Evaluation der Auswirkungen des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG)

„Legal Highs“-Verbot ohne Nutzen

Berlin - 21.10.2020, 17:50 Uhr

„Speziell synthetische Cannabinoide können Herzrasen und gefährlichen Bluthochdruck auslösen, sodass es immer wieder zu Todesfällen kommt“, so Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen). (Foto: imago images / epd)

„Speziell synthetische Cannabinoide können Herzrasen und gefährlichen Bluthochdruck auslösen, sodass es immer wieder zu Todesfällen kommt“, so Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen). (Foto: imago images / epd)


Dem Konsum von „Legal Highs” wie Badesalz oder Kräutermischungen ist mit Gesetzen nicht beizukommen. Das zeigt jetzt ein Evaluationsbericht zum Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, der DAZ.online vorliegt.

Die Angebotspalette ist breit: Sie reicht vom „Badesalz Highspeed blue“ über die „Kräutermischung „Jamaican Gold Super Extreme“ bis zu diversen „Partypillen“ oder „Poppers“. Beworben werden die Produkte im Internetshop „legale-mischung.net“ mit dem Slogan „Knallt legal“.

Seit 2016 gibt es ein Gesetz, das den Verkauf solcher ursprünglich „Legal Highs“ genannter Drogen verhindern sollte. Doch die Geschäfte beeinträchtigt das offenbar nicht. Im Gegenteil: Die Betreiber des Internetshops entschuldigen sich, dass sie der großen Nachfrage wegen der Corona-Krise kaum noch gerecht werden können. Das „Legal Highs“-Verbot ist gescheitert, das zeigt nicht nur der Blick ins Internet, sondern auch ein Evaluationsbericht zum Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, der DAZ.online jetzt vorliegt.

„Legal Highs“ nennt man synthetische Substanzen, die die Wirkung von bekannten Rauschmitteln wie Cannabis, Opioiden oder Amphetaminen imitieren. Dabei setzen die Hersteller auf einen simplen Trick: Sie weichen bei der Struktur minimal von gängigen Suchtstoffen ab. Dadurch gelten „Legal Highs“ zunächst nicht als Betäubungsmittel, wenn sie neu auf den Markt kommen. Der Gesetzgeber hinkt dabei stets hinterher: Sobald er eine Substanz als illegal einstuft, kommt wieder eine neue, leicht abgewandelte Rezeptur auf den Markt. Mittlerweile sind mehrere hundert verschiedene „Legal Highs“ im Umlauf. Zwischenzeitlich war der Verkauf der Substanzen als Notlösung nach dem Arzneimittelrecht verfolgt und bestraft worden. Das hatte jedoch ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) unterbunden.

Im Jahr 2016 wurde dann das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) verabschiedet, das den Verkauf von „Legal Highs“ endgültig illegal machen sollte. Da der Versuch gescheitert war, immer neue Einzelsubstanzen ins Betäubungsmittelgesetz aufzunehmen, stufte das NpSG nun ganze Stoffgruppen als Rauschmittel ein. Ursprünglich waren das synthetische Cannabinoide und vom 
2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen. Bei Inkrafttreten des Gesetzes umfasste das etwa zwei Drittel der „neuen psychoaktiven Stoffe“ (NpS), die als „Legal Highs“ vermarktet wurden. Später wurde die Liste um drei weitere Stoffgruppen ergänzt: Gelistet sind seitdem auch Benzodiazepine, von N-(2-Aminocyclohexyl)amid und von Tryptamin abgeleitete Verbindungen. Das Gesetz sollte außerdem eine Entkriminalisierung der Konsumenten erreichen: Es sah vor, dass der Besitz von NpS zwar verboten, aber straffrei sein sollte.

Nun hat sich das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz scheinbar auf ganzer Linie als Misserfolg erwiesen. Das geht aus einem Evaluationsbericht hervor, den das Institut für Therapieforschung (IFT) München schon vor einem Jahr erstellt hat, der aber erst jetzt dem Gesundheitsausschuss des Bundestags vorgelegt wurde.

