Homöopathie

Grüne gehen auf Distanz – ein bisschen

Traunstein - 23.11.2020, 15:15 Uhr

Die Bundesvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, führten am Wochenende durch einen virtuellen Parteitag. Unter anderem wurde ein Beschluss zum umstrittenen Thema Homöopathie gefasst. (Foto: imago images / Rüdiger Wölk)

Die Bundesvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, führten am Wochenende durch einen virtuellen Parteitag. Unter anderem wurde ein Beschluss zum umstrittenen Thema Homöopathie gefasst. (Foto: imago images / Rüdiger Wölk)


Die Grünen tun sich schwer mit der Homöopathie. Denn würden sie sich dabei auf die Wissenschaft berufen, wie sie es beim Thema Klimawandel machen, so müssten sie die Alternativmedizin entweder komplett oder zumindest ihre Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung ablehnen. Doch das fällt der Grünen-Spitze angesichts der zahlreichen Homöopathie-Anhänger in ihrer Wählerschaft schwer. Nach langen Querelen wurde nun beim Grünen-Parteitag am vergangenen Wochenende ein Beschluss gefasst: Die Grünen gehen auf Distanz zur Homöopathie – zumindest ein bisschen. 

Seit September 2019 tobt bei den Grünen der Glaubenskrieg zum Thema Homöopathie. Auslöser war der Antrag „Echter Patient*innen­schutz: Bevorteilung der Homöopathie beenden!“ für die Bundesdelegiertenkonferenz im November 2019, in dem die Antragsteller „für eine wissenschaftlich fundierte, faktenbasierte und solidarisch finanzierte medizinische Versorgung für alle“ eintreten. Ihre Forderung: „Die Finanzierung von nachweislich nicht über den Placeboeffekt hinaus wirk­samen Behandlungsmethoden ist mit diesem Grundsatz unvereinbar.“ In der Folge entbrannte auf der Website der Grünen ein heftiger Streit, weshalb sich die Parteiführung entschloss, das leidige Thema von der Bundesdelegiertenkonferenz fernzuhalten. Eine Kommission sollte sich der Sache annehmen, und zwar unter Führung des Parteivorsitzenden Robert Habeck. Doch auch daraus wurde nichts wegen angeblicher Durchstechereien; nun hieß es, Habeck selbst wolle einen Lösungsvorschlag vorlegen. 

Habeck: Debatte weitestgehend gelöst

Im Sommer erschien der Entwurf für das neue Grundsatzprogramm der Grünen. Darin tauchten allerdings weder die Begriffe Homöopathie noch alternative Heilmethoden auf, stattdessen steht dort: „Leistungen, die medizinisch notwendig sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden.“ Im August äußerte dann Habeck gegenüber der ARD, dass die Debatte „weitestgehend gelöst“ sei. Vorgesehen sei, dass Krankenkassen homöopathische Mittel über einen Wahltarif bezahlen könnten. Diesen müssten die Versicherten gesondert ab­schließen und somit extra bezahlen; dadurch gebe es ein „Solidarsystem innerhalb der Homöo­pathie-Medikamenten-Liebhaber“, aber die Allgemeinheit zahle nicht dafür.

Formulierung im Grundsatzprogramm nicht eindeutig

Beim digitalen Parteitag am vergangenen Wochenende wurde nun das neue Grundsatzprogramm verabschiedet. Zum Thema Homöopathie wurden zwei Änderungsanträge diskutiert. Der eine sah vor, dass Homöopathika weiterhin von der GKV erstattet werden sollten. Dieser brachte es allerdings nicht in die Endabstimmung, da er bei einem „Meinungsbild“ nicht genügend Unterstützer fand. Der andere sah vor, die Formulierung im Entwurf für das Grundsatzprogramm mit folgendem Satz zu ergänzen: „Leistungen, deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus nicht wissenschaftlich bewiesen wurde, werden nicht von der Solidargemeinschaft übernommen.“ In der Begründung heißt es, dass die bisherige Formulierung nicht „eineindeutig“ sei und die Interpretation zulasse, „dass zum Beispiel homöopathische Leistungen weiterhin von den Kassen auf Kosten der Solidargemeinschaft übernommen werden können“. Die ergänzende Formulierung stelle klar, „dass nur Leistungen von der Solidargemeinschaft übernommen werden, deren medizinische Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Standards erforscht wurde und die über den Placebo-Effekt hinaus wirken“.

In der Antragsdiskussion setzte sich Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner dafür ein, diese Änderung abzulehnen. Die vom Bundesvorstand im Grundsatzprogramm vorgeschlagene Formulierung sei ein klarer Satz und ein breit getragener Kompromiss. Damit konnte Kellner sich durchsetzen, der Antrag wurde mit rund zwei Dritteln Mehrheit angenommen.

Unklar ist, was aus der Ankündigung von Robert Habeck wird, wonach Homöopathie-Anhängern spezielle Tarife bei der GKV angeboten werden sollen. Möglicherweise finden entsprechende Vorschläge Eingang in das Wahlprogramm der Grünen für die Bundestagswahl, das wohl im Frühjahr vorliegen wird.

 



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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