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19. Februar 2021
Kostenlose Schnelltests für alle – das ist also Spahns Überraschungs-Coup im Rahmen der Nationalen Teststrategie. Apotheken, die es sich zutrauen, sind herzlich eingeladen, ein Testzentrum aufzubauen und mitzutesten. Fein, mein liebes Tagebuch, das klingt doch erstmal phantastisch gut, das hat was von Herausforderung, von Challenge und Abenteuer. Doch wie viele Apothekers wollen das? Oder besser, wie viele können das? Nun, Spahn weiß, dass das nicht alle können und auch nicht wollen. Und er sagt auch: „Es müssen nicht alle Apotheken mitmachen.“ Nun gut, und wenn eine Apotheke doch einsteigen will: Die ABDA stellt bereits entsprechende Arbeitshilfen zur Verfügung, macht aber darauf aufmerksam, dass die Durchführung solcher Tests mit einem hohen personellen, sächlichen und organisatorischen Aufwand verbunden ist, der nicht von jeder Apotheke geleistet werden könne.
Und wer wissen will, wie hoch der Aufwand tatsächlich ist, sollte sich vertrauensvoll an einen Apotheker wenden, der bereits ein Testzentrum betreibt. Dort bekommt man Tipps und Hinweise aus erster Hand. Dann bleibt noch die Frage: Lohnt sich das überhaupt? Wie so oft heißt hier die Antwort ganz klar: Jein. Die staatliche Vergütung für die Schnelltests (9 Euro Materialkosten plus 9 Euro Honorar je Test) ist mehr als knapp bemessen. Da sollte man schon täglich ein paar Tests mehr durchführen und eine gute Test-Software im Hintergrund laufen haben, damit man nicht in die roten Zahlen rutscht. Wofür es allerdings Pluspunkte gibt, wenn man testet, das ist der Imagegewinn für die Apotheke.
In einer Stellungnahme zum Vorstoß des Bundesgesundheitsministers macht die ABDA deutlich, dass sie „die bislang vorgesehene Vergütung für die Testdurchführung einschließlich Ausstellung eines Testzeugnisses von 9 Euro für nicht ärztliche Leistungserbringer als deutlich zu niedrig erachtet“. Diese Vergütung bildet den in den Apotheken entstehenden Aufwand nicht in ausreichender Weise ab. Welches Honorar die ABDA stattdessen erwartet, sagt sie allerdings nicht. Mein liebes Tagebuch, ob Spahn die ABDA erhört? In einer Diskussionsrunde konnte ich selbst Jens Spahn fragen, ob er bei den neun Euro noch etwas zulegen kann. Seine Antwort sinngemäß: Er wolle die Bitte mal mitnehmen, aber er wisse auch, dass Apotheken und Testzentren sehr wohl mit diesem Honorar zurechtkämen. Mein liebes Tagebuch, lassen wir uns überraschen, vielleicht legt er mit der Verordnungsanpassung noch zwei, drei Euro drauf.
Und zum Thema Laientests: Da pocht die ABDA auf eine Apothekenpflicht für solche Produkte. Tja, mein liebes Tagebuch, wäre schön gewesen, wird aber nicht kommen. Da ist Spahn voll auf einem anderen Kurs: Laientests sind für Laien und dementsprechend sollen sie freiverkäuflich sein, und ja, selbstverständlich auch in Apotheken, aber auch bei Aldi. Also, mein liebes Tagebuch, die Apothekenpflicht für Laientests können wir uns abschminken.
Er ist derzeit einer der gefragtesten Apotheker in den Medien: Dr. Björn Schittenhelm, Inhaber der Alamannen-Apotheken in Holzgerlingen im Landkreis Böblingen. Spiegel, Stern, Welt und Markus Lanz berichten über seinen Einsatz und sein Engagement in Sachen Schnelltests. Sogar in der Tagesschau kam an erster Stelle ein Bericht, der das Schönbuch-Testzentrum von Schittenhelm zeigte. Mein liebes Tagebuch, was hat Schittenhelm gemacht? Schon sehr bald, im Dezember hat er ein Testzentrum aufgebaut im Auftrag des Gesundheitsamts. Der Landrat des Landkreises Böblingen war von dieser Aktion so begeistert, dass er Schittenhelm bat, in seinem Landkreis doch flächendeckend weitere Schnelltestzentren aufzubauen. Schittenhelm sprach vier weitere Kolleginnen und Kollegen an, die dann ebenfalls ein Testzentrum mit Hilfe seiner Erfahrung aufbauten. Dem Landrat gefiel das so gut, dass er, noch vor dem kostenlosen Testangebot von Jens Spahn, für alle Einwohner seines Landkreises kostenlose Tests anbietet. Mein liebes Tagebuch, wirklich ein tolles Projekt, das Schittenhelm hier initiierte und auf die Beine stellte. In meinem Podcast habe ich mit ihm darüber gesprochen, wie er dabei vorgegangen ist. Und natürlich spreche ich mit ihm auch über die Kosten. Übrigens, sein Wissen teilt er gerne mit Kolleginnen und Kollegen, die darüber nachdenken, PoC-Antigen-Schnelltests anzubieten.
