Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

03.01.2021, 08:00 Uhr

Neues Jahr, neue Chancen – ja, es gibt sie, trotz vieler Widrigkeiten! (Foto: Alex Schelbert)

Neues Jahr, neue Chancen – ja, es gibt sie, trotz vieler Widrigkeiten! (Foto: Alex Schelbert)


Die Maskenverteilaktion in Apotheken läuft auch im neuen Jahr – in Kürze in geordneteren Bahnen nur mit Coupons der Kassen und zwei Euro Eigenbeteiligung der Bezugsberechtigten. Und die EU-Versender dürfen mitmachen. Das sieht nach billigen Marketingaktionen aus: Masken ohne Eigenbeteiligung – sinnvoll ist das nicht. Masken sind keine Ramschware und keine Zugabe. Was bringt das neue Jahr noch? Eine neue Crew, die das Traumschiff ABDA in rauer See auf Kurs halten muss. Noch gibt es sie, die Ziele, wo wir Apothekers dringend gebraucht werden, aber eine Vergnügungsfahrt wird das nicht. 

28. Dezember 2020

Acht Jahre Friedemann Schmidt als ABDA-Präsident neigen sich ihrem Ende entgegen. Als er 2013 sein Amt antrat, wollte er vieles anders machen in der Standesführung. Als langjähriger ABDA-Vize kannte er Berufspolitik – gut möglich, dass er mit seinem Insiderwissen durchaus gesehen hat, wo diese Berufsorganisation ihre Schwachstellen hat, was man besser machen kann und wie man sie besser führen kann. Er übernahm das Ruder in schwierigen Zeiten – es war offenkundig geworden, dass der ehemalige ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz jahrelang einen „Maulwurf“ im Bundesgesundheitsministerium hatte. Und die früheren Absprachen zwischen ABDA und ihrem Verbandspressesprecher, wonach man ihm zugestanden hatte, neben der ABDA-Kommunikationsstelle noch seine eigene Nachrichtenagentur zu betreiben, machte die Lage nicht einfacher. Voller Elan und Tatkraft versprach Schmidt mehr Transparenz, mehr Offenheit, mehr Kommunikation. Er ging auf die Opposition zu, auf „Protestler“, er beteiligte sich in Internetforen an Diskussionen, meldete sich gern und gut zu Wort. Es war ein neuer Stil, der bei vielen außerhalb der ABDA gut ankam, intern jedoch nicht bei allen auf Gegenliebe stieß. Und so war es abzusehen, dass Schmidt von seinem offenen Stil im Lauf der Jahre abrückte, seinen angekündigten Weg einer Transparenz- und Kommunikationsoffensive verließ und sich „hinter den dicken Mauern des Mendelssohn-Palais“, also des damaligen Apothekerhauses in Berlin, verschanzte. Dennoch, mein liebes Tagebuch, Schmidt versucht in seiner Amtszeit auch Bewegung in den Berufsstand zu bringen und ihn neu auszurichten. Eines seiner großen innenpolitischen Projekte war die Erarbeitung des Perspektivpapiers 2030. Schmidts Vision: Der Apotheker soll mit seinen „kognitiven Kompetenzen“ punkten, nicht mit der Logistik. Der Patient soll in den Mittelpunkt rücken, wo bisher immer das Arzneimittel als Produkt stand. Ja, mein liebes Tagebuch, der Ansatz  war gut, das Papier respektabel – aber mit der Umsetzung hapert es bis heute. Hinzu kam: Vollen Einsatz erforderte es auf die europäische und die deutsche Gesundheitspolitik zu reagieren. Die Politik wollte die geplanten Anstrengungen des Apothekerberufs nicht in dem Maße honorieren, wie es für ein solches Projekt nötig wäre. Das Urteil des EuGH im Jahr 2016 und ein Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wiesen der deutschen Apotheke einen anderen Weg. Spahn hatte seine eigenen Vorstellungen, in welche Richtung es mit der Apotheke gehen sollte – auf keinen Fall in Richtung eines Verbots des Rx-Versands. Und von einer Anpassung des Apothekerhonorars per se will der Bundesgesundheitsminister bis heute nichts wissen. Nolens volens mussten sich Schmidt und seine ABDA die Ersatz-Angebote des Ministers wie das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz mit einer instabilen Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel, ein kleines Botendiensthonorar und ein in Aussicht gestelltes Honorar für pharmazeutische Dienstleistungen schön reden. Mein liebes Tagebuch, so fällt die Bilanz acht Jahre Schmidt gespalten aus: Einerseits hat er durchaus Impulse gesetzt, das Pharmazeutische des Berufsstands hochgehalten, andererseits hätten sich manche mehr politische Angriffslust, mehr Aktion statt Reaktion gewünscht. Wobei man natürlich dagegen halten muss, dass gegen eine betonartige Haltung wie sie so einige Gesundheitspolitiker an den Tag legten, wohl  kein Apothekerpräsident dieser Welt etwas hätte ausrichten können. Unter der Überschrift „Friedemann Schmidt – der Moderator, der verstummte“ hat mein DAZ-Herausgeber-Kollege Dr. Benjamin Wessinger ein Resümee über die Schmidtsche Amtszeit gezogen, das ich zur Lektüre sehr empfehlen kann.     

