Studie zur Gelbfieberimpfung

Auch ein Fünftel der Standard-Dosis schützt zuverlässig vor Gelbfieber

Frankfurt am Main - 22.01.2021, 07:00 Uhr

Ein Fünftel der Dosis genügt: Die WHO ändert ihre Richtlinie zur Gelbfieberimpfung. Eine Studie bestätigte die Wirksamkeit auch in geringer Dosierung. (Foto: picture alliance / AP Photo | ltomlinson)

Ein Fünftel der Dosis genügt: Die WHO ändert ihre Richtlinie zur Gelbfieberimpfung. Eine Studie bestätigte die Wirksamkeit auch in geringer Dosierung. (Foto: picture alliance / AP Photo | ltomlinson)


Ein Fünftel der bislang eingesetzten Gelbfieber-Impfdosis genügt, um zuverlässig vor einer Erkrankung zu schützen – das zeigt eine Studie, publiziert in „The Lancet“. Die WHO will nun ihre Richtlinien zur Gelbfieberimpfung anpassen. Der Vorteil bei geringeren Impfdosen: Es können fünfmal mehr Menschen gegen Gelbfieber geimpft werden – vor allem bei Ausbrüchen sind die Lebendvakzinen meist rar.

Wenn es um das Thema Impfstoff-Knappheit geht, so blickt momentan die ganze Welt auf den Corona-Impfstoff. Seit Ende Dezember 2020 wird in Deutschland gegen COVID-19 geimpft. Dass es nur langsam vorangeht, liegt an der limitierten Verfügbarkeit des Impfstoffs. Dabei wird vergessen, dass Impfstoff-Mangel nicht nur bei Corona ein Thema ist. Auch bei anderen Virusinfektionen, wie dem durch Flaviviren verursachten Gelbfieber, reichen bei Ausbrüchen meist die Impfdosen nicht. Diese Situation könnte sich nun bessern.

Geringere Dosis genügt

Eine klinische Studie unter Führung von „Ärzte ohne Grenzen“ kam zu dem Ergebnis, dass auch eine geringere Impfstoffdosis gegen die Krankheit schützen kann: Ein Fünftel der bisherigen Standarddosis reicht für einen Schutz aus, sodass im Umkehrschluss künftig fünfmal so viele Menschen mit der bislang verfügbaren Impfstoffmenge geimpft werden können. In der Studie spricht man von zusätzlich Millionen mehr Menschen, die so die lebensrettende Impfung erhalten könnten. Nach Veröffentlichung der Studienergebnisse im medizinischen Fachblatt „The Lancet“ will die Weltgesundheitsorganisation WHO nun ihre Richtlinie für Gelbfieberimpfungen anpassen, wodurch bei zukünftigen Gelbfieberepidemien Staaten und Ärzte entlastet werden. Myriam Henkens, internationale medizinische Leiterin von „Ärzte ohne Grenzen“, erklärt: „Die Impfung ist die wichtigste Vorbeugungsmaßnahme gegen die Krankheit. Diese Studie zeigt, dass Gesundheitsmitarbeiter ruhigen Gewissens auch kleinere Dosen von jedem der von der WHO geprüften Gelbfieberimpfstoffen verabreichen können. Sie wissen nun, dass auch diese Dosis ihre Patienten schützt und sie so gleichzeitig mehr Menschen schützen können.“

Antikörpertiter vergleichbar

Dass ein Fünftel der Standardimpfdosis als Schutz ausreicht, fanden Wissenschaftler der Epicentre, der epidemiologischen Forschungseinrichtung von „Ärzte ohne Grenzen“ in Zusammenarbeit mit dem Kenya Medical Research Institut, dem Institut der Pasteur de Dakar und der WHO in einer doppelblinden, randomisierten Nicht-Unterlegenheits-Studie heraus. Durchgeführt wurde die Studie in Mbarara, Uganda, und Kilifi, Kenia. Gewählt wurde ein Impfzeitraum von vier Monaten (November 2017 bis Februar 2018). Wissenschaftler verabreichten 960 Probanden entweder die herkömmliche Standarddosis oder die geringere Impfdosis. Dabei wurden alle vier von der WHO zugelassenen Gelbfieberimpfstoffe getestet, unter anderem die Gelbfiebervakzine von Sanofi Pasteur (Handelsname in Deutschland: Stamaril®).

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Individueller Schutz

Das Ergebnis: Die Probanden mit der geringeren Dosis zeigten wie auch die mit Standarddosis Geimpften eine immunologische Reaktion. „Die geringeren Dosen aller von der WHO präqualifizierten Gelbfieberimpfstoffe waren der Standarddosis in Bezug auf die Induktion einer Serokonversion 28 Tage nach der Impfung nicht unterlegen, wobei keine größeren Sicherheitsbedenken bestanden“, erklären die Wissenschaftler. Hierfür hatten sie die Antikörpertiter in den Blutseren der Geimpften bestimmt. 

