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2021 – was kommt an neuen Arzneimitteln?

Stuttgart - 05.01.2021, 10:45 Uhr

 Mehr als 30 neue Arzneimittel könnten unter anderem bei Krebs, MS, HIV oder Infektionskrankheiten, wie COVID-19,  2021 auf den Markt kommen. (Foto: metamorworks / stock.adobe.com)

 Mehr als 30 neue Arzneimittel könnten unter anderem bei Krebs, MS, HIV oder Infektionskrankheiten, wie COVID-19,  2021 auf den Markt kommen. (Foto: metamorworks / stock.adobe.com)


Der Verband forschender Arzneimittelhersteller rechnet 2021 mit mehr als 30 neuen Arzneimitteln. Für welche Patienten wird es aller Voraussicht nach neue Behandlungsoptionen geben? Innovative Medikamente, unter anderen Gentherapien, sollen gegen verschiedene Krebserkrankungen, HIV, für Patienten mit Multipler Sklerose auf den Markt kommen. Auch mit weiteren Arzneimitteln und Impfstoffen gegen COVID-19 ist zu rechnen, ebenso mit neuen Antibiotika.

„Die forschenden Pharma-Unternehmen sind innovativ auf unterschiedlichsten Gebieten der Medizin. Für 2021 sind insbesondere neue Medikamente gegen COVID-19 und verschiedene Krebsarten zu erwarten, aber auch mehrere neue HIV-Medikamente und Antibiotika. Auch für Patient:innen mit Multipler Sklerose, angeborenen Stoffwechselstörungen und vielen anderen Krankheiten dürfte es neue Behandlungsmöglichkeiten geben“, erwartet Han Steuel, Präsident des vfa (Verband forschender Arzneimittelhersteller).

Der Verband stützt seinen Optimismus zu Markteinführungen 2021 auf jüngst in der EU zugelassene Arzneimittel sowie auf Zulassungsempfehlungen seitens des Humanarzneimittelausschusses (CHMP, Comittee for Medicinal Products für Human Use) der EMA (Europäische Arzneimittelagentur). Er rechnet mit über 30 neuen Arzneimitteln, im vergangenen Jahr waren es 32 gewesen.

COVID-19 und andere Infektionserkrankungen

Seit 2020 dominiert SARS-CoV-2 die Forschung, zumindest wurde und wird in nie gesehenem Ausmaß finanzielle und Forschungsenergie in die Entwicklung von Arzneimitteln und Impfstoffen gegen COVID-19 gesteckt, sodass es sicher zur Einführung weiterer Präparate kommen wird. Schon in dieser Woche will die EMA ihre Empfehlung zur zweiten COVID-19-Vakzine für die EU herausgeben, es geht um mRNA-1273 von Moderna. Geforscht wird auch an Antikörperpräparaten, die die Viren bekämpfen oder – wie im Falle des Interleukin-6-Inhibitors Tocilizumab (Roche) – bei schwer erkrankten Patient:innen ein Überschießen der Immunantwort bremsen. „Impfstoffe und Therapeutika dürften helfen, die Pandemie im Laufe des Jahres in Deutschland zurückzudrängen“, denkt man beim vfa.

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Auch in der Behandlung von HIV wird es wohl einen neuen Wirkstoff geben: Fostemsavir in Rukobia®. Das CHMP empfahl am 10. Dezember 2020 die Zulassung. Eingesetzt werden soll es bei multiresistenten HIV-Infektionen. Außerdem wurde am 18. November 2020 Obiltoxaximab SFL gegen Lungenmilzbrand (Behandlung und Postexpositionsprophylaxe) in der EU zugelassen. Obiltoxaximab ist ein monoklonaler Antikörper der das protektive Antigen (PA) von Bacillus anthracis, dem Milzbranderreger, bindet. Es hemmt die Bindung von PA an seine Zellrezeptoren und vermeidet so den intrazellulären Eintritt des letalen Anthraxfaktors und Ödemfaktors, die enzymatischen Toxinkomponenten, die für die pathogenen Wirkungen des Anthraxtoxins verantwortlich sind, beschreibt die Fachinformation den Wirkmechanismus von Obiltoxaximab.

Spitzenwert bei Antiinfektiva erwartet

Neben diesem speziellen Milzbrandtherapeutikum rechnet der vfa mit „mehreren neuen Antibiotika“, die auch bei Resistenzen wirksam seien. „Geeignete Mittel zu entwickeln und die nachhaltige Finanzierung und Erstattung dieser Entwicklungen zu sichern, ist eine der großen Aufgaben von Industrie und Politik für die nächsten Jahre“, so Han Steutel. Mit dem 2020 gegründeten AMR Action Fund für Investment in Antibiotikaentwicklungen sei die Pharmaindustrie hier in Vorleistung gegangen. Insgesamt dürften die zu erwartenden Arzneimittel gegen Infektionskrankheiten ein Viertel oder mehr der Neueinführungen von 2021 ausmachen, laut vfa „ein seit vielen Jahren nicht mehr erreichter Spitzenwert“. Der vfa hat eine tabellarische Übersicht aller in Entwicklung befindlichen Antibiotika (teils bereits zugelassener, aber noch nicht vermarkteter) zusammengestellt.

