Gesundheitskompetenz

Chancen durch die Digitalisierung trotz Plattformen und Fake News

Süsel - 20.10.2020, 09:15 Uhr

Wenn es um Gesundheit geht, muss man sich in die Augen schauen, meint der bekannte Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. (m / Foto: Schelbert)

Wenn es um Gesundheit geht, muss man sich in die Augen schauen, meint der bekannte Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. (m / Foto: Schelbert)


Wie können die Apotheken den Patienten in einer immer stärker digitalisierten Welt Orientierung bieten? Wo bleibt zwischenmenschliche Kommunikation unersetzbar? Um diese und viele andere Fragen wird es am Donnerstag bei der dritten Digitalkonferenz der Apothekerkammer Niedersachsen gehen. Die Veranstalter gaben vorab einige Einblicke in die Themen.

Am 22. Oktober wird die Apothekerkammer Niedersachsen ihre 3. Digitalkonferenz „Fokus Patient“ veranstalten. Ein begrenzter Besucherkreis wird vor Ort teilnehmen, die Veranstaltung kann auch online verfolgt werden. Mit der Digitalkonferenz verknüpfen die Veranstalter die Megatrends Gesundheit und Digitalisierung. Inhaltlich soll die Perspektive des Patienten im Mittelpunkt stehen.

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Kammerpräsidentin Cathrin Burs machte schon vorab deutlich, in welcher Rolle sie die Apotheker dabei sieht: „Apotheker sind digital und stehen persönlich im Dienste der Patienten.“ Es sei ein riesiger digitaler Markt, geradezu ein „digitaler Dschungel“ entstanden. Darum hätten viele Patienten Schwierigkeiten, die vielen Informationen zu verstehen und zu nutzen. Dies schaffe für die Apotheker neue Herausforderungen und Erwartungen. „Die Patienten brauchen Navigation“, folgerte Burs. Das Ziel sei nicht nur der informierte Patient, sondern der „richtig informierte Patient“.

Einfühlungsvermögen und Kommunikation

Dazu gehöre auch, dass der Patient verstehe, warum eine bestimmte Empfehlung aus dem Internet für ihn gerade nicht richtig sei. Neben Kompetenz seien dafür Zeit, Einfühlungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit nötig. Burs betonte, die Apotheker wüssten den Nutzen der Digitalisierung zu schätzen, aber diese sei kein Wert an sich. Sie müsse den Menschen dienen. Mit Blick auf die Anwendungen der Telematikinfrastruktur versicherte Burs, die Apotheker könnten damit im Netzwerk mit anderen Heilberuflern viel Gutes bewirken. Die Digitalkonferenz solle dafür einen Impuls setzen. Sie sehe große Chancen und habe daher auch keine Angst vor irgendwelchen Plattformen.

Auch der bekannte Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, der bei der Digitalkonferenz zum Thema „Chancen in der Krise“ sprechen wird, präsentierte vorab einige Überlegungen. Ebenso wie Burs hob er die Verknüpfung digitaler Entwicklungen mit menschlichen Aspekten hervor. Die Digitalisierung in der Medizin werde sehr von Daten getrieben. Große Player würden auf den Markt drängen. Doch die Medizin erfordere den direkten Kontakt zu den Menschen. 

„Wenn es um Gesundheit geht, muss man sich in die Augen schauen“

Ein weiteres Problem seien die Gefahren durch „Fake News“. Denn die „kommerzielle Betriebsgrammatik“ der neuen Medien habe den Kollateralschaden, dass sie Aufmerksamkeit suche. So würden sich gerade „Fake News“ besonders schnell verbreiten. Um diesem Effekt zu begegnen, sei Vertrauenswürdigkeit nötig. Angesichts des großen Vertrauens, das Apotheker genießen, seien sie daher als Ansprechpartner besonders wichtig, folgerte Yogeshwar und ergänzte: „Wenn es um Gesundheit geht, muss man sich in die Augen schauen.“

Digitalisierung als Hausaufgabe für die Gesellschaft

Yogeshwar zeigte sich optimistisch für die vielen Chancen der Digitalisierung bei reflektiertem Einsatz, machte aber die Risiken großer Plattformen deutlich, die meist nicht aus Europa kämen. Maschinelle Intelligenz untersuche Korrelationen und übergehe damit die Frage nach der Kausalität. Menschen sollten nicht auf Daten reduziert werden, denn „Menschen sind ganzheitlich“. Dies sei eine „Hausaufgabe für uns als Gesellschaft“. Auch der Gesetzgeber müsse erst noch die nötige Sensibilität dafür entwickeln. Da einzelne Unternehmen sehr viele Daten sammeln, entstehe langsam ein „Datenkartellrecht“. Und die Technik entwickle sich extrem schnell. Die „Lern- und Bewegungsfähigkeit des Gesetzgebers“ sei dagegen extrem langsam, mahnte Yogeshwar.

Burs ergänzte dazu mit Blick auf E-Rezept, Makelverbot und E-Patientenakte, der Patient müsse stets die Hoheit über seine Daten haben. Das müssten die Apotheker der Politik vermitteln „und das werden wir auch tun“, versicherte Burs. Zum Umgang mit den Patienten erklärte Burs, sei der „adressatengerechte Austausch“ entscheidend. Diesen könnten Medien nicht leisten, aber Apotheker im direkten Gespräch. Wie dies gelingt, machten sie in der Corona-Pandemie deutlich.

Programm der Digitalkonferenz

Bei der Digitalkonferenz am Donnerstag wird Burs als Gastgeberin den Staatssekretär im Niedersächsischen Gesundheitsministerium, Heiger Scholz, für ein Grußwort erwarten. Außerdem stehen neben Yogeshwar folgende Referenten auf dem Programm:

  • Dr. Alexander Schachinger: „Der digitale Patient – Internet, Apps und Startups und ihre Auswirkungen auf das Gesundheitssystem“
  • Professor Marie-Luise Dierks: „Informierte Patienten – Gesundheit und Gesundheitskompetenz in der digitalen Welt“
  • Mina Ahmadi: „Das Nationale Gesundheitsportal – Verlässliche Gesundheitsinformationen als Orientierungshilfe“


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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