Ausreichende Antikörperbildung dauert länger

Auch wenn nach zehn Tagen die Antikörperkonzentration in der Gruppe mit der kleineren Impfdosis geringer war, hatten auch die Probanden nach 28 Tagen genügend Antikörper gebildet, um sich gegen eine Gelbfiebervirus-Infektion zu schützen. Die Wissenschaftler fanden keine größeren Sicherheitsbedenken, die Nebenwirkungsraten waren vergleichbar. Sie empfehlen abschließend eine Dosis-Splittung, um bei einem Gelbfieber-Ausbruch mehr Menschen vor der Infektion schützen zu können.

Dosisreduktion gilt nur für untersuchte Impfstoffe

Es wird in der Studie jedoch ausdrücklich erwähnt, dass sich die Ergebnisse nur auf die vier weltweit zugelassenen Gelbfieberimpfstoffe beziehen. Diese wurden bereits vor 80 Jahren entdeckt (1937 durch Max Theiler, dieser erhielt 1951 den Nobelpreis dafür) und seitdem kaum verändert. Des Weiteren wird noch geforscht, inwieweit die Studienergebnisse auch auf Kinder im Alter von neun Monaten bis fünf Jahren und HIV-Infizierte übertragbar sind.

Nach 28 Tagen gleiche Antikörperkonzentration

Die Wissenschaftler zeigten jedoch Bedenken, da die Probanden mit der Ein-Fünftel-Dosis zehn Tage nach der Impfung zunächst eine geringere Antikörperkonzentration aufwiesen. Erst nach 28 Tagen hatten sie die gleiche Antikörperkonzentration wie die Probanden mit der Standarddosis. Ihrer Ansicht nach ist es folglich besonders wichtig, bei einem Gelbfieberausbruch möglichst früh mit dem Impfen zu starten. Doch auch für Touristen, die in Zukunft mit der geringeren Dosis gegen das Gelbfieber geimpft werden, muss vor Reiseantritt in Risikogebiete frühzeitig geimpft werden, damit ein voller Impfschutz gegeben ist. Aktuell gilt, dass zehn Tage vor Reiseantritt geimpft werden soll, da dann mit einer ausreichenden Immunität zu rechnen ist.

Die Studie weist auch Schwächen auf. So können die Wissenschaftler anhand der Daten noch nicht sagen, in welcher Form die gebildeten Antikörper nach einer verringerten Impfdosis mit anderen Flaviviren interferieren. Hier gilt es weitere Untersuchungen in Bezug auf das Zika-, Dengue- und West-Nil-Virus durchzuführen.

Einmalige Impfung schützt lebenslang

Momentan leben etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt in Gebieten, in denen immer wieder Gelbfiebervirus-Epidemien ausbrechen und es zu massiven Infektionsgeschehen kommt. Übertragen wird das Flavivirus durch den Stich verschiedener Mücken, unter anderem der Gattung Aedes aegypti (Gelbfiebermücke, Ägyptische Tigermücke). So infizieren sich schätzungsweise 200.000 Menschen jedes Jahr mit dem Gelbfiebervirus, 30.000 sterben an der Erkrankung. 90 Prozent aller Infektionen betreffen den afrikanischen Kontinent. 

In den meisten Fällen verläuft die Infektion mild, sie äußert sich als kurze Fieberkrankheit mit Kopfschmerzen und Schüttelfrost, Rückenschmerzen sowie Appetitlosigkeit und Erbrechen. Patienten mit nur leichten Symptomen erholen sich nach drei bis vier Tagen. Allerdings erkrankt auch ein kleiner Anteil schwer. Bei 15 Prozent der Infizierten kommt es zu einer zweiten Phase der Erkrankung mit erneutem Fieber, erhöhter Blutungsneigung und schwerer Leberschädigung mit Gelbsucht. Laut dem Robert Koch-Institut sterben 20 bis 60 Prozent der Patienten in der toxischen Phase, die Gesamtletalität gibt das RKI mit 10 bis 20 Prozent an.

Impfstoffherstellung dauert zwölf Monate

Bei diesen Patienten kommt es zu inneren Blutungen und schweren Schäden der Leber und Niere. Ungefähr die Hälfte der Betroffenen, die dieses schwere Stadium der Erkrankung erreichen, sterben innerhalb von wenigen Tagen. Da es keine kausale Therapie gegen die Infektion gibt, hilft nur eine Impfung gegen die Ansteckung. Das Problem: Der Impfstoff gegen das Gelbfieber muss aufwendig hergestellt werden. Eine Herstellungszeit von zwölf Monaten ist üblich. Zudem ist es schwer vorherzusagen, wie viel Impfstoff jedes Jahr benötigt wird. Bei einem Ausbruch sind dann oftmals nicht genügend Impfdosen verfügbar.

Nahezu 100 Prozent Schutz

Die Wirksamkeit der Gelbfiebervakzinen ist äußerst gut, sie wird mit 96 Prozent beschrieben. In der Fachinformation zu Stamaril® liest man, dass bei einer Dosis Stamaril® von einem Impfschutz von mindestens zehn Jahren ausgegangen werden kann, möglicherweise auch lebenslang. Die WHO empfiehlt seit 2014 eine einmalige Impfung für einen lebenslangen Schutz.



Regina Huwa, Apothekerin
redaktion@daz.online


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