„Das Ergebnis der Evaluation ist wirklich verheerend“, sagt Kirsten Kappert-Gonther, Mitglied des Gesundheitsausschusses und Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen für Drogenpolitik. „Das Verbot hat den Konsum nicht verhindert, sondern nur zu einer Verdrängung auf den Schwarzmarkt geführt, wo es überhaupt keine Kontrolle mehr gibt.“

Gesetz hat keinen nennenswerten Einfluss

Im Evaluationsbericht des IFT steht tatsächlich, das Gesetz habe „keinen nennenswerten Einfluss“ auf den Konsum der Substanzen gehabt. Einige Konsumenten hatten dabei berichtet, dass die Qualität ihrer bevorzugten NpS infolge des Verbots abgenommen habe. Sie waren deshalb aber nicht abstinent geblieben, sondern auf andere (meist als gefährlicher eingeschätzte) NpS oder etablierte Drogen ausgewichen.

„Es hat sich wie so oft gezeigt, dass die Prohibition von Drogen nicht nur nicht nützt, sondern sogar schadet“, sagt Kappert-Gonther. Dass NpS gefährlich seien, stellt sie dabei nicht infrage. „Ich halte sie für hochproblematisch, das sage ich auch als Ärztin“, so Kappert-Gonther, die viele Jahre als Psychiaterin und Therapeutin tätig war. Die Wirkung der NpS und deren gesundheitliche Auswirkungen seien unvorhersehbar, auch weil es sich um teils wilde Mischungen mit unbekanntem Wirkstoffgehalt handelt. „Speziell synthetische Cannabinoide können Herzrasen und gefährlichen Bluthochdruck auslösen, sodass es immer wieder zu Todesfällen kommt. Auch psychische Begleiterscheinungen sind möglich. Sie sind tatsächlich gefährlicher als natürliches Cannabis und ich finde, dass wirklich niemand so etwas einnehmen sollte“, so Kappert-Gonther. Nur seien Verbote eben der falsche Weg.

„Das Cannabisverbot in Deutschland hat den Markt für die synthetischen Cannabinoide geschaffen, die gesundheitlich deutlich bedenklicher sind. Dann hat man diese auch noch verboten, was wieder nur dazu geführt hat, dass sich die Qualität verschlechtert oder die Konsumenten auf noch gefährlicher Substanzen ausweichen.“ Dem Gesundheits- und Jugendschutz sei damit „ein Bärendienst erwiesen“.

Noch dazu gibt es trotz der Stoffgruppenregelung weiterhin das Problem, dass die Substanzen dem Gesetz durch kleine Veränderungen entgehen – auch das steht im Evaluationsbericht. Und nicht einmal die Entkriminalisierung ist demnach geglückt: Denn Konsumenten werden weiterhin aktenkundig und die Behörden müssen trotz der Straffreiheit weiterhin alle Fälle aufwendig dokumentieren.

Wie aber könnte man den „Legal Highs“-Konsum besser eindämmen? Für Kappert-Gonther und die Grünen ist die Antwort klar: Am besten verhindern ließe sich der unkontrollierte Konsum von „Legal Highs“ durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabis. Die hat die Gesundheitspolitikerin auch in einer Stellungnahme zum NpSG gefordert. „Anders als bei den NpS auf dem Schwarzmarkt ließen sich dabei Anbau, Vertrieb und Beratung gut überwachen und die Konsumenten wüssten endlich, was sie da konsumieren“, sagt Kappert-Gonther. Ein von den Grünen entworfenes Cannabis-Kontrollgesetz steht voraussichtlich Ende Oktober zur Abstimmung im Bundestag, die Erfolgsaussichten sind allerdings eher gering.

In jedem Fall wolle man im Gesundheitsausschuss das gescheiterte NpSG noch einmal auf die Tagesordnung setzen, sagt Kappert-Gonther. „Wir wollen das so nicht durchgehen lassen.“



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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