Die Frühjahrsveranstaltung des Apothekerverbands Nordrhein, der Zukunftskongress öffentliche Apotheken, fand auch in diesem Jahr statt, mittlerweile zum 13. Mal, in diesem Jahr allerdings virtuell. Mit dabei waren u. a. die Wissenschaftsjournalistin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim, bekannt auch durch ihren Youtube-Kanal „maiLab“. Unter der Überschrift „Fakt statt Fake – Gesundheitskommunikation neu denken“ schaute sie sich mit erfrischenden Gedanken vor allem die Wissenschaftskommunikation in Zeiten von Corona an. Prof. Dr. Theo Dingermann zog in seinem Vortrag eine (Zwischen-)Bilanz über die Corona-Pandemie aus pharmazeutischer Sicht.
Und die politische Diskussion mit Dr. Georg Kippels (CDU), Jörg Schneider (AfD), Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) und Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, drehte sich in erster Linie um die Rolle der Apotheken in der Pandemie. Mal zwei Statements aus dieser Diskussion: Thomas Preis ist überzeugt, dass Apotheker grundsätzlich bereitstehen, auch gegen Corona zu impfen, sollten Impfzentren, Ärzte und Betriebsärzte es nicht schaffen, die bald ausreichend zur Verfügung stehenden Impfdosen zu verimpfen. Außerdem unterstützen die Apotheken prinzipiell die neue Teststrategie der Bundesregierung, mehr Schnelltests durchzuführen, ist Preis überzeugt. Dass allerdings die kommenden Laien-Schnelltests nicht apothekenpflichtig sind – dafür hatte Preis erwartungsgemäß kein Verständnis. Der Verkauf im Supermarkt sei der falsche Weg. Und Andrew Ullmann meinte: Die Apotheker sind keine akademischen Verkäufer. Die Apotheker stellen ihr Licht unter den Scheffel. Da kommt zu wenig von der ABDA über. Er erwartet von der Berufsorganisation eine klare Aufstellung der apothekerlichen Leistungen und was sie dafür verlangen. Mein liebes Tagebuch, Gratulation an den AV Nordrhein, der ein attraktives Programm angeboten hat. Der virtuelle Kongress hat funktioniert. (Vielleicht hat ja die ABDA im Berliner Apothekerhaus zugesehen und festgestellt, dass ein berufspolitischer Kongress virtuell durchaus möglich ist – z. B. eine Anregung fürs kommende Wirtschaftsforum!).
12 Kommentare
Positiv sehen
von Harald Schmidt am 21.02.2021 um 21:27 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten
AW: Positiv sehen
von Anita Peter am 22.02.2021 um 6:22 Uhr
AW: Positiv sehen
von Conny am 22.02.2021 um 7:39 Uhr
AW: Positiv sehen
von Egon Günther am 22.02.2021 um 8:28 Uhr
AW: Positiv sehen
von Karl Friedrich Müller am 22.02.2021 um 9:43 Uhr
Geburtsstunde des "freien Apothekers" ...
von Christian Timme am 21.02.2021 um 12:24 Uhr
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AW: Wann nur, die Wiedergeburt des "freien Apothekers" ...
von Bernd Jas am 21.02.2021 um 13:06 Uhr
"Bananenrebublik"
von Dietmar Bittenbinder am 21.02.2021 um 10:14 Uhr
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Dienstleistungen und Digitalisierung
von Karl Friedrich Müller am 21.02.2021 um 10:09 Uhr
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Ein Ja zu den COVID-19 Test
von Hundertmark Iris am 21.02.2021 um 8:41 Uhr
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von Anita Peter am 21.02.2021 um 8:16 Uhr
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AW: Banenenrebublik
von Sabine Schneider am 21.02.2021 um 8:56 Uhr
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