neue SARS-CoV-2-Varianten aus Großbritannien und Südafrika

ECDC erwartet „hohe Auswirkungen“ auf Krankenhausaufenthalte und Todesfälle

Stuttgart - 30.12.2020, 15:00 Uhr

Die neuen Virusvarianten aus Großbritannien und Südafrika verbreiten sich aktuellen Analysen schneller, schwerere COVID-19-Verläufe sind bislang nicht bekannt. Dennoch erwartet das ECDC hohe Auswirkungen auf Krankenhausaufenthalte und Todesfälle. (Foto: picture alliance / Westend61 | Spectral)

Die neuen Virusvarianten aus Großbritannien und Südafrika verbreiten sich aktuellen Analysen schneller, schwerere COVID-19-Verläufe sind bislang nicht bekannt. Dennoch erwartet das ECDC hohe Auswirkungen auf Krankenhausaufenthalte und Todesfälle. (Foto: picture alliance / Westend61 | Spectral)


Neue Varianten von SARS-CoV-2 beunruhigen derzeit: VOC 202012/01 im Vereinigten Königreich und 501.V2 in Südafrika. Die mutierten Coronaviren scheinen leichter übertragbar zu sein, aber sorgen sie auch für fulminantere COVID-19-Erkrankungen? Das ECDC hat die Lage zu den mutierten SARS-CoV-2 bewertet.

Großbritannien berichtete am Dienstag über 53.000 Neuinfektionen von SARS-CoV-2 und damit einen neuen Höchstwert. Der rasche Anstieg an Neuinfektionen vor allem im Osten und Südosten des Landes sowie im Großraum London wird mit einem mutierten Coronavirus in Verbindung gebracht. Ein zunehmender Anteil der dortigen Fälle lässt sich laut  ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control; Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten) auf die neue SARS-CoV-2-Variante VOC 202012/01 zurückführen.

 Die Mutante wurde zwar erstmals im Dezember gemeldet, doch konnten rückwirkend auch Fälle Ende September identifiziert werden. Mittlerweile wurde auch von anderen europäischen Ländern Fälle von VOC 202012/01 berichtet (Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien). Auch in Australien, Hongkong SAR, Indien, Israel, Japan, Jordanien, Kanada, Libanon, Schweiz, Singapur und Südkorea wurde das Virus gefunden. Das Branchenportal STAT berichtete nun auch über den ersten Fall der UK-Variante in den Vereinigten Staaten.

Leichter übertragbar, aber bislang keine schweren Verläufe

VOC 202012/01 soll sich leichter übertragen lassen, doch verursacht dieser Virustyp auch schwerere COVID-19-Erkrankungen? Das ECDC hat anhand vorläufiger Analysen die Lage bewertet und seine Einschätzung veröffentlicht: „Vorläufige Analysen deuten darauf hin, dass die neue Variante im Vergleich zu zuvor zirkulierenden Varianten eine erhöhte Übertragbarkeit aufweist, jedoch wurde bisher keine Erhöhung der Infektionsschwere festgestellt.“

Die südafrikanische SARS-CoV-2-Variante

Damit nicht genug: Auch in Südafrika zirkuliert eine neue Variante von SARS-CoV-2. Sie wird als 501.V2 bezeichnet und ist nach Einschätzung des ECDC „ebenfalls potenziell besorgniserregend“. Diese Variante wurde erstmals in Proben vom Oktober nachgewiesen, seitdem wurden mehr als 300 Fälle mit der Variante 501.V2 durch Ganzgenomsequenzierung in Südafrika bestätigt. Dort ist sie laut dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten nun die „dominierende Form des Virus“.

Kein Hinweis auf höheren Schweregrad

Die Einschätzung des ECDC zu 501.V2 lautet ähnlich wie bei der britischen Mutante: Vorläufige Ergebnisse wiesen möglicherweise auf eine erhöhte Übertragbarkeit hin. „Wie bei der VOC 202012/01 gibt es jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine Hinweise darauf, dass 501.V2 mit einem höheren Schweregrad der Infektion verbunden ist“. Die südafrikanische Variante wurde bereits zweimal in Großbritannien festgestellt, auch in Finnland gibt es einen Fall.

Am 22. Dezember 2020 wurden in Großbritannien zwei geografisch getrennte Fälle dieser neuen Variante 501.V2 festgestellt. Beide sind Kontaktpersonen von symptomatischen Personen, die von einer Reise nach Südafrika zurückkehren. Am 28. Dezember 2020 wurde ein weiterer Fall dieser neuen Variante in Finnland bei einem aus Südafrika zurückkehrenden Reisenden festgestellt.

Hohe Gefahr der weiteren Einschleppung

Nach Einschätzung des ECDC ist die Wahrscheinlichkeit der Einschleppung und weiteren Verbreitung von SARS-CoV-2 VOC 202012/01 und 501.V2 nach Europa hoch. Obwohl es keine Informationen darüber gebe, dass Infektionen mit diesen Stämmen vergleichsweise schwer verlaufen, schätzt das ECDC die Auswirkung der Mutanten auf COVID-19-Erkrankungen und deren Folgen – in Form von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen – aufgrund der erhöhten Übertragbarkeit dennoch als hoch ein, insbesondere bei Personen in höheren Altersgruppen oder mit Komorbiditäten. Das ECDC stuft das Gesamtrisiko von COVID-19 durch die weitere Verbreitung von SARS-CoV-2 VOC 202012/01 und 501.V2 ebenfalls als hoch ein, gleichermaßen das Risiko eines erhöhten Drucks und Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme.

Ob die zugelassenen Vakzinen BNT16b2 (Comirnaty) auch bei den neuen SARS-CoV-2-Varianten eine gute Impfwirksamkeit zeigt, ist bislang nicht belegt. Biontech arbeitet jedoch bereits daran. Im Rahmen einer Fachpressekonferenz zeigte sich Dr. Annette Vogel, Director Infectious Disease Vaccines bei Biontech SE, jüngst zuversichtlich ob der Impfeffektivität: Biontech habe bereits während des Entwicklungsprozesses unterschiedliche Virusvarianten getestet, auch solche mit Mutationen in der kritischen Rezeptorbindedomäne. „Wir haben von Beginn an die Immunantworten der Patienten auf aufkommende Mutationen und unterschiedliche Virusvarianten getestet. Und wir haben bislang keinen negativen Effekt auf die Wirksamkeit unseres Impfstoffs nachweisen können“, so Vogel. Die neue Mutante habe Biontech zwar leider noch nicht testen können, da diese Tests mit Pseudoviren erfolgten. Das benötige einen gewissen zeitlichen Vorlauf, da diese Pseudoviren zunächst generiert werden müssten. Mithilfe dieser Pseudoviren untersucht Biontech, ob die Immunseren auch weiterhin neutralisierend gegen diese Pseudoviren sind. „Allerdings halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass die Effektivität unseres Impfstoffs durch die neue Variante eingeschränkt ist. 

Auch STIKO-Chef Professor Thomas Mertens geht aktuell davon aus, dass die BNT162b2 auch vor den SARS-CoV-2-Varianten schützt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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