29. Dezember 2020

Wenn Apotheken sogenannte Point-of-Care-Tests auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 an berechtigte Leistungserbringer abgeben, z. B. an die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) und die von ihnen betriebenen Testzentren, die von ihnen beauftragten Dritten sowie Arztpraxen und KV-Testzentren, dann waren für die Apotheken die Beschaffungskosten auf maximal 9 Euro begrenzt, für die Apotheke war ein Festzuschlag von 60 Cent je Test vorgesehen. Zum Jahreswechsel sollen diese Preisvorschriften fallen. Das Ministerium lässt verlauten: „Die inzwischen große Anzahl an Anbietern und die verbesserte Sachkostenvergütung für Leistungserbringer sorgen für einen inzwischen funktionierenden Preis- und Qualitätswettbewerb und eine sichere Versorgung mit Antigentests.“ Mein liebes Tagebuch, im Klartext: Die Sorge, dass Tests zu überhöhten Preisen abgegeben werden und dadurch möglicherweise auf die Anwendung teurer Tests verzichtet wird, besteht nicht mehr, es gibt genug und preisgünstige Tests. Der Markt regelt’s.

 

Seit 27. Dezember 2020 wird in Deutschland gegen Corona geimpft. In Windeseile wurden im ganzen Land Impfzentren errichtet, um möglichst viele Menschen in kürzester Zeit gegen SARS-CoV-2 zu impfen. Solche Zentren befinden sich mitunter in großen Lager- und Messehallen. Oder, wie z. B. in Stuttgart, im Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, wo 15 Impfkabinen unter Mitarbeit des Stuttgarter Klinikums eingerichtet wurden. Dort wo sonst der Geist von Mozart oder Beethoven durch die Räume wabert, arbeiten nun Ärzte und Apotheker, medizinisches und pharmazeutisches Personal, um zunächst die Personen mit höchster Priorität mit der Vakzine zu versorgen. Mein liebes Tagebuch, ich konnte das Impfzentrum besuchen und mich dort umsehen, mit dem zuständigen Krankenhausapotheker und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen. Es ist beeindruckend, was und wie die Impfstoffversorgung in kürzester Zeit so perfekt auf die Beine gestellt wurde mit Tiefkühlschränken, mit Arbeitsplätzen zur Aufbereitung der Vakzine, für die  medizinisch notwendigen Abläufen vom Aufklärungsgespräch bis zur Verimpfung. Meinen Bericht finden Sie in der ersten DAZ-Ausgabe des neuen Jahrs.