Ein Viertel aller neuen Arzneimittel im Bereich Krebs

Ein weiteres Viertel der neuen Arzneimittel 2021 dürfte gegen unterschiedliche Krebserkrankungen gerichtet sein, erwartet der Verband forschender Arzneimittelhersteller. Unter anderem könnten zwei neue CAR-T-Zell-Therapien zur Behandlung von Mantelzelllymphomen oder Multiplem Myelom möglich werden. Die EU-Kommission erteilte am 15.Dezember 2020 Tecartus® mit dem Wirkstoff Brexucabtagen Autoleucel von Kite Pharma EU B.V die bedingte Zulassung, eingesetzt wird es zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom. Idecabtagen Vicleucel könnte in diesem Jahr Eingang in die Therapie des Multiplen Myeloms finden. Ein weiterer Wirkstoff zur Behandlung des Multiplen Myeloms, Isatuximab (Sarclisa®), ist hingegen bereits zugelassen, wartet aber noch auf Markteinführung durch Sanofi. Eingesetzt wird Isatuximab in Kombination mit Pomalidomid und Dexamethason.

Brust, Lunge und Haarzellleukämie

Andere neue Krebsmedikamente könnten bei Patienten mit ganz unterschiedlichen Krebsarten zur Anwendung kommen, berichtet der vfa. Weit fortgeschritten und mit bereits erteilter „Positive Opinion“ der EMA sind Trastuzumab deruxtecan (Enhertu®) gegen unresezierbaren, metastasierten, HER2-positiven Brustkrebs (Daiichi Sankyo und AstraZeneca) und Tucatinib (Tukysa®) von Pfizer und Seattle Genetics. Moxetumomab pasudotox in Lumoxity® könnte die EU-Zulassung bei vorbehandelter Haarzellleukämie (AstraZeneca und Innate Pharma) erteilt werden und bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) und Schilddrüsenkrebs könnte Selpercatinib (Retsevmo®) noch in diesem Jahr zugelassen werden. Eine vollständige Übersicht zum jeweiligen Entwicklungsstand findet sich auf der Homepage des vfa.

Steutel dazu: „Auf Patienten und ihre Tumorerkrankung zugeschnittene Therapien sind wesentlich dafür, dass sich in der laufenden ,Nationalen Dekade gegen Krebs' wirklich die Chancen der Betroffenen verbessern können.“

Seltene Stoffwechselstörungen und weitere Erkrankungen

Tausende angeborene Stoffwechselstörungen sind laut vfa bis heute nicht ursächlich behandelbar. 2021 soll sich das durch Medikamente unter anderem für Patienten mit Hyperoxalurie Typ 1 (Oxalsäure-Überproduktion) ändern, hier ist Lumasiran (Oxlumo) zugelassen. Neue Optionen sollen auch Patient:innen mit Hutchinson-Gilford-Progerie (beschleunigte Alterung) helfen (Lonafarnib) oder den Leptin-Rezeptor- und Proopiomelanocortinmangel (der zu starkem Übergewicht führt) bessern (Setmelanotid).

Für Patienten mit metachromatischer Leukodystrophie oder angeborenem Mangel an L-Aminosäuren-Decarboxylase könnten Gentherapien verfügbar werden. Wie bei anderen Gentherapien auch, sollen sie mit dem Ziel eingesetzt werden, durch eine einmalige Behandlung die Situation der Behandelten nachhaltig zu verbessern.

Alle diese Medikamente haben von der EU den Orphan Drug-Status erhalten, weil sie eine wesentlich verbesserte Behandlungsmöglichkeit für die betreffende seltene Krankheit in Aussicht stellen. Ob das der Fall ist, wird stets vor der Zulassung nochmals eingehend geprüft.

Zum breit gefächerten Spektrum neuer Medikamente von 2021 könnten auch Mittel gehören, die mit einem neuen Wirkprinzip gegen schwere Depression oder überhöhten Cholesterinspiegel eingesetzt werden können. So ist beispielsweise Esketamin-Nasenspray (Spravato®) bei therapieresistenten Depressionen bereits zugelassen, doch die Markteinführung bislang nicht erfolgt. Auch zur Dauertherapie von Multipler Sklerose und für die Kurzzeitnarkose könnten neue Arzneimittel herauskommen. Bei MS erhielt Ofatumumab, wie Ocrelizumab (Ocrevus®) in den USA bereits die Zulassung zur Behandlung remittierend schubförmiger Multipler Sklerose, bei der EMA hat Novartis zu Zulassungsunterlagen eingereicht.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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