaupt mit der EU-Kommission austauscht, ließ Spahn gar nicht erst aufkommen, sondern ergänzte sofort: Entscheidend sei, dass die Kommission nicht sage, das gehe aber gar nicht.

Genau diese Bedingung erfüllt der kurz vor der Ausstrahlung des Interviews bekannt gewordene Brief aus Brüssel. Im Interview wurde dieser Brief nicht erwähnt, aber Spahn formulierte dort gerade die Erwartung, die mit dem Brief inzwischen schon eingetroffen ist. Denn einen ausdrücklichen Grund gegen das VOASG hat Breton nicht genannt.

Endlich ein Honorar jenseits der Packungen

Auch in einem anderen Zusammenhang machte Spahn seine Zuversicht zum VOASG deutlich. Er habe die Apotheker seit zehn Jahren aufgefordert, eine Vergütung jenseits des Abgabehonorars vorzuschlagen. Diese werde es nun endlich mit den honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen geben. Dies sei folgerichtig, denn es sei nicht angemessen, die hoch qualifizierten Apotheker formal nahezu ausschließlich für das Abgeben von Packungen zu honorieren. Darum hoffe er, dass die Dinge so vorbereitet sind, dass die neuen Honorare schnell verhandelt werden können. Offenbar war dies als Appell an Krankenkassen und Apotheker gedacht. Denn bisher ist über gemeinsame Aktivitäten beider Seiten zur Vorbereitung der Verhandlungen nichts bekannt. Die ABDA hat noch nicht einmal erklärt, über welche Dienstleistungen sie verhandeln möchte.

Digitalisierung: Chancen nutzen statt ängstlich sein

Im größten Teil des Interviews ging es allerdings um ein anderes Thema – die Digitalisierung. Dabei wiederholte Spahn seinen schon oft geäußerten Appell, die Digitalisierung nicht als etwas zu sehen, das man erleide. Doch zunächst betonte der Minister die große Bedeutung der Apotheken und würdigte das Engagement der Apothekenteams in der Pandemie. Durch die Coronakrise sei die Wertschätzung für die Apotheken noch gestiegen. Die flächendeckende Versorgung sei nicht nur auf dem Land wichtig, sondern betreffe auch städtische Regionen. Spahn ermunterte die Apotheker, die Digitalisierung zu gestalten und für sich zu nutzen. Es gehe darum, mit einem überzeugenden Angebot einen Unterschied zu machen.

Auf die viel diskutierte Frage, ob mehrere Apps zur Verwaltung von E-Rezepten zugelassen und Weiterleitungen der Zugangscodes an solche Apps möglich sein sollen, verwies Spahn auf das zentrale Argument der freien Apothekenwahl. Im nächsten Schritt müsse eine Differenzierung möglich sein. Spahn fragte: „Ist es nicht im Interesse der Apotheker, attraktiv zu sein?“ Benutzerfreundlichkeit und weitere Dienste würden sich dann durchsetzen. Den Aussagen von Versendern, die sich vom E-Rezept hohe Marktanteile versprechen, sollten die Apotheker offensiv entgegentreten. Denn „die Apotheke vor Ort hat unschlagbare Vorteile“, erklärte Spahn. Dabei müsse nicht jede Apotheke eine eigene App entwickeln, denn es gebe auch „Verbündete“. Außerdem sei das Digitale nur ein zusätzlicher Aspekt, der die Versorgung ergänze. Er verstehe die „zurückweichende Ängstlichkeit“ mancher Kommentatoren nicht. Damit blieb Spahn bei seiner bekannten Linie zur Digitalisierung. Detailfragen wurden dagegen nicht vertieft.

„Spielregeln“ für Trennung von Arzt und Apotheker sind klar

Allerdings wurde die Übernahme der Teleclinic durch den Zur-Rose-Konzern angesprochen. Spahn äußerte dazu eine deutliche Mahnung, aber er kündigte keine unmittelbaren rechtlichen Schritte gegen die Übernahme an. Der Minister betonte, dass die „Spielregeln“ für die Trennung von Arzt und Apotheker klar seien. Dabei greife auch die Anti-Korruptionsgesetzgebung. Er hoffe, dass sich alle Beteiligten an die Regeln halten würden.

Gespräche über Kontrollen für niederländische Versender

Deutlich gelassener reagierte Spahn auf die Frage nach dem kürzlich bekannt gewordenen Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Überwachung des ausländischen Versandhandels mit Arzneimitteln. Das Gutachten hatte eine „systemimmanente Überwachungslücke“ beschrieben. Spahn erklärte, er habe bereits mit den niederländischen Kollegen über die Kontrolle gesprochen, aber er werde dem weiter nachgehen. Auf die Einzelheiten des Gutachtens ging Spahn nicht ein. Die Kontrolle sei für ihn ein Thema der Rechtsdurchsetzung. Damit wollte Spahn offenbar ausdrücken, dass er keinen Bedarf für neue Regelungen zu diesem Thema sieht.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

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von Anita Peter am 07.10.2020 um 9:47 Uhr

"Dabei müsse nicht jede Apotheke eine eigene App entwickeln, denn es gebe auch „Verbündete“"

Ja so ein "Verbündeter" sitzt in Holland, bei dem ich dann einen kleinen Centbetrag erhalte, wenn er mit gnädigerweise das Rezept zur Belieferung überlässt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: eigene Software

von Dr Schweikert-Wehner am 07.10.2020 um 10:27 Uhr

Schade die 199 Leute meiner IT Abteilung wollten sich schon an die Arbeit machen. Aber die sind ja noch mit Kassensystem fürs Finanzamt, Datenschutz und Software für das neue Rechenzentrum beschäftigt. Der Minister hat wieder aus der Villa zu uns gesprochen. Dank sei Dir Spahn.

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