30. Dezember 2020

Noch bis 6. Januar 2021 läuft die Aktion der kostenlosen Abgabe von FFP2-Masken an Personen, die über 60 Jahre alt sind. Die Meinungen über diesen Spahnschen Schnellschuss, der mithelfen soll, dass sich vor allem die älteren Menschen besser vor Ansteckung schützen können, war in Apothekenkreisen geteilt. Für so manche Apotheke war diese Aktion nur nervig und Kräfte zehrend, für andere war es eine willkommene Aktion, die Unverzichtbarkeit und Servicebereitschaft der Apotheke zu unterstreichen. Ab dem Dreikönigtag wird die Maskenaktion bekanntlich modifiziert: Die bezugsberechtigten Personen erhalten dann zweimal weitere sechs Masken, wenn sie einen Bezugscoupon, den sie von ihrer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung erhalten haben, vorlegen können. Diese fälschungssicheren Coupons berechtigen dazu, gegen eine Eigenbeteiligung von jeweils zwei Euro sechs Masken bis 15. Februar und weitere sechs Masken bis zum 15. April 2021 zu erwerben. Dann, mein liebes Tagebuch, ist der verbilligte Maskenbezug erst mal vorbei, falls die Lage keine Verlängerung erfordert. Obacht, neu ist ab 6. Januar, dass auch die EU-Arznei-Versandhäuser an der Maskenverteilaktion mitmischen dürfen. Ja, mein liebes Tagebuch, und was ist dann? Werden die Versender die Aktion zu Marketingzwecken missbrauchen, sprich die Eigenbeteiligung von zwei Euro nicht erheben? Wie werden sich dann die Apothekern hierzulande verhalten? Dürfen die dann auch auf den Einzug der Eigenbeteiligung verzichten? Ist es sinnvoll, auf die zwei Euro zu verzichten und eine Marketingaktion daraus zu machen? Mein liebes Tagebuch, nun, Masken sind keine Arzneimittel, die Eigenbeteiligung ist keine Zuzahlung im Sinne des SGB V (§ 61). So kommen Verordnungsgeber und auch die ABDA zu dem Schluss, dass man es rechtlich nicht unterbinden kann, wenn Apotheken die zwei Euro nicht kassieren – was mit Sicherheit einige Apotheken tun werden. Masken als Marketingaktion – die ABDA rät davon ab. Mein liebes Tagebuch, ehrlich gesagt, ich halte es auch für problematisch, auf die zwei Euro zu verzichten, zumal es bereits gut kommuniziert ist, dass es demnächst die Masken gegen diese kleine Eigenbeteiligung gibt. Der Verzicht darauf wäre für so manche Kunden das Signal: Was nichts kostet, ist nichts wert, sie betrachten die Masken als geringwertige Werbebeigaben und gehen mit den Schutzmasken weniger verantwortungsvoll um. Dabei sind Masken ein wichtiger Schutz, Masken sollten auch mit Beratung und entsprechenden Hinweisen, wie sie richtig angewendet werden, abgegeben und nicht verramscht werden. Mein liebes Tagebuch, Masken ohne Eigenbeteiligung abzugeben – lässt das nicht die Krämerseele so mancher Apothekers zutage kommen?

 

Die Maskenaktion – gut gemeint. Und wie ist die Umsetzung? Die Kritik an der Corona-Schutzmasken-Verordnung hört nicht auf. Jetzt wollen es die Grünen genau wissen: Warum bekommen die Apotheken 6 Euro pro Maske? Wie wird die Qualität der Masken sichergestellt? Und über 20 weitere Fragen haben sie in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Kritisch sehen es die Grünen, dass den Apotheken das Neuverpacken der Masken per Verordnung gestattet ist. Und sie fragen auch, warum die Versicherten einen Coupon erhalten und die Masken nicht gleich per Post zugeschickt werden. Im Januar dürfen wir die Antworten auf die Fragen erwarten.

3. Januar 2021 

Mein liebes Tagebuch, und schon ist das neue Jahr mehr als zwei Tage alt. er Ausblick: Corona werden wir noch eine Zeitlang an der Backe haben, die Ausnahmesituation, der Lockdown wird anhalten. So wie früher wird es so schnell nicht werden. Der einzige Lichtblick, unsere kleine Freude: Tendenziell dürfte es dank der Impfungen langsam besser werden.

Und was wird uns Apothekers das neue Jahr bringen? Das ABDA-Traumschiff sticht mit einer neuen Crew in stürmische See. Eine Kapitänin steht am Steuerrad: Gabriele Regina Overwiening ist die neue ABDA-Präsidentin, die uns Veränderungen im Kurs versprochen hat. Thomas Benkert darf als BAK-Präsident die Richtung mitbestimmen und Thomas Dittrich als neuer Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands muss darauf achten, dass die Kasse stimmt. Eines der ersten Ziele: Sie werden pharmazeutisch honorierte Dienstleistungen ansteuern und die Krankenkassen zu Gesprächen einladen. Und wie sind die Prognosen fürs pharmazeutische Wetter im neuen Jahr?  Es bleibt stürmisch, mit Überraschungen und vielen Tiefs: Lieferengpässe, Digitalisierungsprobleme mit E-Rezept, E-Medikationsplan und E-Patientenakte, massive Widrigkeiten aus Richtung der niederländischen Grenzgebiete und anhaltende atmosphärische Störungen aus der Bundespolitik. Und nach wie vor wird’s keine Erhöhung des Honorars geben – auch im kommenden Jahr werden einige Apotheken das Licht für immer ausmachen, die Ausdünnung des Apothekennetzes geht weiter. Ziemlich düster, mein liebes Tagebuch, gibt es denn gar keine Lichtblicke? Doch! Die Vor-Ort-Apotheke wird gebraucht, sie ist unersetzlich, unsere Kunden und Patienten lieben und schätzen uns – da können die Versandhäuser noch so poltern und tun, als seien sie Apotheken. Die Apotheke sind wir, vor Ort. Punkt. Und: Liebe neue ABDA, nutzt die Chancen, macht was draus. Und seid kommunikativer und offener als in den vergangenen Jahren. Mein liebes Tagebuch und ich wünschen allen Apothekerinnen und Apothekern, allen PTAs und PKAs ein gutes neues und erfolgreiches Jahr!



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Schiffchen versenken ... nur in der Verlängerung?

von Christian Timme am 03.01.2021 um 22:35 Uhr

Die Titanic benötigte einen Eisberg um ... wenn die ABDA eine Munitionskammer hätte benötigte man eine Konone und einen guten Richtschützen oder ... ohne weiteren Geldzufluss wäre das Thema auch ...

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Friedemann Schmidt war nun wahrlich kein Donald Trump ...

von Gunnar Müller, Detmold am 03.01.2021 um 13:28 Uhr

– aber Gabriele Regina Overwiening ist auch kein weiblicher Hoffnungsträger a la Joe Biden!

Machen wir uns also nichts vor:

In ihren bisherigen Amtszeiten in Westfalen-Lippe hat Overwiening nichts unversucht gelassen, die Opposition in Münster entweder mundtot zu machen oder sie aber (immer bei eigener absoluter Mehrheit.... :-)) so stark mit ihrer eigenen Mehrheits-Vorstandsarbeit zu verbinden, dass eine vorausschauende, lebendige und tatkräftige Problembewältigung abgewürgt wurde.
Die sinkenden Apothekenzahlen auch in Westfalen-Lippe und die unbefriedigenden Ergebnisse ihrer „intensiven Gespräche“ mit den Gesundheitsministern auf Landes- und Bundesebene sprechen Bände.
Und das Verhältnis zur Ärzteschaft: Zwar große mediale ‚Baumberger Gespräche’ — aber ohne nachhaltige Veränderungen an der Basis und für die Basis.
Und ihre vorgeschobenen Bekenntnisse zu Transparenz: Reine Fassade! Was erfahren wir in WL bislang von all ihren jahrelangen „Aktivitäten“ in den diversen Gremien und Ausschüssen in Berlin und über den wirtschaftenden „Konzern ABDA“ denn wirklich?
Nichts!

Mit einer Präsidentin Overwiening wird sich in den nächsten 4 Jahren weder die ABDA ändern noch die Uneinigkeit zwischen den Mitgliedsorganisationen noch die Situation der Apothekerschaft politisch wie wirtschaftlich - geschweige denn unser Verhältnis zu den vermeintlich so mächtigen Standeszertretern bei ABDA, BAK und DAV in Berlin.

Mit Overwiening hallt also allenfalls ein anderer (übrigens gar nicht mal so) „neuer“ Name in der Echokammer apothekerlicher Untätigkeit und Selbstbeweihräucherung namens ABDA!

Mit Overwiening ändert sich bei der Apothekerschaft allenfalls die Tonhöhe - aber nichts an deren Situation.
Alles bleibt, wie es ist - nur mit mehr Overwiening’schem Trara, Tamtam - und Pathos.
Na dann viel Spaß ...
Und aufgepasst, dass sich das vermeintliche Traumschiff nicht als Alptraum-Schiff „Titanic“ herausstellt...
Die Politik und das wankelmütige und von den Problemen der Basis abgehobene Auftreten unserer Standes-Oberen lassen die Eisberge schneller kalben, als man ABDA ausspricht...

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Friedemann Schmidt war nun wahrlich kein

von Sabine Schneider am 03.01.2021 um 14:19 Uhr

Wahre Worte !

AW: Friedemann Schmidt war nun wahrlich kein

von Ulrich Ströh am 03.01.2021 um 21:15 Uhr

Na ja, bei aller möglicherweise berechtigter Kritik über Traumschiffe in Berlin:

Den neugewählten Standesvertretern sollte in den ersten 100 Tagen die Chance eingeräumt werden ,Veränderungen und Resultate vorweisen zu können...

Kann nur besser werden, es muß zukünftig geliefert werden.

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